Claus: Wildert der Kanzler da im PDS-Revier?
Claus: Ja, ich finde es ja erstmal in Ordnung, dass er eine solche Besuchsreise macht. Allerdings fällt halt mal wieder auf, es ist wie die Reise in ein fernes Land. Es gibt ja nur einen Unterschied zum vergangenen Jahr: Es ist inzwischen das Land der wiederentdeckten Cousinen. Aber ich sage mal, wenn er sich denn in der Tat vertraut macht mit den Problemen in den neuen Bundesländern, dann geht das schon in Ordnung. Allerdings kritisieren wir, dass es auf Symbolpolitik reduziert wird und nicht das angepackt wird, was denn 98 mal mit dem Begriff 'Chefsache Ost' versprochen worden ist.
Kleinschmid: Der Kanzler hat ja gerade für den sogenannten 'Stadtumbau Ost', also für den Abriss der Plattenbauten, bis 2009 zusätzliche Gelder in Milliardenhöhe locker gemacht. Das war im Vorjahr eine der Forderungen der PDS. Jetzt bezeichnet sie es als 'Mogelpackung'. Wie passt das zusammen?
Claus: Unsere Kritik an diesem Vorschlag ist ja, dass es offenbar zu Lasten anderer Programme geht, also hier wohl nur eine Umschichtung vorzunehmen ist. Das Problem allerdings des Wohnungsleerstandes und damit der Umgestaltung von Platte - es geht ja nicht vordergründig um Abriss -, das muss angepackt werden. Und ich hoffe mal, wenn wir dann einen ersten solchen kleinen Schritt gehen, dass die Bundesregierung auch in der Lage ist, einzusehen, dass weitere Schritte notwendig sind.
Kleinschmid: Steht der Osten tatsächlich auf der Kippe, wie das Bundestagspräsident Thierse im Frühjahr beschrieben hat?
Claus: Ja, wir haben diese kritische Sicht ja geteilt. Aber man muss immer beachten: Der Osten - die neuen Länder dürfen auch nicht wie eine Art Jammertal beschrieben werden. Die PDS hat ihr Papier, hat ihre Vorschläge unter dem Titel 'Zukunftsfaktor Ost' zusammengefasst. Das ist etwas anderes, weil - wir haben inzwischen die Erfahrung gemacht, wenn denn Bedingungen eingeräumt werden, dass die Leute in den neuen Ländern mit ihrer eigenen Hände und Köpfe Arbeit auch zum Selbsttragen wirtschaftlichen Aufschwung etwas leisten können, dann sind sie dazu sehr wohl bereit und auch in der Lage. Und das ist der Weg, der hier angepackt werden muss mit neuen Investitionen, auch mit Umstellungen in der Arbeitswelt. Und all das wird nicht wirklich mit der Politik der Bundesregierung in den neuen Ländern gegenwärtig angefasst.
Kleinschmid: Nun ist es ja so, Herr Claus, dass tatsächlich ja in den Bundesländern, in denen die PDS schon längere Zeit toleriert bzw. regiert - Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern -, diese Länder die Schlusslichter in der Arbeitslosenstatistik beispielsweise sind. Das PDS-Modell eines dritten Arbeitsmarktes, des sogenannten öffentlichen Beschäftigungssektors, das im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern ja noch eine große Rolle gespielt hat, hat gerade mal ein paar hundert Arbeitsplätze gebracht. Im Wahlprogramm der Berliner PDS, an dessen Ende ja auch eine Regierungsbeteiligung Ihrer Partei stehen könnte, taucht das gleich gar nicht mehr auf. Stattdessen redet Gregor Gysi hier einem rigorosen Sparkurs das Wort.
Claus: Nein, es ist ja zunächst nicht so, dass die Schwierigkeiten in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern erst eingetreten wären, als die PDS in diese Gestaltungsverantwortung gekommen ist. Und wir haben ja auch nicht gesagt, dass der öffentliche Beschäftigungssektor sozusagen den ersten und den zweiten Arbeitsmarkt ersetzen soll. Es ist eine Option zur Ergänzung, und insofern geht es uns sehr wohl darum, auch für zukunftsfähige Arbeitsplätze uns einzusetzen, also den ersten Arbeitsmarkt fördernd zu begleiten - wir sind ja auch alles andere als wirtschaftsfeindlich -, aber halt auch zu sagen: Bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, mit der wir es jetzt zu tun haben, muss es auch darum gehen, eine Unmenge gegenwärtig gesellschaftlich notwendiger, aber nicht bezahlter Arbeit künftig nahe zu bewerten. Das meint der dritte Sektor. Wenn Gregor Gysi jetzt mit Blick auf Berlin natürlich zunächst darüber nachdenken muss, wie man mit dieser riesigen Verschuldung von 76 Milliarden allein - wenn man so will - in einem Bundesland fertig zu werden, dann spricht das natürlich für eine Realitätssicht auf die Stadt und nicht für den Verzicht an Visionen; er hat ja auch eine Menge entwickelt. Es geht jetzt ja nicht um ein Umsatteln. Aber ich glaube mal, wenn die PDS in Berlin um die Frage 'Schuldenabbau' kulant irgendwie einen Bogen machen würde, dann würde sie wenig glaubhaft vermitteln können, dass sie sehr wohl bereit und in der Lage ist, die Probleme der Stadt auch anzupacken. Also, da kommen auch wir nicht dran vorbei.
Kleinschmid: Es scheint aber trotzdem so, Herr Claus, als ob zumindestens der Eindruck besteht, dass mangelnde wirtschaftliche Kompetenz eines der großen Probleme der PDS ist.
Claus: Ja, das trügt ja auch nicht. Es ist ja immer auch ein Unterschied, was eine Partei in ihren Reihen selbst für Ansichten entwickelt und welches Image sie sich erwirbt und wie ihr das auch abgenommen wird. Und da ist es natürlich so, da will ich auch nichts vormachen, dass wir dort gerade auf dem Feld der Wirtschaftskompetenz nicht hoch bewertet werden. Und ich sage dann auch immer in meiner Partei: Die Sozialisten müssen auch öffentlich noch den Nachweis erbringen, dass sie nicht nur gut verteilen können, sondern auch in der Lage sind, wirtschaftliche Prozesse zu fördern. Und es ist ja auch in Europa in anderen Stellen so: Sozialisten werden immer dann gewählt, wenn es kompliziert wird.
Kleinschmid: Woran liegt's, Herr Claus, dass so viele Fachkräfte, vor allem junge Leute, den Osten verlassen und im Westen Arbeit suchen?
Claus: Das ist ein voller Mangel an Perspektiven, ein Mangel an zukunftsfähigen Herausforderungen. Und die Chance bestünde eigentlich gerade darin, auch zu sagen, der Osten - die neuen Länder werden künftig eine Dynamik entwickeln, die gerade für junge Leute ein gewisses Abenteuer bedeutet, auch eine Chance. Und wenn man den Osten immer nur als eine Art Belastung, nicht aber als eine Chance für die Einheit ansieht, dann schlägt das irgendwann durch. Und die jungen Leute, die ihre fünfte und sechste Bewerbung erfolglos abgeschickt haben, die sagen: 'Na ja, diese Gesellschaft will mich hier nicht, ich muss wohl diesen Weg gehen'. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung; es handelt sich hier keineswegs, wie manche Politiker Glauben machen wollen, nur sozusagen um einen Austausch von Arbeitskräften. Aber das bedarf halt zunächst auch eines Prozesses, der im Kopf anfängt, der im Vermitteln auch von Visionen anfängt und der eben nicht damit getan ist, dass man immer nur über die Kosten der Einheit, über die finanziellen Mittel, die in den Osten zu transferieren sind, redet, sondern auch über diese Chancen, die es hier gibt.
Kleinschmid: Kommen wir zu den parteiinternen Problemen. Der 40. Jahrestag des 13. August ist gerade vorbei - ein schwieriges Datum für die PDS. Es hat auf verschiedenen Ebenen eine deutliche Distanzierung vom Mauerbau, aber keine Entschuldigung Ihrer Partei gegeben - mit Rücksicht auf die Basis, heißt es immer. Und es heißt auch, Gysi, Bartsch, Pau, Claus sind nur die Aushängeschilder; tatsächlich denkt man in der Partei ganz anders.
Claus: Ja, zunächst einmal, es ist in der Tat so, dass das für uns ein schwieriges Datum ist, der 13. August - ein Datum des historischen Erinnerns. Und ich denke mal, dass wir mit einer sehr klaren und deutlichen Distanzierung von einer solchen Politik des Einmauerns der eigenen Bevölkerung, denn das war es ja letztendlich, unsere Verantwortung auch deutlich gemacht haben und dass das mehr ist, als irgend so ein Symbolakt, der mit dem Begriff 'Entschuldigung' verbunden wäre. Und ich denke auch nicht, dass es die Rücksicht auf die eigene Basis ist, die uns davon abhält - es ist einfach die gesellschaftliche Wahrnehmung. Nehmen Sie doch nur mal die Widerspiegelung dieser Vorgänge, die mit Entschuldigung zu tun haben, in den Medien. Es ist ja nahezu inzwischen auch als Farce kolportiert worden, wenn man das immer auf eine solche Form bringt. Es geht ja auch nicht darum, Entschuldigungen im Wortsinne irgendwie zu bedienen, denn das hieße ja, man ist danach ohne Verantwortung und ohne Umgang mit dieser Schuld. Und darum ging es uns nicht. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass das lange gehegte Bild unserer politischen Konkurrenten, die Führung der PDS und ihre Mitgliedschaft wären zwei verschiedene Dinge, halt wirklich nicht stimmt. Es ist auch bitter für die vielen Mitglieder unserer Partei - jüngerer und älterer -, die sich engagieren in der Kommunalpolitik und im öffentlichen Leben, und dann immer so dargestellt werden, als wären sie beständig rückwärtige Dödels, die nicht begreifen würden, wohin die Dinge gehen. Dass es natürlich Anhänger gibt, die etwas mehr verwurzelt sind mit dem früheren System, die diese Brüche so nicht mitmachen wollen, das ist auch eine Wahrheit. Und ich streite mich halt beispielsweise, wenn mir jemand sagt, 'man muss den Mauerbau historisch einordnen'. Da habe ich ja nun kein Problem damit, ich sage: Natürlich muss man ihn historisch einordnen, aber eines muss klar sein: Menschenrechtsverletzungen sind auch nach einer historischen Einordnung Menschenrechtsverletzungen und nicht etwa irgendwelche Wohltaten im Sinne eines höheren Zieles'. Und den Streit fechten wir aus.
Kleinschmid: Stichwort 'rückwärtige Dödels', das Sie gebracht haben: Wie ist das denn mit der 'kommunistischen Plattform'? Ist das so was wie ein Pluralismus-Alibi?
Claus: Die kommunistische Plattform wird in den Medien offenbar am meisten geliebt und bedient. Sie ist für uns nicht ein Alibi. Demokratisch-kommunistische Denkansätze haben in unserer Partei sehr wohl ihren Platz; es geht doch nicht darum, dass irgend jemand da einen Trennstrich vollzieht. Ich habe nur halt meine Kritiken auch an diesem Zusammenschluss, weil ich schon finde, dass diese Gruppe in unserer Partei sich viel zu sehr als ideologischer Gralshüter aufschwingt und für meine Begriffe viel zu wenig einbringt, das demokratisch-kommunistische Erbe dieses Jahrhunderts aufzuarbeiten, also auch mal Ideen von Habermann und Gramsci einzubringen - und nicht nur immer die Führung kritisch argwöhnisch zu begutachten und zu sagen: 'Da habt Ihr nun wieder dieses oder jenes falsch gemacht'.
Kleinschmid: Es gibt ja noch einen anderen Reizbegriff, der der PDS Probleme schafft, das ist der vom 'Unrechtsstaat DDR'. Könnten Sie sich mit diesem Begriff identifizieren?
Claus: Nein, dieser Begriff trifft aus meiner Sicht auf die DDR genau nicht zu, und an dieser Stelle trennen sich auch die Geister. Ich glaube mal, dass Wählerinnen und Wähler der PDS und darüber hinaus viele Menschen, die in der DDR gelebt haben, doch an uns die Erwartung haben, dass wir halt nicht wie andere Politiker über die DDR reden. Und das wird sich halt auch künftig unterscheiden, und ich denk mal, man muss selbstverständlich anerkennen, einräumen, aufarbeiten, dass in der DDR sehr viel Unrecht geschehen ist, im Namen des Sozialismus sozusagen auch Verbrechen begangen worden sind. Und trotzdem ist die gesamte Begrifflichkeit für den Sozialismusversuch als Unrechtsstaat für meine Begriffe eine falsche Sicht. Und ich bedaure, dass sich auch eine Reihe von sozialdemokratischen Politikern in jüngster Zeit über diesen Rubikon bewegt haben, und ich finde, dass sie damit auch denjenigen, die in sie Erwartungen setzen, dass Biographien, in der DDR gelebt wurden von Menschen, die jetzt in den neuen Ländern leben, halt eine Akzeptanz finden . Und wenn man das mit dem Begriff 'Unrechtsstaat' charakterisiert, ist das aber dann schon erheblich eingeschränkt.
Kleinschmid: Ein anderes Problemfeld: Das Verhältnis der PDS zum Eigentum. Da fordert Ihr Parteivize Dehm, die Verstaatlichung von BMW und diverser Großbanken - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite befürwortet der Entwurf des Parteiprogramms das Gewinnstreben der Unternehmer. Ist da nicht doch vieles ein bisschen unausgegoren?
Claus: Na, zumindestens entsteht öffentlich der Eindruck, das ist ja nun nicht wegzureden, und ich denke, dass es in der Tat etwas unglücklich war, dass Diether Dehms Bemerkung als 'Verstaatlichung' durch die Medien ging. Er hat ja von 'Vergesellschaftung' gesprochen. Und Vergesellschaftung ist nun nicht ein Begriff, der aus dem PDS- oder gar aus dem SED-Programm nur stammt, der steht ja auch im Artikel 15 des Grundgesetzes. Es geht nur eines nicht: Wir haben doch jede Menge schlechter Erfahrung gemacht mit einer staatlichen Verfügung von Produktionseigentum in den Großbetrieben. Und insofern begegne ich dann immer den Enteignungsfetischisten in unseren Reihen mit der These: Enteignung wovon, könnt Ihr mir noch erklären, Enteignung wohin - ist noch zu klären. Und insofern meine ich, dass beispielsweise in der DDR auch gute Erfahrungen gesammelt wurden mit genossenschaftlichem Eigentum. Ich denke, dass das genossenschaftliche Eigentum in der Landwirtschaft und im Handwerk das am meisten Sozialistische war und nicht etwa das in den Großbetrieben. Und insofern geht es in der Tat darum, künftige Produktionsstrukturen auszudenken, auf jeden Fall zu demokratisieren. Denn so, wie gegenwärtig die Großunternehmen und die Banken mit der Gesellschaft Monopoly spielen, das ist natürlich auch kein Zukunftsmodell. Und ständig darauf zu spekulieren, dass es schon noch mal gut geht an der Börse mit der Weltwirtschaft und damit den Konflikt zwischen sogenannter erster und dritter Welt zu vertiefen - es wird ja nicht an der Börse Wert geschöpft, sondern sozusagen nur zu Gunsten der Großen umverteilt -, das ist doch auch kein Modell, mit dem man in die Zukunft kommt. Und deshalb haben wir ja auch eine Reihe von Vorschlägen, die ein Eigentumsmix anstreben, gemacht, die aber sehr wohl auch anerkennen, dass Unternehmertum und unternehmerisches Gewinnstreben auch in der PDS Anerkennung findet. Ich erlebe das ja auch täglich bei einer ganzen Reihe von Mitgliedern unserer Partei, die sich als Existenzgründer durch das Leben schlagen und es ja nicht etwa leicht haben. Die kann ich ja jetzt nicht als 'Kapitalistenpack' oder so etwas bezeichnen. Kleinschmidt: Das Ganze wird ja auch auf dem Parteitag im Oktober in Dresden eine Rolle spielen und diskutiert werden - im Rahmen der Diskussion um das Parteiprogramm, das aber nur diskutiert und erst 2002 verabschiedet werden soll. Will man die Wahlchancen durch eine allzu kontroverse Diskussion nicht gefährden?
Claus: Ja, wir sind in der Tat in einer komplizierten Situation. Wenn man es mal im Klartext sagt, haben wir in Dresden ein 'Petzverbot', wenn man so wenige Tage oder Wochen vor der Berliner Wahl steht. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch nicht, dass den Parteitagsdelegierten eine Art Denk- oder Kritikverbot auferlegt wird. Das ist also das, was wir hier in der Tat noch zu handlen haben. Aber ich denke mal auch, wir können um solche Dinge keinen Bogen machen. Die Öffentlichkeit, die Gesellschaft hat ein Recht darauf, präziser als wir das bisher beschrieben haben von uns zu erfahren, wie sieht denn nun Euer demokratischer Sozialismus in Gestalt aus. Und dazu gehört konkrete Politik, dazu gehört aber auch programmatische Klarheit. Und deshalb haben wir uns entschlossen, das gute Programm von 1993, das inzwischen aber doch überholungsbedürftig ist, durch ein neues Programm zu ersetzen. Das ist in einer sozialistischen Partei immer ein spannender Diskussionsprozess; der ist nicht über's Knie zu brechen. Niemand will mit einer Art Überfall in Dresden schon zu einem Programmbeschluss kommen. Es geht nur darum, dass gewissermaßen Klarheit geschaffen wird, auf welcher Diskussionsgrundlage jetzt die Debatte geht. Und schon darum gibt es natürlich auch einigen Streit. Wir haben inzwischen drei Programmentwürfe vorliegen und sind deshalb in der Verantwortung, wie ich meine, beim nächsten Parteitag zu sagen: Es ist keine Diskriminierung von Vorschlägen aller Art, wenn man sagt, irgendein Programmentwurf ist denn nun die Grundlage, mit dem wir uns streiten wollen. Und das ist nach meiner Auffassung mit dem von der Parteivorsitzenden Gabi Zimmer vorgestellten Programm ganz gut möglich.
Kleinschmid: Gut, wenn Sie von 'handlen' sprechen, meinen Sie da eine relativ straffe Parteitagsregie?
Claus: Das heißt immer für eine Führung einer Partei - einem Parteivorstand in diesem Falle - in erster Linie, auch offen zu sein für Erwartungen und Kritiken von den Delegierten, also nicht dorthin zu gehen und zu sagen: Wir erklären Euch jetzt mal, wie wir denken, dass das richtig ist, sondern das eben miteinander auch zu besprechen. Das ist für meine Begriffe dann etwas anderes, als über eine Regie Delegierte nur einzuschwören oder irgendwie gegen ihren Willen zu überzeugen.
Kleinschmid: Sie haben schon angedeutet, die Wahl in Berlin am 21. Oktober passt nicht so ganz in Ihr politisches Programm der nächsten Monate. Trotzdem, die Wahl steht an. Die PDS sieht in einer möglichen Koalition mit der SPD in Berlin - mit Gregor Gysi als Regierenden Bürgermeister oder zumindestens als Senator - einen Beitrag zur Vollendung der Einheit der Stadt. Es scheint aber doch, als sei die Stadt seit der Ankündigung der Kandidatur gespalten, wie zuvor in den Zeiten des kalten Krieges. Glauben Sie denn, dass das alles mit einer möglichen Regierungsbildung unter PDS-Beteiligung ein Ende haben wird?
Claus: Das ist schon eine große Herausforderung, vor der wir hier stehen - mit den Berlinwahlen, und sie ist uns natürlich insofern auch willkommen. Nehmen Sie doch nur mal: Wenn wir vor ein, zwei Jahren über diese Option nachgedacht hätten, das hätte uns doch jeder als irgendwelches visionäres Spekulieren ausgelegt. Und wenn man antritt mit einem Spitzenkandidaten, der um das Amt als Regierender Bürgermeisters sich bewirbt, dann setzt man nicht auf Niederlage oder auf Platz, dann will man auch den Sieg in dieser Auseinandersetzung. Dass es so kompliziert ist, hat natürlich mit der Geschichte dieser Stadt zu tun. Und wir haben ja seinerzeit auf die Frage, ob man in Berlin auch eine Tolerierungspolitik à la Sachsen-Anhalt machen könnte, immer noch gesagt: Moment mal, das wird in Berlin noch eine gewisse Zeit dauern. Aber ich verweise auch mal auf die rasante Dynamik in der Zustimmung, die die PDS beispielsweise auch im Westteil der Stadt erfährt. Wenn man sich die Umfragewerte anschaut, welche Erwartungen es an uns gibt, wenn man sich anschaut, was die Berliner PDS auch in diesem Vereinigungsprozess geleistet hat, was die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus an Kompetenz erworben hat, dann sind das alles positive Signale. Und für uns heißt das aber, auch ernst zu nehmen und zu respektieren, dass es in bezug auf unsere Partei noch jede Menge Sorgen und auch Ängste gibt.
Kleinschmid: Wenn Gregor Gysi Regierender Bürgermeister werden sollte, dann wäre die PDS wieder führende Partei in der Hauptstadt, wie einst die SED. Und das, könnte man sich vorstellen, bereitet einigen Leuten doch ein gewisses Unbehagen.
Claus: Also, das ist doch ein großer Unterschied. Das hätte die SED nie geschafft, eine gesellschaftliche Akzeptanz im Westteil der Stadt oder in der Bundesrepublik zu erreichen. Es geht uns nicht um eine Avantgardsicht, und Gysi hat immer deutlich gemacht: Ein Regierender Bürgermeister, auch wenn er von der PDS gestellt wird, der kann nicht PDS-Politik pur durchsetzen. Der will das nicht. Der ist nicht Bürgermeister der PDS-WählerInnen oder Mitglieder, sondern er ist Regierender Bürgermeister einer ganzen Stadt. Und die Erfahrung haben ja inzwischen eine ganze Reihe von PDS-Politikerinnen und -Politikern auch gemacht, die in kommunaler Verantwortung stehen.
Kleinschmid: Wenn es eine rot-rote Koalition in Berlin geben sollte und die auch funktionieren sollte, dann wäre es ja auch ein Signal für die Bundestagswahl - schon 2002. Wäre dann nicht doch schon zu diesem Zeitpunkt eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene möglich?
Claus: Bemerkenswert ist zunächst nur, welche Aufmerksamkeit Berlin jetzt in bezug auf die Kooperation von SPD und PDS erfährt. Ich werde auch immer gefragt in der Bundespolitik, wie das sein kann, dass halt die Kooperation in Magdeburg und Schwerin bislang so völlig ausgeblendet wurde. Aber das waren halt Sündenfälle im Ausland, weil in den neuen Ländern - so, wie die neuen Länder auch wahrgenommen werden. Und insofern wird, auch wenn es nicht zu diesem Ausgang kommt, natürlich diese Möglichkeit, dass PDS und SPD gerade in Sachen sozialer Gerechtigkeit zusammen etwas auf den Weg bringen, auch in der Bundespolitik weiter diskutiert werden und erwartet werden. Ich denke, dass es dennoch zu früh ist, für 2002 mit einer solche Erwartung umzugehen. Sie ist unrealistisch. Sie ist weder von der SPD noch von der PDS gegenwärtig angestrebt. Und insofern wird es bei aller Spekulation, gerade der Christdemokraten, um diese Frage wohl bei diesen Spekulationen bleiben. Trotzdem muss die PDS auch in der Bundespolitik nach meiner Ansicht eine Koalitionsfähigkeit anstreben, was etwas anderes meint, als sozusagen um einer Koalition willen alles Mögliche preis- und aufzugeben. Das wird noch ein Stück dauern. Das ist, wie wir jetzt merken, gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik ein schier unvorstellbar komplizierter Vorgang . . .
Kleinschmid: . . . das sagt auch die SPD . . .
Claus: . . . das sagt auch die SPD, das macht den Herren dort offenbar die größten Schwierigkeiten, mit der Option PDS zu spielen; sie macht das ja nicht zunächst aus inhaltlichen Erwartungen heraus. Und insofern sollte dieser Eindruck nicht bedient werden. Man darf in der Politik, und das werden ja auch die Erfahrungen im Umgang mit der Dynamik gesellschaftlicher Veränderungen auch nicht eine solche öffentliche Ansage machen, dass man denn alles für alle Zeiten ausschließt.
Kleinschmid: Nun taucht plötzlich seit einigen Wochen die Frage einer Koalition zwischen PDS und CDU auf, und zwar angestoßen von der PDS. Herr Christoffers aus Brandenburg hat das gesagt, Herr Porsch aus Sachsen hat dem nicht widersprochen. Würden denn da große Teile der PDS mitspielen, oder tun die das nicht jetzt schon als blanken Opportunismus ab.
Claus: Na ja, das ist wohl ein bisschen aus der Kategorie 'ohne Übertreibung kommt kein Gespräch zustande'. Worum es uns wirklich und vor allem geht, ist eine Normalisierung des Verhältnisses der demokratischen Parteien CDU und PDS. Das ist ja gegenwärtig noch nicht erreicht. Nehmen Sie nur mal die Situation im Bundestag: Der CDU/CSU-Fraktion ist es per Beschluss regelrecht und in allen Fragen kategorisch verwehrt, jeden, aber auch jeden PDS-Vorschlag, selbst wenn er den eigenen Vorschlägen in der Kritik der Bundesregierung nahekommt oder mit denen übereinstimmt, verwehrt. Und sie müssen gegen alles stimmen. Das sind keine Zustände. Es geht aber für meine Begriffe nicht um Koalitionen. Da ist das Feld von Gemeinsamkeiten gegenwärtig in der Tat viel zu gering. Was ich mir wünschte, dass wir in der Bundespolitik effektiver kooperieren in der Kritik an dem, was Rot-Grün macht. Und da machen wir es gegenwärtig der Bundesregierung dadurch zu leicht, dass es fast keine Kooperation in der Opposition gibt, was nicht Koalition meint.
Kleinschmid: Wobei diese Blockadepolitik der CDU ja nicht zuletzt damit zu tun hat, dass diese Sie nicht für eine demokratische Partei hält.
Claus: Die Politiker auch der CDU, die mit uns seit langem in Landtagen umgehen, die uns in der Kommunalpolitik in den neuen Ländern kennen, die sich auch kritisch auseinandersetzen mit dem, was wir in der Bundespolitik machen - denke ich -, haben längst auch für sich die Erfahrung gewonnen, dass von uns nicht die Gefahr eines undemokratischen Umsturzes ausgeht, wohl aber natürlich das Bestreben, die Gesellschaft nicht so zu lassen, wie sie ist - aber dies ausschließlich mit demokratischen Mitteln. Ich denke, hier führt die CDU einen öffentlichen Schaukampf vor.
Kleinschmid: Ich darf noch eine persönliche Frage zum Schluss stellen, Herr Claus. Wie verkraftet denn der Oppositionspolitiker Roland Claus die Tatsache, dass sein Vorgänger als Fraktionschef, Gregor Gysi, schon wieder oder noch immer viel stärker in den Schlagzeilen der Medien auftaucht als er selbst?
Claus: Ich habe mich ja nicht im Zustand der Besinnungslosigkeit im vergangenen Jahr dieser Wahl gestellt. Wir haben gesagt, wir suchen ja nicht einen Gysi-Imitator, sondern einen Fraktionsvorsitzenden. Wir sind mit der Erwartung angetreten und haben gesagt: Wir wollen, dass jetzt mehr Personen als nur Gregor Gysi in der Öffentlichkeit für bestimmte Themen stehen. Und das ist, finde ich - nicht, dass ich damit zufrieden wäre in allen Punkten - doch ganz gut aufgegangen. Und zu diesen Personen gehört Gregor Gysi. Und dass er natürlich jetzt in dieser Position als Kandidat für den Regierenden Bürgermeister im Medienmittelpunkt des Interesses steht, das ist doch durchaus ein Vorgang, den wir miteinander gewollt haben und der mich nicht in irgendeiner Weise ärgerlich macht, sondern den ich schon für interessant und bemerkenswert halte. Und trotzdem gibt es auch eine Politik nach dem 21. Oktober in der Bundespolitik, und auf die muss man sich strategisch einstellen. Und das machen wir in der Tat.
Claus: Ja, ich finde es ja erstmal in Ordnung, dass er eine solche Besuchsreise macht. Allerdings fällt halt mal wieder auf, es ist wie die Reise in ein fernes Land. Es gibt ja nur einen Unterschied zum vergangenen Jahr: Es ist inzwischen das Land der wiederentdeckten Cousinen. Aber ich sage mal, wenn er sich denn in der Tat vertraut macht mit den Problemen in den neuen Bundesländern, dann geht das schon in Ordnung. Allerdings kritisieren wir, dass es auf Symbolpolitik reduziert wird und nicht das angepackt wird, was denn 98 mal mit dem Begriff 'Chefsache Ost' versprochen worden ist.
Kleinschmid: Der Kanzler hat ja gerade für den sogenannten 'Stadtumbau Ost', also für den Abriss der Plattenbauten, bis 2009 zusätzliche Gelder in Milliardenhöhe locker gemacht. Das war im Vorjahr eine der Forderungen der PDS. Jetzt bezeichnet sie es als 'Mogelpackung'. Wie passt das zusammen?
Claus: Unsere Kritik an diesem Vorschlag ist ja, dass es offenbar zu Lasten anderer Programme geht, also hier wohl nur eine Umschichtung vorzunehmen ist. Das Problem allerdings des Wohnungsleerstandes und damit der Umgestaltung von Platte - es geht ja nicht vordergründig um Abriss -, das muss angepackt werden. Und ich hoffe mal, wenn wir dann einen ersten solchen kleinen Schritt gehen, dass die Bundesregierung auch in der Lage ist, einzusehen, dass weitere Schritte notwendig sind.
Kleinschmid: Steht der Osten tatsächlich auf der Kippe, wie das Bundestagspräsident Thierse im Frühjahr beschrieben hat?
Claus: Ja, wir haben diese kritische Sicht ja geteilt. Aber man muss immer beachten: Der Osten - die neuen Länder dürfen auch nicht wie eine Art Jammertal beschrieben werden. Die PDS hat ihr Papier, hat ihre Vorschläge unter dem Titel 'Zukunftsfaktor Ost' zusammengefasst. Das ist etwas anderes, weil - wir haben inzwischen die Erfahrung gemacht, wenn denn Bedingungen eingeräumt werden, dass die Leute in den neuen Ländern mit ihrer eigenen Hände und Köpfe Arbeit auch zum Selbsttragen wirtschaftlichen Aufschwung etwas leisten können, dann sind sie dazu sehr wohl bereit und auch in der Lage. Und das ist der Weg, der hier angepackt werden muss mit neuen Investitionen, auch mit Umstellungen in der Arbeitswelt. Und all das wird nicht wirklich mit der Politik der Bundesregierung in den neuen Ländern gegenwärtig angefasst.
Kleinschmid: Nun ist es ja so, Herr Claus, dass tatsächlich ja in den Bundesländern, in denen die PDS schon längere Zeit toleriert bzw. regiert - Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern -, diese Länder die Schlusslichter in der Arbeitslosenstatistik beispielsweise sind. Das PDS-Modell eines dritten Arbeitsmarktes, des sogenannten öffentlichen Beschäftigungssektors, das im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern ja noch eine große Rolle gespielt hat, hat gerade mal ein paar hundert Arbeitsplätze gebracht. Im Wahlprogramm der Berliner PDS, an dessen Ende ja auch eine Regierungsbeteiligung Ihrer Partei stehen könnte, taucht das gleich gar nicht mehr auf. Stattdessen redet Gregor Gysi hier einem rigorosen Sparkurs das Wort.
Claus: Nein, es ist ja zunächst nicht so, dass die Schwierigkeiten in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern erst eingetreten wären, als die PDS in diese Gestaltungsverantwortung gekommen ist. Und wir haben ja auch nicht gesagt, dass der öffentliche Beschäftigungssektor sozusagen den ersten und den zweiten Arbeitsmarkt ersetzen soll. Es ist eine Option zur Ergänzung, und insofern geht es uns sehr wohl darum, auch für zukunftsfähige Arbeitsplätze uns einzusetzen, also den ersten Arbeitsmarkt fördernd zu begleiten - wir sind ja auch alles andere als wirtschaftsfeindlich -, aber halt auch zu sagen: Bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, mit der wir es jetzt zu tun haben, muss es auch darum gehen, eine Unmenge gegenwärtig gesellschaftlich notwendiger, aber nicht bezahlter Arbeit künftig nahe zu bewerten. Das meint der dritte Sektor. Wenn Gregor Gysi jetzt mit Blick auf Berlin natürlich zunächst darüber nachdenken muss, wie man mit dieser riesigen Verschuldung von 76 Milliarden allein - wenn man so will - in einem Bundesland fertig zu werden, dann spricht das natürlich für eine Realitätssicht auf die Stadt und nicht für den Verzicht an Visionen; er hat ja auch eine Menge entwickelt. Es geht jetzt ja nicht um ein Umsatteln. Aber ich glaube mal, wenn die PDS in Berlin um die Frage 'Schuldenabbau' kulant irgendwie einen Bogen machen würde, dann würde sie wenig glaubhaft vermitteln können, dass sie sehr wohl bereit und in der Lage ist, die Probleme der Stadt auch anzupacken. Also, da kommen auch wir nicht dran vorbei.
Kleinschmid: Es scheint aber trotzdem so, Herr Claus, als ob zumindestens der Eindruck besteht, dass mangelnde wirtschaftliche Kompetenz eines der großen Probleme der PDS ist.
Claus: Ja, das trügt ja auch nicht. Es ist ja immer auch ein Unterschied, was eine Partei in ihren Reihen selbst für Ansichten entwickelt und welches Image sie sich erwirbt und wie ihr das auch abgenommen wird. Und da ist es natürlich so, da will ich auch nichts vormachen, dass wir dort gerade auf dem Feld der Wirtschaftskompetenz nicht hoch bewertet werden. Und ich sage dann auch immer in meiner Partei: Die Sozialisten müssen auch öffentlich noch den Nachweis erbringen, dass sie nicht nur gut verteilen können, sondern auch in der Lage sind, wirtschaftliche Prozesse zu fördern. Und es ist ja auch in Europa in anderen Stellen so: Sozialisten werden immer dann gewählt, wenn es kompliziert wird.
Kleinschmid: Woran liegt's, Herr Claus, dass so viele Fachkräfte, vor allem junge Leute, den Osten verlassen und im Westen Arbeit suchen?
Claus: Das ist ein voller Mangel an Perspektiven, ein Mangel an zukunftsfähigen Herausforderungen. Und die Chance bestünde eigentlich gerade darin, auch zu sagen, der Osten - die neuen Länder werden künftig eine Dynamik entwickeln, die gerade für junge Leute ein gewisses Abenteuer bedeutet, auch eine Chance. Und wenn man den Osten immer nur als eine Art Belastung, nicht aber als eine Chance für die Einheit ansieht, dann schlägt das irgendwann durch. Und die jungen Leute, die ihre fünfte und sechste Bewerbung erfolglos abgeschickt haben, die sagen: 'Na ja, diese Gesellschaft will mich hier nicht, ich muss wohl diesen Weg gehen'. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung; es handelt sich hier keineswegs, wie manche Politiker Glauben machen wollen, nur sozusagen um einen Austausch von Arbeitskräften. Aber das bedarf halt zunächst auch eines Prozesses, der im Kopf anfängt, der im Vermitteln auch von Visionen anfängt und der eben nicht damit getan ist, dass man immer nur über die Kosten der Einheit, über die finanziellen Mittel, die in den Osten zu transferieren sind, redet, sondern auch über diese Chancen, die es hier gibt.
Kleinschmid: Kommen wir zu den parteiinternen Problemen. Der 40. Jahrestag des 13. August ist gerade vorbei - ein schwieriges Datum für die PDS. Es hat auf verschiedenen Ebenen eine deutliche Distanzierung vom Mauerbau, aber keine Entschuldigung Ihrer Partei gegeben - mit Rücksicht auf die Basis, heißt es immer. Und es heißt auch, Gysi, Bartsch, Pau, Claus sind nur die Aushängeschilder; tatsächlich denkt man in der Partei ganz anders.
Claus: Ja, zunächst einmal, es ist in der Tat so, dass das für uns ein schwieriges Datum ist, der 13. August - ein Datum des historischen Erinnerns. Und ich denke mal, dass wir mit einer sehr klaren und deutlichen Distanzierung von einer solchen Politik des Einmauerns der eigenen Bevölkerung, denn das war es ja letztendlich, unsere Verantwortung auch deutlich gemacht haben und dass das mehr ist, als irgend so ein Symbolakt, der mit dem Begriff 'Entschuldigung' verbunden wäre. Und ich denke auch nicht, dass es die Rücksicht auf die eigene Basis ist, die uns davon abhält - es ist einfach die gesellschaftliche Wahrnehmung. Nehmen Sie doch nur mal die Widerspiegelung dieser Vorgänge, die mit Entschuldigung zu tun haben, in den Medien. Es ist ja nahezu inzwischen auch als Farce kolportiert worden, wenn man das immer auf eine solche Form bringt. Es geht ja auch nicht darum, Entschuldigungen im Wortsinne irgendwie zu bedienen, denn das hieße ja, man ist danach ohne Verantwortung und ohne Umgang mit dieser Schuld. Und darum ging es uns nicht. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass das lange gehegte Bild unserer politischen Konkurrenten, die Führung der PDS und ihre Mitgliedschaft wären zwei verschiedene Dinge, halt wirklich nicht stimmt. Es ist auch bitter für die vielen Mitglieder unserer Partei - jüngerer und älterer -, die sich engagieren in der Kommunalpolitik und im öffentlichen Leben, und dann immer so dargestellt werden, als wären sie beständig rückwärtige Dödels, die nicht begreifen würden, wohin die Dinge gehen. Dass es natürlich Anhänger gibt, die etwas mehr verwurzelt sind mit dem früheren System, die diese Brüche so nicht mitmachen wollen, das ist auch eine Wahrheit. Und ich streite mich halt beispielsweise, wenn mir jemand sagt, 'man muss den Mauerbau historisch einordnen'. Da habe ich ja nun kein Problem damit, ich sage: Natürlich muss man ihn historisch einordnen, aber eines muss klar sein: Menschenrechtsverletzungen sind auch nach einer historischen Einordnung Menschenrechtsverletzungen und nicht etwa irgendwelche Wohltaten im Sinne eines höheren Zieles'. Und den Streit fechten wir aus.
Kleinschmid: Stichwort 'rückwärtige Dödels', das Sie gebracht haben: Wie ist das denn mit der 'kommunistischen Plattform'? Ist das so was wie ein Pluralismus-Alibi?
Claus: Die kommunistische Plattform wird in den Medien offenbar am meisten geliebt und bedient. Sie ist für uns nicht ein Alibi. Demokratisch-kommunistische Denkansätze haben in unserer Partei sehr wohl ihren Platz; es geht doch nicht darum, dass irgend jemand da einen Trennstrich vollzieht. Ich habe nur halt meine Kritiken auch an diesem Zusammenschluss, weil ich schon finde, dass diese Gruppe in unserer Partei sich viel zu sehr als ideologischer Gralshüter aufschwingt und für meine Begriffe viel zu wenig einbringt, das demokratisch-kommunistische Erbe dieses Jahrhunderts aufzuarbeiten, also auch mal Ideen von Habermann und Gramsci einzubringen - und nicht nur immer die Führung kritisch argwöhnisch zu begutachten und zu sagen: 'Da habt Ihr nun wieder dieses oder jenes falsch gemacht'.
Kleinschmid: Es gibt ja noch einen anderen Reizbegriff, der der PDS Probleme schafft, das ist der vom 'Unrechtsstaat DDR'. Könnten Sie sich mit diesem Begriff identifizieren?
Claus: Nein, dieser Begriff trifft aus meiner Sicht auf die DDR genau nicht zu, und an dieser Stelle trennen sich auch die Geister. Ich glaube mal, dass Wählerinnen und Wähler der PDS und darüber hinaus viele Menschen, die in der DDR gelebt haben, doch an uns die Erwartung haben, dass wir halt nicht wie andere Politiker über die DDR reden. Und das wird sich halt auch künftig unterscheiden, und ich denk mal, man muss selbstverständlich anerkennen, einräumen, aufarbeiten, dass in der DDR sehr viel Unrecht geschehen ist, im Namen des Sozialismus sozusagen auch Verbrechen begangen worden sind. Und trotzdem ist die gesamte Begrifflichkeit für den Sozialismusversuch als Unrechtsstaat für meine Begriffe eine falsche Sicht. Und ich bedaure, dass sich auch eine Reihe von sozialdemokratischen Politikern in jüngster Zeit über diesen Rubikon bewegt haben, und ich finde, dass sie damit auch denjenigen, die in sie Erwartungen setzen, dass Biographien, in der DDR gelebt wurden von Menschen, die jetzt in den neuen Ländern leben, halt eine Akzeptanz finden . Und wenn man das mit dem Begriff 'Unrechtsstaat' charakterisiert, ist das aber dann schon erheblich eingeschränkt.
Kleinschmid: Ein anderes Problemfeld: Das Verhältnis der PDS zum Eigentum. Da fordert Ihr Parteivize Dehm, die Verstaatlichung von BMW und diverser Großbanken - auf der einen Seite. Auf der anderen Seite befürwortet der Entwurf des Parteiprogramms das Gewinnstreben der Unternehmer. Ist da nicht doch vieles ein bisschen unausgegoren?
Claus: Na, zumindestens entsteht öffentlich der Eindruck, das ist ja nun nicht wegzureden, und ich denke, dass es in der Tat etwas unglücklich war, dass Diether Dehms Bemerkung als 'Verstaatlichung' durch die Medien ging. Er hat ja von 'Vergesellschaftung' gesprochen. Und Vergesellschaftung ist nun nicht ein Begriff, der aus dem PDS- oder gar aus dem SED-Programm nur stammt, der steht ja auch im Artikel 15 des Grundgesetzes. Es geht nur eines nicht: Wir haben doch jede Menge schlechter Erfahrung gemacht mit einer staatlichen Verfügung von Produktionseigentum in den Großbetrieben. Und insofern begegne ich dann immer den Enteignungsfetischisten in unseren Reihen mit der These: Enteignung wovon, könnt Ihr mir noch erklären, Enteignung wohin - ist noch zu klären. Und insofern meine ich, dass beispielsweise in der DDR auch gute Erfahrungen gesammelt wurden mit genossenschaftlichem Eigentum. Ich denke, dass das genossenschaftliche Eigentum in der Landwirtschaft und im Handwerk das am meisten Sozialistische war und nicht etwa das in den Großbetrieben. Und insofern geht es in der Tat darum, künftige Produktionsstrukturen auszudenken, auf jeden Fall zu demokratisieren. Denn so, wie gegenwärtig die Großunternehmen und die Banken mit der Gesellschaft Monopoly spielen, das ist natürlich auch kein Zukunftsmodell. Und ständig darauf zu spekulieren, dass es schon noch mal gut geht an der Börse mit der Weltwirtschaft und damit den Konflikt zwischen sogenannter erster und dritter Welt zu vertiefen - es wird ja nicht an der Börse Wert geschöpft, sondern sozusagen nur zu Gunsten der Großen umverteilt -, das ist doch auch kein Modell, mit dem man in die Zukunft kommt. Und deshalb haben wir ja auch eine Reihe von Vorschlägen, die ein Eigentumsmix anstreben, gemacht, die aber sehr wohl auch anerkennen, dass Unternehmertum und unternehmerisches Gewinnstreben auch in der PDS Anerkennung findet. Ich erlebe das ja auch täglich bei einer ganzen Reihe von Mitgliedern unserer Partei, die sich als Existenzgründer durch das Leben schlagen und es ja nicht etwa leicht haben. Die kann ich ja jetzt nicht als 'Kapitalistenpack' oder so etwas bezeichnen. Kleinschmidt: Das Ganze wird ja auch auf dem Parteitag im Oktober in Dresden eine Rolle spielen und diskutiert werden - im Rahmen der Diskussion um das Parteiprogramm, das aber nur diskutiert und erst 2002 verabschiedet werden soll. Will man die Wahlchancen durch eine allzu kontroverse Diskussion nicht gefährden?
Claus: Ja, wir sind in der Tat in einer komplizierten Situation. Wenn man es mal im Klartext sagt, haben wir in Dresden ein 'Petzverbot', wenn man so wenige Tage oder Wochen vor der Berliner Wahl steht. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch nicht, dass den Parteitagsdelegierten eine Art Denk- oder Kritikverbot auferlegt wird. Das ist also das, was wir hier in der Tat noch zu handlen haben. Aber ich denke mal auch, wir können um solche Dinge keinen Bogen machen. Die Öffentlichkeit, die Gesellschaft hat ein Recht darauf, präziser als wir das bisher beschrieben haben von uns zu erfahren, wie sieht denn nun Euer demokratischer Sozialismus in Gestalt aus. Und dazu gehört konkrete Politik, dazu gehört aber auch programmatische Klarheit. Und deshalb haben wir uns entschlossen, das gute Programm von 1993, das inzwischen aber doch überholungsbedürftig ist, durch ein neues Programm zu ersetzen. Das ist in einer sozialistischen Partei immer ein spannender Diskussionsprozess; der ist nicht über's Knie zu brechen. Niemand will mit einer Art Überfall in Dresden schon zu einem Programmbeschluss kommen. Es geht nur darum, dass gewissermaßen Klarheit geschaffen wird, auf welcher Diskussionsgrundlage jetzt die Debatte geht. Und schon darum gibt es natürlich auch einigen Streit. Wir haben inzwischen drei Programmentwürfe vorliegen und sind deshalb in der Verantwortung, wie ich meine, beim nächsten Parteitag zu sagen: Es ist keine Diskriminierung von Vorschlägen aller Art, wenn man sagt, irgendein Programmentwurf ist denn nun die Grundlage, mit dem wir uns streiten wollen. Und das ist nach meiner Auffassung mit dem von der Parteivorsitzenden Gabi Zimmer vorgestellten Programm ganz gut möglich.
Kleinschmid: Gut, wenn Sie von 'handlen' sprechen, meinen Sie da eine relativ straffe Parteitagsregie?
Claus: Das heißt immer für eine Führung einer Partei - einem Parteivorstand in diesem Falle - in erster Linie, auch offen zu sein für Erwartungen und Kritiken von den Delegierten, also nicht dorthin zu gehen und zu sagen: Wir erklären Euch jetzt mal, wie wir denken, dass das richtig ist, sondern das eben miteinander auch zu besprechen. Das ist für meine Begriffe dann etwas anderes, als über eine Regie Delegierte nur einzuschwören oder irgendwie gegen ihren Willen zu überzeugen.
Kleinschmid: Sie haben schon angedeutet, die Wahl in Berlin am 21. Oktober passt nicht so ganz in Ihr politisches Programm der nächsten Monate. Trotzdem, die Wahl steht an. Die PDS sieht in einer möglichen Koalition mit der SPD in Berlin - mit Gregor Gysi als Regierenden Bürgermeister oder zumindestens als Senator - einen Beitrag zur Vollendung der Einheit der Stadt. Es scheint aber doch, als sei die Stadt seit der Ankündigung der Kandidatur gespalten, wie zuvor in den Zeiten des kalten Krieges. Glauben Sie denn, dass das alles mit einer möglichen Regierungsbildung unter PDS-Beteiligung ein Ende haben wird?
Claus: Das ist schon eine große Herausforderung, vor der wir hier stehen - mit den Berlinwahlen, und sie ist uns natürlich insofern auch willkommen. Nehmen Sie doch nur mal: Wenn wir vor ein, zwei Jahren über diese Option nachgedacht hätten, das hätte uns doch jeder als irgendwelches visionäres Spekulieren ausgelegt. Und wenn man antritt mit einem Spitzenkandidaten, der um das Amt als Regierender Bürgermeisters sich bewirbt, dann setzt man nicht auf Niederlage oder auf Platz, dann will man auch den Sieg in dieser Auseinandersetzung. Dass es so kompliziert ist, hat natürlich mit der Geschichte dieser Stadt zu tun. Und wir haben ja seinerzeit auf die Frage, ob man in Berlin auch eine Tolerierungspolitik à la Sachsen-Anhalt machen könnte, immer noch gesagt: Moment mal, das wird in Berlin noch eine gewisse Zeit dauern. Aber ich verweise auch mal auf die rasante Dynamik in der Zustimmung, die die PDS beispielsweise auch im Westteil der Stadt erfährt. Wenn man sich die Umfragewerte anschaut, welche Erwartungen es an uns gibt, wenn man sich anschaut, was die Berliner PDS auch in diesem Vereinigungsprozess geleistet hat, was die PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus an Kompetenz erworben hat, dann sind das alles positive Signale. Und für uns heißt das aber, auch ernst zu nehmen und zu respektieren, dass es in bezug auf unsere Partei noch jede Menge Sorgen und auch Ängste gibt.
Kleinschmid: Wenn Gregor Gysi Regierender Bürgermeister werden sollte, dann wäre die PDS wieder führende Partei in der Hauptstadt, wie einst die SED. Und das, könnte man sich vorstellen, bereitet einigen Leuten doch ein gewisses Unbehagen.
Claus: Also, das ist doch ein großer Unterschied. Das hätte die SED nie geschafft, eine gesellschaftliche Akzeptanz im Westteil der Stadt oder in der Bundesrepublik zu erreichen. Es geht uns nicht um eine Avantgardsicht, und Gysi hat immer deutlich gemacht: Ein Regierender Bürgermeister, auch wenn er von der PDS gestellt wird, der kann nicht PDS-Politik pur durchsetzen. Der will das nicht. Der ist nicht Bürgermeister der PDS-WählerInnen oder Mitglieder, sondern er ist Regierender Bürgermeister einer ganzen Stadt. Und die Erfahrung haben ja inzwischen eine ganze Reihe von PDS-Politikerinnen und -Politikern auch gemacht, die in kommunaler Verantwortung stehen.
Kleinschmid: Wenn es eine rot-rote Koalition in Berlin geben sollte und die auch funktionieren sollte, dann wäre es ja auch ein Signal für die Bundestagswahl - schon 2002. Wäre dann nicht doch schon zu diesem Zeitpunkt eine Koalition mit der SPD auf Bundesebene möglich?
Claus: Bemerkenswert ist zunächst nur, welche Aufmerksamkeit Berlin jetzt in bezug auf die Kooperation von SPD und PDS erfährt. Ich werde auch immer gefragt in der Bundespolitik, wie das sein kann, dass halt die Kooperation in Magdeburg und Schwerin bislang so völlig ausgeblendet wurde. Aber das waren halt Sündenfälle im Ausland, weil in den neuen Ländern - so, wie die neuen Länder auch wahrgenommen werden. Und insofern wird, auch wenn es nicht zu diesem Ausgang kommt, natürlich diese Möglichkeit, dass PDS und SPD gerade in Sachen sozialer Gerechtigkeit zusammen etwas auf den Weg bringen, auch in der Bundespolitik weiter diskutiert werden und erwartet werden. Ich denke, dass es dennoch zu früh ist, für 2002 mit einer solche Erwartung umzugehen. Sie ist unrealistisch. Sie ist weder von der SPD noch von der PDS gegenwärtig angestrebt. Und insofern wird es bei aller Spekulation, gerade der Christdemokraten, um diese Frage wohl bei diesen Spekulationen bleiben. Trotzdem muss die PDS auch in der Bundespolitik nach meiner Ansicht eine Koalitionsfähigkeit anstreben, was etwas anderes meint, als sozusagen um einer Koalition willen alles Mögliche preis- und aufzugeben. Das wird noch ein Stück dauern. Das ist, wie wir jetzt merken, gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik ein schier unvorstellbar komplizierter Vorgang . . .
Kleinschmid: . . . das sagt auch die SPD . . .
Claus: . . . das sagt auch die SPD, das macht den Herren dort offenbar die größten Schwierigkeiten, mit der Option PDS zu spielen; sie macht das ja nicht zunächst aus inhaltlichen Erwartungen heraus. Und insofern sollte dieser Eindruck nicht bedient werden. Man darf in der Politik, und das werden ja auch die Erfahrungen im Umgang mit der Dynamik gesellschaftlicher Veränderungen auch nicht eine solche öffentliche Ansage machen, dass man denn alles für alle Zeiten ausschließt.
Kleinschmid: Nun taucht plötzlich seit einigen Wochen die Frage einer Koalition zwischen PDS und CDU auf, und zwar angestoßen von der PDS. Herr Christoffers aus Brandenburg hat das gesagt, Herr Porsch aus Sachsen hat dem nicht widersprochen. Würden denn da große Teile der PDS mitspielen, oder tun die das nicht jetzt schon als blanken Opportunismus ab.
Claus: Na ja, das ist wohl ein bisschen aus der Kategorie 'ohne Übertreibung kommt kein Gespräch zustande'. Worum es uns wirklich und vor allem geht, ist eine Normalisierung des Verhältnisses der demokratischen Parteien CDU und PDS. Das ist ja gegenwärtig noch nicht erreicht. Nehmen Sie nur mal die Situation im Bundestag: Der CDU/CSU-Fraktion ist es per Beschluss regelrecht und in allen Fragen kategorisch verwehrt, jeden, aber auch jeden PDS-Vorschlag, selbst wenn er den eigenen Vorschlägen in der Kritik der Bundesregierung nahekommt oder mit denen übereinstimmt, verwehrt. Und sie müssen gegen alles stimmen. Das sind keine Zustände. Es geht aber für meine Begriffe nicht um Koalitionen. Da ist das Feld von Gemeinsamkeiten gegenwärtig in der Tat viel zu gering. Was ich mir wünschte, dass wir in der Bundespolitik effektiver kooperieren in der Kritik an dem, was Rot-Grün macht. Und da machen wir es gegenwärtig der Bundesregierung dadurch zu leicht, dass es fast keine Kooperation in der Opposition gibt, was nicht Koalition meint.
Kleinschmid: Wobei diese Blockadepolitik der CDU ja nicht zuletzt damit zu tun hat, dass diese Sie nicht für eine demokratische Partei hält.
Claus: Die Politiker auch der CDU, die mit uns seit langem in Landtagen umgehen, die uns in der Kommunalpolitik in den neuen Ländern kennen, die sich auch kritisch auseinandersetzen mit dem, was wir in der Bundespolitik machen - denke ich -, haben längst auch für sich die Erfahrung gewonnen, dass von uns nicht die Gefahr eines undemokratischen Umsturzes ausgeht, wohl aber natürlich das Bestreben, die Gesellschaft nicht so zu lassen, wie sie ist - aber dies ausschließlich mit demokratischen Mitteln. Ich denke, hier führt die CDU einen öffentlichen Schaukampf vor.
Kleinschmid: Ich darf noch eine persönliche Frage zum Schluss stellen, Herr Claus. Wie verkraftet denn der Oppositionspolitiker Roland Claus die Tatsache, dass sein Vorgänger als Fraktionschef, Gregor Gysi, schon wieder oder noch immer viel stärker in den Schlagzeilen der Medien auftaucht als er selbst?
Claus: Ich habe mich ja nicht im Zustand der Besinnungslosigkeit im vergangenen Jahr dieser Wahl gestellt. Wir haben gesagt, wir suchen ja nicht einen Gysi-Imitator, sondern einen Fraktionsvorsitzenden. Wir sind mit der Erwartung angetreten und haben gesagt: Wir wollen, dass jetzt mehr Personen als nur Gregor Gysi in der Öffentlichkeit für bestimmte Themen stehen. Und das ist, finde ich - nicht, dass ich damit zufrieden wäre in allen Punkten - doch ganz gut aufgegangen. Und zu diesen Personen gehört Gregor Gysi. Und dass er natürlich jetzt in dieser Position als Kandidat für den Regierenden Bürgermeister im Medienmittelpunkt des Interesses steht, das ist doch durchaus ein Vorgang, den wir miteinander gewollt haben und der mich nicht in irgendeiner Weise ärgerlich macht, sondern den ich schon für interessant und bemerkenswert halte. Und trotzdem gibt es auch eine Politik nach dem 21. Oktober in der Bundespolitik, und auf die muss man sich strategisch einstellen. Und das machen wir in der Tat.