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Klub-Fan-Dialog
Zeichen der Annäherung zwischen Fans und Profifußball?

Ab kommender Saison wird in der Lizenzierungsordnung der DFL ein Austausch zwischen Anhängern und den Vereinen verbindlich festgelegt. Darin sollen alle Themen berücksichtigt werden, die die Fans betreffen. Doch wie die Klubs diesen Dialog ausgestalten, bleibt erstmal ihnen überlassen.

Von Thorsten Poppe | 06.02.2022
Verärgerte Mitglieder bei der Jahreshauptversammlung 2021 des FC Bayern München
Missglückter Dialog: Jahreshauptversammlung des FC Bayern München (picture alliance / SvenSimon)
Die Beziehung von Verein und Fans – sie kann kompliziert sein. Vor allem dann, wenn man nicht miteinander redet. Über Ticketpreise, Fankultur oder auch über umstrittene Sponsoring-Partner. Deswegen sollen sich die Klubs nach besten Kräften bemühen, dass es einen offenen und regelmäßigen Dialog mit den Fans gibt.
Das klappt aber nicht so, wie es klappen sollte, moniert Heidi Möller, die Vorsitzende der Taskforce „Zukunft Profi-Fußball“, vor etwa einem Jahr. „Wo es Verbesserungsbedarf gibt, ist beim Klub-Fan-Dialog. Der ist ja verankert, aber der läuft sehr, sehr unterschiedlich von Standort zu Standort.“

Dialog ist ab kommender Saison verpflichtend

Das soll sich ab der kommenden Saison ändern. Im Dezember haben die Profiklubs beschlossen, die DFL-Lizenzierungsordnung diesbezüglich zu erneuern. Dort sind alle Vorgaben aufgelistet, die ein Verein erfüllen muss, um in der Bundesliga spielen zu dürfen.
„Was sich jetzt sozusagen geändert hat, ist, dass nicht nur gesagt wurde, führt einen Dialog, sondern man hat konkrete Vorgaben gemacht, die erfüllt werden müssen", erklärt Jonas Gabler von der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit, kurz KoFaS. Die KoFaS begleitet die Etablierung der Klub-Fan-Dialoge seit Jahren.
Bisher mussten sich die Klubs nur nach besten Kräften bemühen, einen Dialog anzubieten – ab der kommenden Saison ist das ein Muss. An den Sitzungen nimmt auch immer eine Fanbeauftragte oder ein Fanbeauftragter des Vereins teil, mindestens einmal pro Saison auch die Führungsebene des Klubs. Zudem sollen Personen vertreten sein, die die Vielfalt der Fans im Stadion abbilden.

Aktive Fanszene nicht immer einer Meinung mit Stadiongängern

Diese Kriterien sollen den Klub-Fan-Dialog künftig auf ein neues Niveau heben – auf seiner letzten Pressekonferenz als DFL-Chef formuliert Christian Seifert deshalb die Hoffnung, „dass daraus tatsächlich ein Klub-Fan-Dialog wird, der alle Fangruppen, aus allen Stadionbereichen einschließt. Denn nur dann bekommt man eine realistische Einschätzung dessen, was die Fans tatsächlich denken - und nicht nur manche!“
Ein kleiner Seitenhieb auf die aktiven Fanszenen und vor allem die Ultras, die nicht nur die Stimmungshoheit im Stadion für sich beanspruchen, sondern sich mit ihrer Kritik am Profi-Fußball auch als Wortführer der Fans verstehen - und dabei nicht immer einer Meinung mit den Stadiongängern sind, die ihr Leben nicht völlig dem Fußball verschrieben haben.

Coronakrise zeigt: Fußball funktioniert auch ohne Fans

Die aktiven Fanszenen in den Stadionkurven stellen sich schon seit Jahren gegen die immer weiter fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs. Und entfremden sich immer mehr vom Fußball - gerade in Coronazeiten, wie Politologe Jonas Gabler erläutert:
„Die Ökonomisierung des Fußballs, und die wirtschaftliche Bedeutung des Fußballs ist noch einmal deutlicher geworden. Und es wurde praktisch deutlich, dass die Fans im Stadion keine Rolle mehr spielen. Der Fußball funktioniert auch, wenn er nur im Fernsehen gezeigt wird. Und das ist natürlich eine wahrgenommene Entwertung der Fans, und das ist natürlich auch eine Entwicklung, die dem Profi-Fußball nicht gefallen kann. Er muss gucken, dass er seine gesellschaftliche Bedeutung auch erhält, wenn er erfolgreich bleiben will.“

Stellenwert des Fußballs bei Fans hat abgenommen

Vor diesem Hintergrund ist der Klub-Fan-Dialog auch als eine notwendige Handreichung seitens der Bundesliga zu sehen, damit die Fanbindung nicht noch weiter schwindet. Zuletzt hatten mehrere wissenschaftliche Studien festgestellt, dass bei mehr als einem Drittel der Fans der Stellenwert des Fußballs erheblich abgenommen hat.
Die aktive Fanszene begrüßt die Änderungen, sie seien ein klarer fanpolitischer Erfolg, verkündet zum Beispiel das Fanbündnis „Unsere Kurve“. Eine gewisse Skepsis gegenüber dem Profi-Fußball bleibt aber bestehen, weil sich die Fans in der Vergangenheit nie so richtig mitgenommen fühlten:
„Der Klub-Fan-Dialog ist sicherlich ein großer Erfolg, ob es die große Handreichung ist, das wage ich noch zu bezweifeln. Denn es gibt ja noch viel mehr, als das. Bei einem Klub-Fan-Dialog kann man sich über Sachen unterhalten, ob das Bier jetzt irgendwie halbvoll oder voll gezapft wird. Aber das sind ja eigentlich nur Peanuts", sagt Thomas Kessen, einer der Sprecher von „Unsere Kurve“.

Wunsch nach Mitspracherecht

Denn neben den verpflichtenden Kriterien gibt es weitere Empfehlungen für die Klubs. Zum Beispiel, dass der Dialog mindestens dreimal pro Spielzeit stattfinden soll. Oder dass der Klub die Gesprächsergebnisse in seine Entscheidungsfindungsprozesse mit einfließen lassen soll und an die Fans zurückmeldet. Aber das ist eben nicht verbindlich.
Deshalb appelliert „Unsere Kurve“ an die Klubs, diese Empfehlungen trotzdem unbedingt umzusetzen, um einen konstruktiven Austausch sicherzustellen. Dieser schließe auch Entscheidungen der Klubführung mit ein: „Wir als Unsere Kurve wollen natürlich den Fußball als Ganzes bewahren und nicht der Turbo-Kapitalisierung hingeben lassen, das heißt, wir wollen darüber reden, mit welchen Sponsoren geht man Deals ein. Muss man sich wirklich von Katar sponsern lassen oder von Wiesenhof? All das sind ja so die richtigen, harten Fragen des Fußballs. Da wünschen wir uns, dass auch dort Fans mitgenommen werden.“
Aber auch wenn die Form des Klub-Fan-Dialogs weiterhin allgemein gehalten ist: Es ist ein erster Schritt für eine bessere Kommunikation zwischen dem Profi-Fußball und seinen Fans.