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'Clement ist ein guter und erfolgreicher Politiker'

Heuer: Zunächst Inhalte, dann Strukturen, erst am Schluss die Personalien. In dieser Reihenfolge wollten die rot/grünen Koalitionäre in Berlin ihre Verhandlungen führen. Aber nichts ist vordergründig spannender als die Frage, wer was wird in der neuen Regierung, und so gerät die gesetzte Reihenfolge durcheinander. Gestern wurde bekannt, dass Gerhard Schröder seinen sozialdemokratischen Parteifreund Wolfgang Clement als Superminister für Wirtschaft und Arbeit nach Berlin holen möchte. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident sagt, er wolle in den nächsten Tagen über das Angebot des Bundeskanzlers entscheiden. Wie fänden die Gewerkschaften einen Superminister Clement? Was hält zum Beispiel Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, von Schröders neuestem Personalplan? Die Antwort hören wir gleich; guten Morgen Herr Schmoldt!

    Schmoldt: Guten Morgen Frau Heuer.

    Heuer: Ihr Tipp Herr Schmoldt: Glauben Sie, dass Clement annimmt?

    Schmoldt: Das weiß ich nicht. Wir haben ja von Wolfgang Clement sowohl als Minister in Nordrhein-Westfalen wie jetzt als Ministerpräsident erfahren, dass er ein kluger Politiker ist, ein erfolgreicher Politiker und mit Sicherheit ist für ihn auch nicht uninteressant, einen Bundesauftrag zu übernehmen.

    Heuer: Klug und erfolgreich. Ist Wolfgang Clement denn auch Ihr Wunschkandidat als Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit?

    Schmoldt: Frau Heuer, ich glaube, das ist nicht unsere Aufgabe als Gewerkschaften, hier die Personalien zu entscheiden.

    Heuer: Aber Sie müssen doch mit diesem Minister sprechen. Jedenfalls haben Sie doch sicher eine Vorliebe?

    Schmoldt: Natürlich wird man sagen, dass dieser oder jener einem in dieser oder jener Funktion lieber ist. Das wird man dann aber im internen Gespräch tun, nicht in der Öffentlichkeit. Worauf es ankommt ist, welche Aufgaben, Zuständigkeiten und welche Inhalte dann die einzelnen Ministerien haben. Da gibt es bei den Gewerkschaften natürlich ein Problem, wenn, wie jetzt in den Medien zu lesen und zu hören ist, der Bundeskanzler beabsichtigt, diese beiden Ressorts zusammenzulegen. Das ist ein Punkt, den wir als Gewerkschaften so nicht befürworten. Wir halten beide Ressorts, nämlich Wirtschaft und auch Arbeit, für eigenständig wichtige Ressorts, wo es auch in dem einen oder anderen Fall Konfliktpunkte gibt. Deswegen muss man sie auch getrennt belassen und damit auch in der künftigen Regierung mit jeweils einem Minister besetzen.

    Heuer: Wo befürchten Sie denn konkret jetzt solche Konfliktpunkte?

    Schmoldt: Na ja, es gibt bei den Wirtschaftsfragen natürlich immer die Fragen von Wettbewerbsfähigkeit. Bisweilen kommt dort der Aspekt von Arbeit und sozialen Gesichtspunkten zu kurz und um überhaupt gar nicht in diese Konfliktlinie zu kommen, soll man die Ministerien getrennt lassen. Ansonsten könnte man ja auch den Bereich Soziales oder Umwelt in ein großes Superministerium legen. Das hat sich in der Vergangenheit als nicht klug erwiesen und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

    Heuer: Alle politischen Parteien sagen, es muss jetzt schnell etwas geschehen, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Hartz-Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch. Um sie umzusetzen, wäre da nicht eine Bündelung der Macht und der Zuständigkeiten in einem solchen Superministerium eher hilfreich?

    Schmoldt: Frau Heuer, da langt ja dann nicht nur, Arbeit und Wirtschaft miteinander zu betrachten. Da gehört auch der gesamte Bereich des Umweltschutzes dazu, da gehört der Bereich Soziales dazu. Also ich glaube, die Bundesregierung muss in der Lage sein, auch zu solch wichtigen Themen wie Umsetzung der Hartz-Vorschläge ihre einzelnen Ressorts in den entscheidenden Punkten zu bündeln, die einzelnen Aspekte gegeneinander abzuwägen und dann zu einem gemeinsamen Handeln zu kommen. Ansonsten brauchen sie am Ende nur einen, nämlich den Bundeskanzler, der alles entscheidet; das wollen wir ja nicht.

    Heuer: Sie haben das Umweltressort angesprochen, Herr Schmoldt. Eine Folge der Zusammenlegung von Wirtschaft und Arbeit in ein Ministerium könnte auch sein, dass Umweltminister Trittin, wie es die Grünen wollen, die Zuständigkeit für die Energiepolitik bekommt. Dafür sind Sie sicher nicht?

    Schmoldt: Nein, mit Sicherheit nicht, Frau Heuer. Das ist ein ganz wichtiges wirtschaftspolitisches Thema. Energie darf man eben nicht nur unter Umweltaspekten betrachten, die wichtig sind, die wir mittragen, aber viel wichtiger ist die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit am Industriestandort Deutschland und ein ganz wichtiger Punkt in dem Zusammenhang ist die Energiepolitik. Die muss im Wirtschaftsministerium bleiben und die Grünen wären klug beraten, ihren Wahlerfolg jetzt nicht so um- und durchsetzen zu wollen, dass sie glauben, damit dann bestimmte Ansprüche stellen zu dürfen. Wahlerfolge sind immer das Ergebnis von einem Tag und Regierungsverantwortung ist auf vier Jahre verteilt.

    Heuer: Ja und in diesen vier Jahren wird es auch noch einmal um die Ökosteuer gehen. Sie Herr Schmoldt haben für Ihre Gewerkschaft gesagt, dass Sie gegen eine nochmalige Erhöhung dieser Steuer sind. Wäre denn die IG BCE damit einverstanden, wenigstens die Ausnahmen von der Ökosteuer für die Wirtschaft zu streichen?

    Schmoldt: Nein, nicht zu streichen. Wir haben uns ja dafür eingesetzt, dass die Wirtschaft wegen der Frage der Wettbewerbsfähigkeit bestimmte Ausnahmetatbestände erhält und zugestanden bekommt. Die sollen auch erhalten bleiben. Was nur korrigiert werden muss, ist die Höhe der Ausnahmen und die Verrechnung in den einzelnen Punkten. Da darf es dann nicht zu einer besonderen Schonung dieses oder jener Branche führen. Ansonsten soll die Ökosteuer aber nicht weiter erhöht werden. Wir müssen immer im Blick haben, dass wir im Wettbewerb mit vielen anderen Ländern stehen, und dann darf deshalb auch keine zusätzliche steuerliche Belastung erfolgen.

    Heuer: Wenn Sie die Höhe korrigieren wollen, auf welchen Satz für die Ausnahmen von der Ökosteuer würden Sie sich denn für die Wirtschaft einigen können?

    Schmoldt: Zunächst einmal bezahlen ja die energieintensiven Branchen einen nur Fünftelsatz der Ökosteuerbeträge und dann gibt es ja noch mal einen zweiten Berechnungs- und Verrechnungsmodus. Der hat etwas zu tun mit den Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung und in diesem Punkt muss man eben eine Korrektur vornehmen, dass nicht einzelne Branchen sogar hinterher noch etwas zurückerstattet bekommen. Das kann nicht Sinn von Ausnahmen und Befreiungen sein.

    Heuer: Die IG BCE will das Bündnis für Arbeit fortführen. Sie fordert allerdings mehr Verbindlichkeit für seine Beschlüsse. Ihre Forderung an einen Superminister Clement, wenn er denn kommt, in diesem Zusammenhang, Herr Schmoldt?

    Schmoldt: Ich bin ja für Herrn Clement auch in einer solchen Aufgabe, in einer solchen neuen Funktion, aber nicht als Superminister, Frau Heuer. Wir wollen schon die beiden Ressorts getrennt belassen. Zum einen müsste ein Wirtschaftsminister die Rahmenbedingungen für den Standort Deutschland weiter verbessern und das heißt, wir müssen in der Lage sein, im globalen Wettbewerb Arbeitsplätze zu schaffen, neue Technologien auf den Weg zu bringen, Akzeptanz für industrielle Produktion hier in der Bundesrepublik zu schaffen. Und was einen künftigen Arbeitsminister angeht, brauchen wir weitere Reformen. Wir müssen, wie Sie vorhin gesagt haben, eine konsequente Umsetzung des Hartz-Konzeptes auf den Weg bringen. Da müssen alle Beteiligten, auch die Gewerkschaften, nicht immer nur im Kleinen denken und reden. Da muss man auch mal den einen oder anderen Schritt wagen, sei es hier im Rahmen eines begrenzten, auch zeitlich begrenzten Versuches, und muss man gucken, ob die vorgeschlagenen Instrumente die Wirkung erzielen, die man erhofft. Und wenn sie das dann tun, dann muss man sie auf den Weg bringen.

    Heuer: Superministerium hin oder her, mit dieser Personaldiskussion um Wolfgang Clement ist der jetzige Arbeitsminister Walter Riester bereits angeschlagen. Wolfgang Clement ist Vorstandsvorsitzender der Nordrhein-Westfalen AG genannt worden und wie der Bundeskanzler Genosse der Bosse. Das spricht für eine größere Nähe zu den Arbeitgebern als zu den Arbeitnehmern, während Walter Riester ja selbst aus den Gewerkschaften kommt. Können Sie mit einem Arbeitsminister Clement unter diesem Gesichtspunkt genauso gut leben wie mit Walter Riester?

    Schmoldt: Frau Heuer, es wird darauf ankommen, dass man sich mit dem künftigen Arbeitsminister über die Inhalte verständigt. Wir haben mit Walter Riester eine Reihe von Reformvorhaben auf den Weg gebracht. Eine ganz wichtige Reform war die Rentenreform. Es sind Veränderungen im Bereich von Kündigungsschutz und Betriebsverfassung auf den Weg gebracht worden. Ich kann mir genauso gut vorstellen, dass man mit einem künftigen Minister Clement, in welcher Funktion auch immer, auch über solche Inhalte reden kann. Ob der eine oder andere nun hier oder da näher zugeordnet wird, das ist mehr eine Frage der öffentlichen Diskussion und weniger eine Frage unserer guten Erfahrungen mit beiden, sowohl mit dem derzeitigen Arbeitsminister wie auch mit dem derzeitigen Ministerpräsidenten Clement.

    Heuer: Einen Rückblick können wir aber wagen. Walter Riester hat seine Sache gut gemacht?

    Schmoldt: Er hat Schwierigkeiten gehabt, weil ja ein riesiger Reformstau von der Kohl-Regierung hinterlassen worden ist. Er hat diesen Reformstau zum Teil auflösen können, aber es gibt eine Fülle von weiteren Aufgaben, die nicht leicht sind, aber die dringend angepackt werden müssen. Das ist auch eine wichtige Aufgabe im Bündnis für Arbeit, diesen Reformprozess zu unterstützen, ihn zu begleiten, Vorschläge zu machen und damit dann auch für Deutschland eine vernünftige Perspektive aufzuzeigen.

    Heuer: Eine andere als die Clement-Personalie zum Schluss, Herr Schmoldt. Der Bundeskanzler erwägt angeblich - das schreibt der "Spiegel" -, den Leiter der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster zu entlassen, weil der die Hartz-Vorschläge als nicht ausreichend kritisiere und damit ihre Umsetzung erschwere. Fänden Sie es richtig, Gerster zu ersetzen?

    Schmoldt: Das fände ich nicht richtig. Herr Gerster ist ja gerade in diese Funktion gekommen. Ich denke, er muss auch die Chance haben zu beweisen, dass die Erwartungen, die mit seiner Benennung verbunden waren, von ihm auch erfüllt werden. Herr Gerster ist vielleicht, wenn man ihm überhaupt einen Vorschlag und einen Ratschlag erteilen darf, klug beraten, bestimmte Dinge zunächst intern zu diskutieren und sie dann in die Öffentlichkeit zu tragen.

    Heuer: Vielen Dank! - Das war Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Ich danke für das Gespräch, Herr Schmoldt!

    Link: Interview als RealAudio