Dienstag, 23. April 2024

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CO2-Einsparungen im Verkehr
"Das Auto sollte zunächst mal kleiner werden"

Nach Ansicht des Verkehrsexperten Frederic Rudolph liegen die größten CO2-Einsparpotenziale in der Verkehrsverlagerung zum ÖPNV und der Fahrzeugeffizienz. Wenn Autos kleiner gebaut würden, könne man beispielsweise viel besser den Elektromotor einsetzen, sagte Rudolph im Dlf.

Frederic Rudolph im Gespräch mit Georg Ehring | 25.03.2019
Alltagsverkehr herrscht in Berlin auf der vielbefahrenen Leipziger Straße, aufgenommen am 06.07.2016. Foto: Paul Zinken | Verwendung weltweit
Größere Autos entsprechend mehr besteuern - das empfiehlt Verkehrsexperte Frederic Rudolph (dpa)
Georg Ehring: Um rund 70 Millionen Tonnen soll die Emission des Treibhausgases CO2 aus dem Verkehr im nächsten Jahrzehnt sinken, das ist mehr als ein Drittel gegenüber dem heutigen Stand von ungefähr 170 Millionen Tonnen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass er Vorschläge zurückgewiesen hat, etwa die Idee, mit einem Tempolimit auf Autobahnen Treibhausgase einzusparen. Welche er umsetzen wird, das dürfte sich in nächster Zeit zeigen. Frederic Rudolph beschäftigt sich beim Wuppertal-Institut mit dem Verkehrssektor. Ich habe ihn vor dieser Sendung gefragt, wo aus seiner Sicht die größten Einspar-Potenziale liegen.
Frederic Rudolph: Die größten Einsparpotenziale liegen in der Verkehrsverlagerung, die Verlagerung weg vom PKW hin zum ÖPNV und zum nichtmotorisierten Verkehr, und auch in der Fahrzeugeffizienz. Wir sollten in Zukunft kleinere Autos haben, leichtere Autos haben und auch einen Antriebswechsel vornehmen.
"Sehr wenig in die Infrastruktur der Bahn investiert"
Ehring: Bleiben wir mal bei der Verkehrsverlagerung. Lassen sich die Menschen denn lenken? Und wenn ja, wie soll das gehen?
Rudolph: Sie brauchen Anreize natürlich, mehr ÖPNV, mehr Bahnverkehr. Beispielsweise ist ja in den letzten Jahrzehnten sehr wenig auch in die Infrastruktur der Bahn investiert worden. Da muss nachgelegt werden. Da sind die Gewinne der Deutschen Bahn in den letzten Jahren immer auch in die Tochtergesellschaften geflossen.
Und Sie müssen natürlich auch fordern, im Prinzip das Auto teurer machen, so dass der Umstieg dann auch eingefordert wird, wenn man so möchte.
Ehring: Sie sprachen auch von besseren Autos, sparsameren Autos. Wie stellen Sie sich das vor? Ist das der Wechsel zum Elektroauto, oder ist es das herkömmliche Auto anders?
Rudolph: Das Auto sollte zunächst mal kleiner werden. Dadurch wird es sparsamer. Wenn es kleiner wird, dann kann man auch besser den Elektromotor einsetzen, weil einfach weniger Energie verbraucht wird und die Batterie weniger Energie speichern kann. Dann hat man natürlich auch die Möglichkeit: Die Steuerkommission wird möglicherweise auch ein Szenario mit synthetischen Kraftstoffen vorstellen. Synthetische Kraftstoffe sind im Prinzip das gleiche wie fossile Kraftstoffe, nur über erneuerbare Energien und einen Syntheseprozess, also verschiedene Umwandlungsprozesse hergestellt, und können deshalb CO2-neutral sein. Allerdings haben sie durch die verschiedenen Umwandlungsprozesse auch einen hohen Wirkungsgratverlust und sind deshalb sehr teuer und benötigen sehr viel Kapazitäten an erneuerbaren Energien.
Das Elektroauto ist sehr energieeffizient
Ehring: VW setzt ja voll auf das Elektroauto. Diesen Schwenk würden Sie so nicht unterstützen?
Rudolph: Doch, das kann ich sehr wohl unterstützen. Das Elektroauto ist wie gesagt sehr energieeffizient und über erneuerbare Energien auch dann CO2-neutral zu fahren.
Ehring: Sie sprechen vor allem von kleineren Fahrzeugen. Aber die Menschen möchten immer größere. Wie kommt das und wie lassen sie sich davon abbringen?
Rudolph: Na ja. Das ist natürlich marktgetrieben. Größere Autos haben möglicherweise den Anschein, auch komfortabler zu sein. Man müsste natürlich dann auch größere Autos entsprechend mehr besteuern und dann würden sich die Menschen überlegen, ob es sich überhaupt lohnt, ein größeres Auto anzuschaffen.
Ehring: Das heißt, Sie fordern eine Verteuerung des Individualverkehrs. Wie soll die laufen?
Rudolph: Das kann über Zulassungs- und Umlaufsteuern passieren auf Basis des Energieverbrauchs. Zulassungssteuern gibt es beispielsweise schon in Dänemark. Die werden da über den Preis wirksam. Je teurer ein Auto ist – und große Autos sind nun mal teurer -, desto höher muss dann auch die Steuer entrichtet werden. Umlaufsteuern – das ist dann die typische Kfz-Steuer. Die kann auch auf Basis des Energieverbrauchs dann verteuert werden.
Ehring: Welche Erhöhungen sind denn Ihrer Ansicht nach erforderlich, damit diese Umlenkung wirkt?
Rudolph: Das ist empirisch nicht so leicht zu sagen, weil wir dieses Niveau noch nie hatten. Aber ich würde mal sagen, es muss schon signifikant sein – so signifikant, dass es auch im Portemonnaie zu spüren ist. Ganz genaue Zahlen kann ich Ihnen dazu jetzt leider nicht sagen.
2,50 Euro für einen Liter Benzin? - Halte davon viel
Ehring: Die Grünen sind ja mal mit der Forderung nach fünf Mark für den Liter Benzin (umgerechnet 2,50 Euro) sehr baden gegangen. Halten Sie das denn für durchsetzbar?
Rudolph: Na ja. Die Frage ist, was Sie machen wollen. Wenn Sie die CO2-Emissionen senken wollen, dann müssen Sie irgendwo anfangen. Das schaffen Sie über kleinere Autos, effizientere Autos. Das schaffen Sie über Verlagerungseffekte, und die sind in der Regel auch volkswirtschaftlich sehr mit hohem Nutzen verbunden. Das sind ja reine Lenkungssteuern. Das Geld, was dann in die Staatskasse fließt, kann ja auch wieder zurückverteilt werden. Insofern: Ich halte von diesen Vorschlägen sehr viel.
Ehring: Was erwarten Sie denn, was die Kommission, die heute tagt, liefern wird?
Rudolph: Ich erwarte verschiedene Szenarien. Ein Szenario wird es zum Beispiel wahrscheinlich zu den synthetischen Kraftstoffen geben. Es sollte aber auch Szenarien geben, wo eine signifikante Verkehrsverlagerung stattfindet. Ich sage jetzt mal möglicherweise im Umfang von 30 Prozent innerhalb der nächsten zehn Jahre. Ob sie das vorschlagen wird, sei mal dahingestellt, aber es ist auf jeden Fall möglich. Und dann müssen wir mal schauen, welche politischen Prioritäten gesetzt werden.
Ehring: Der Verkehr hat bisher im Klimaschutz noch gar nicht geliefert. Die CO2-Emissionen sind nicht gesunken in den vergangenen Jahrzehnten. Erwarten Sie denn realistisch, dass sich das ändert, oder wird es weitere Verzögerungen geben?
Rudolph: Ganz realistisch gesehen muss man zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass es weitere Verzögerungen gibt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.