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Clement hofft weiter auf Einigung in der Baubranche

Der Vermittler bei den gescheiterten Tarifverhandlungen in der Baubranche, Wolfgang Clement, hat Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch einmal zu einer Einigung auf einen Flächentarifvertrag aufgerufen. Er hoffe sehr, dass es nach den anstehenden Warnstreiks bald zu einer Lösung komme, sagte der ehemalige Wirtschaftsminister.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Es gibt Tarifverhandlungen, die ziehen sich lange und quälend dahin: mit den bekannten nächtlichen Verhandlungsrunden, bei denen um die letzten Details gepokert wird, und in den frühen Morgenstunden ist es dann geschafft. Jetzt in der Bauindustrie aber verhält es sich anders. Die Pokerrunden waren nämlich schon abgeschlossen, zweimal ein Tarifvertrag gefunden, aber zweimal sind einzelne Verbände aus den Reihen der Arbeitgeber dann doch wieder ausgeschert. Die ostdeutschen Arbeitgeber sagen jetzt ja zu einem Schlichterspruch, aber der Norden legt sich quer mit den Verbänden Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Die beiden haben bis gestern nicht dem Schlichterspruch von Wolfgang Clement zugestimmt. Damit ist die Sache geplatzt. Alles sieht jetzt nach Streik aus.

    Bei uns ist der Schlichter Wolfgang Clement, der ehemalige Bundesarbeitsminister, am Telefon. Guten Morgen Herr Clement!

    Wolfgang Clement: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Wie sauer und enttäuscht sind Sie als Schlichter über das Nein aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein?

    Clement: Ich bedauere schon sehr, dass die Schlichtung jetzt gescheitert ist. Das ist nicht ganz einfach nachzuvollziehen. Wir haben ja mit zwei Verbänden auf der Seite der Arbeitgeber zu tun. Die gesamte deutsche Bauindustrie hat dem Schlichtungsvorschlag zugestimmt. Von dem Baugewerbe - das ist ja vor allen Dingen das Bauhandwerk - eben die beiden Verbände Norddeutschlands nicht, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Ostdeutschland hat zugestimmt. Allesamt haben dem sonst zugestimmt. Deshalb ist es schade, dass sich jetzt aufgrund des negativen Votums der beiden norddeutschen Landesverbände des Baugewerbes noch einmal zu einer Zuspitzung der Situation wohl kommen wird.

    Meurer: Haben Sie damit gerechnet, oder hatten die beiden Verbände eigentlich schon ihre Zustimmung signalisiert, weil sie ja den Schlichterspruch mit ausgehandelt haben?

    Clement: Sie durften gar nicht zustimmen. Das war von Anfang an kompliziert, weil in Norddeutschland in diesen beiden Verbänden es doch andere Diskussionen gibt. Ich habe damit offen gesagt nicht gerechnet. Ich glaube niemand, der an den Verhandlungen beteiligt war, hat damit gerechnet. Deshalb hoffe ich ja auch sehr, dass wir nach einer gewissen Phase des Nachdenkens doch noch zu einer Lösung kommen, und so weit erforderlich werde ich dazu auch meinen Beitrag leisten.

    Meurer: Sie glauben an eine zweite Schlichtung?

    Clement: Das will ich jetzt nicht sagen. Es gibt jetzt eine Zuspitzung. Das ist jetzt eine Sache der Organisationen, der Verbände, der Gewerkschaften auf der einen Seite, die natürlich dem Schlichterspruch zugestimmt haben, und der Arbeitgeberverbände auf der anderen Seite. Wir werden sehen. Es ist wohl offensichtlich so eine Zuspitzung jetzt erst erforderlich, aber ich halte auf der anderen Seite jede Einstellung für vernünftig, um einen Flächentarifvertrag auch für die Bauwirtschaft zu Stande zu bringen, denn das lohnt aus meiner Sicht jede Anstrengung.

    Meurer: Was sagen Sie zu den Argumenten, die aus dem Norden kommen? Eines lautet ja, die Konjunktur im Baugewerbe in Norddeutschland sei schlechter als andernorts.

    Clement: Ja, sicher. Das ist wahrscheinlich nicht ganz falsch, dass es dort Probleme für kleinere Unternehmen gibt. Auf der anderen Seite gibt es bald keine Bauleute mehr in Schleswig-Holstein. Die arbeiten dann nämlich in Dänemark. Viele, viele Bauleute sind schon nach Dänemark gegangen und dort bekommen sie 2, 3, 4 Euro pro Stunde mehr als in Schleswig-Holstein. Also man muss sich schon klar sein: die Bauleute haben über Jahre verzichtet auf eine Erhöhung ihrer Einkommen. Es ist jetzt die Situation da. Aber ich will auch jetzt in der Sache nicht groß einschwenken. Ich glaube der Hauptgrund für die Ablehnung durch Schleswig-Holstein und Niedersachsen war jetzt eine Öffnungsklausel, mit der sich vor allen Dingen kleine Unternehmen aus dem handwerklichen Bereich nicht leicht tun. Allerdings war es ein ganz besonderer Wunsch aus Norddeutschland, dass wir genau eine solche Öffnungsklausel entwickelten, wie wir es getan haben.

    Meurer: Wie viel Spielraum, Herr Clement, hätte diese Öffnungsklausel den Arbeitgebern geboten?

    Clement: Acht Prozent nach unten. Das sind eine ganze Menge. Wir haben ja eine Öffnungsklausel, das heißt also eine Konkurrenzklausel. Bei entsprechender Konkurrenz, die mit Dumping-Löhnen arbeitet, ist diese Öffnungsklausel vorgesehen. In Ostdeutschland haben wir die ohnedies schon gehabt. Wir haben also zwei Öffnungsklauseln in Ostdeutschland und in Westdeutschland, wie wir übrigens auch Mindestlöhne haben, wie wir auch Sonderregelungen haben für die Ausbildung. Alles das ist so vorgesehen. Das ist zum ersten Mal in solch einer Form geregelt worden. Aber das muss in Westdeutschland in Form eines Haustarifvertrages geschehen, das heißt unter Einbeziehung der Gewerkschaft, also eine solche Absenkung um acht Prozent, und das ist wohl dort einigen und auf der Unternehmensseite gegen den Strich.

    Meurer: Den Arbeitgebern, wie Sie sagen, ging das gegen den Strich. Die wollten sich nicht die Gewerkschaft ins Haus holen. Gab es bei der Öffnungsklausel keinen Weg, das zu vermeiden?

    Clement: Das ist sehr schwierig. Wenn man schon einen Flächentarifvertrag haben will, muss man ihn natürlich auch prinzipiell akzeptieren. Das ist eigentlich die Hauptdiskussion: Schafft man noch einen Flächentarifvertrag in der Bauwirtschaft? Ich bin generell muss ich sagen sehr für Flächentarifverträge, soweit es geht überall, soweit es geht bundesweit. In der Bauwirtschaft bietet es sich an, denn die Bauunternehmen gehen ja, wenn Sie so wollen, mit Wandergewerbeschein durch die Republik. Das heißt die kennen keine Ländergrenzen und keine Regionalgrenzen hier in Deutschland. Sie gehen auch über die Grenzen deutlich hinaus. Deshalb spricht viel für einen Flächentarifvertrag und spricht alles gegen ungeregelte, tariflose Zustände. Da würde man sich umschauen, wenn es dazu käme. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass es doch noch gelingen wird, auf die eine oder andere Weise, die ich jetzt nicht beschreiben will, zu einer Verständigung zu kommen. Die Bereitschaft der Repräsentanten aus Norddeutschland war ja da. Sonst wären wir ja nicht zu diesem Schiedsspruch oder Schlichtungsvorschlag gekommen.

    Meurer: Trotzdem zeigt sich ja, Herr Clement, dass es regional unterschiedliche Interessen bei den Arbeitgebern gibt. Was wären denn die Nachteile, wenn es regionale Tarifverträge gäbe?

    Clement: Der Nachteil ist, dass man in Schleswig-Holstein eben nicht alleine in Schleswig-Holstein arbeitet, sondern genauso in Mecklenburg-Vorpommern, genauso wie in anderen Teilen der Bundesrepublik. Auch im Süden, im Norden, im Osten und im Westen ist es überall gleich. Die Bauunternehmen bewerben sich natürlich in Deutschland überall und nicht in ihren Ländergrenzen. Stellen Sie sich vor: Wir haben dann ein schleswig-holsteinisches Unternehmen, das mit anderen Tarifen in Niedersachsen oder in Nordrhein-Westfalen arbeiten will. Das macht nicht viel Sinn. Das wird dann also alles ein bisschen wilder in der Konkurrenz. Das nähert sich dann schon sehr rasch einem tariflosen Zustand und an sich, muss ich Ihnen sagen, kann das niemand für vernünftig halten. Deshalb habe ich in diesen Verhandlungen auch, um das klar zu sagen, sehr für einen solchen Tarifvertrag, einen Flächentarifvertrag geworben und das war die allgemeine Intention und ist die allgemeine Intention. Die finde ich richtig und freue mich darüber.

    Meurer: An einen bundesweiten Tarifvertrag ist ja auch der Mindestlohn im Baugewerbe gekoppelt. Steht der jetzt zur Disposition?

    Clement: Er gilt noch eine gewisse Zeit, aber dann steht er zur Disposition. Wenn nicht bis dahin Regelungen zu Stande kommen, wird es auch darüber zu Auseinandersetzungen kommen. Das ist alles nicht sehr vernünftig. Es kommt noch hinzu, dass daran auch gekoppelt sind weitergehende Vereinbarungen, die es in der Bauwirtschaft gibt, beispielsweise über Regelungen für den Ruhestand - die haben ja eigene Pensionsregelungen - und andere Ausbildungsvergütungen. Alles hängt mit allem zusammen. Das wird ja wohl dazu führen, dass man doch zu einer Regelung kommen wird. Schließlich und endlich leider vermutlich mit etwas Verzögerung.

    Meurer: Wie lange wird das dauern? Erst mal ein paar Wochen Streik und dann doch noch eine Einigung?

    Clement: Ich hoffe nicht, dass es zu einer sehr intensiven Zuspitzung kommt. Ich bin ja jemand, der immer auf die Vernunft setzt, auch wenn ich gelegentlich als ungeduldig gelte. Auf die Vernunft habe ich immer gesetzt und das tue ich auch jetzt.

    Meurer: Also es bleibt vielleicht bei einigen Warnstreiks?

    Clement: Wir werden sehen.

    Meurer: Das war der frühere Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement, Schlichter im Baugewerbe, und dort ist leider eine Tarifeinigung erst einmal geplatzt. Herr Clement, schönen Dank und auf Wiederhören!

    Clement: Schönen Dank Herr Meurer. Auf Wiederhören!