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CO2-Recycling
Treibstoff aus Kohlendioxid

In der Industrie fällt jede Menge CO2 an – statt es einfach in die Atmosphäre zu blasen, könnte es weitergenutzt werden. Zum Beispiel als Treibstoff für Autos und Flugzeuge oder chemischer Rohstoff. Die Verfahren für die Umwandlung gibt es bereits und Bakterien spielen darin eine entscheidende Rolle.

Von Hellmuth Nordwig | 04.06.2019
Qualmende Schorsteine eines Blockheizkraftwerkes vom neuen Flughafen BER vor der untergehenden Sonne im brandenburgischen Schönefeld
Der weltweite CO2-Ausstoß ließe sich um etwa sieben Prozent reduzieren, würde es konsequent genutzt (dpa-Zentralbild)
Für Chemiker ist das Treibhausgas Kohlendioxid praktisch unbrauchbar. Denn es reagiert nur, wenn man sehr viel Energie hineinsteckt. Aber Lebewesen haben gelernt, sich dieser Quelle doch zu bedienen. Sie verfügen über Biokatalysatoren, also Enzyme, die CO2 umwandeln können. Etwa zu Ethanol, auch bekannt als Trinkalkohol, mit dem man zum Beispiel Autos antreiben kann. Die Firma "Lanzatech" betreibt eine Industrieanlage in den USA, die solche Bakterien nutzt, erklärt der Geschäftsführer Michael Köpke.
"Bei unserer ersten kommerziellen Anlage verwenden wir Abgase von einem Stahlwerk, die normalerweise in der Atmosphäre landen würden. Wir fangen die ab, bevor die rausgehen und füttern die dann unseren Bakterien."
Herstellung chemischer Rohstoffe möglich
Es handelt sich um den Stamm Clostridium autoethanogenum. Er setzt 90 von 100 Kohlenstoffatomen aus CO2 zu Ethanol um. Ein sehr effektiver Prozess also. Rund 30 Millionen Liter des Alkohols hat das Unternehmen bereits hergestellt, seit die Anlage im letzten Jahr in Betrieb gegangen ist.
"Ethanol geht direkt in den Pool der Kraftstoffe für Autos. Wir sind dabei, weitere Anlagen zu bauen: ein weiteres Stahlwerkprojekt in Gent in Belgien, und Projekte in Indien und Südafrika, die Metallverarbeitungs-Abgase und Raffinerieabgase, die anderenfalls nicht verwendet werden können, benutzen."
Aus dem CO2-basierten Ethanol stellt das Unternehmen auch Kerosin her. Es unterscheidet sich in der Leistungsfähigkeit nicht von fossilem Flugzeugbenzin, wie ein Test bei einem Überseeflug zeigte. Ferner können mit dem Verfahren auch chemische Rohstoffe erzeugt werden.
"Durch genetische Modifikation des Organismus können wir an Stelle von Ethanol Aceton machen, das für Plexiglas verwendet wird. Oder Polypropylen, das für Plastik verwendet wird."
Erneuerbare statt fossile Moleküle
Etwa sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes ließen sich reduzieren, wenn das Treibhausgas konsequent genutzt würde, sagt Michael Köpke. Nämlich überall dort, wo es einigermaßen konzentriert anfällt – bei Stahl- und Zementwerken, Müllverbrennungs- oder Biogasanlagen. Neben Ethanol ist auch Methan ein Produkt, das Mikroorganismen aus Kohlendioxid herstellen. Und zwar so rein, dass es direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Dass dieses dann wieder verbrannt wird und dabei CO2 freisetzt, ist für Doris Hafenbradl von der Planegger Firma "Electrochaea" trotzdem sinnvoll.
"Es ist ein Recycling von CO2. Also CO2, das normalerweise in die Atmosphäre geht, wird umgewandelt in ein Methanmolekül, das wiederum durch einen Verbrennungsvorgang zu CO2 wird. Aber das kann in einem Recyclingverfahren verwendet werden. Und zusätzlich muss man auch bedenken, dass jedes erneuerbare Methanmolekül ein fossiles Methanmolekül ersetzt. Das heißt, wir reduzieren damit die Entnahme von weiteren fossilen Quellen."
In Kopenhagen betreibt das Unternehmen die weltweit größte Anlage, die Methan aus Kohlendioxid herstellt. Trotzdem ist der Maßstab noch viel zu klein, um die Treibhausgas-Bilanz nennenswert zu beeinflussen. Und wirtschaftlich lohnen sich beide Projekte bisher auch nicht. Doch das könnte sich rasch ändern, wenn der CO2-Ausstoß durch eine Steuer oder Abgabe deutlich teurer wird. Dann wird es wichtig sein, dass dürfte das Interesse an Verfahren, die Kohlendioxid zu Treibstoffen und Chemikalien umwandeln, deutlich zunehmen.