Dienstag, 23. April 2024

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CO2 reduzieren
"Elektroautos sind nicht die sofortige Wunderwaffe"

Mit Elektroautos könnten bis 2050 mehr als 60 Prozent C02 eingespart werden, sagte der Klimaforscher Felix Creutzig im Dlf. Voraussetzung sei, dass der Strom für die Fahrzeuge emissionsfrei produziert werde. Alternative Verkehrsmittel wie Fahrrad, Bus und Bahn sollten trotzdem gestärkt werden.

Felix Creutzig im Gespräch mit Ralf Krauter | 05.06.2019
25.02.2019, Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin: An einer Ladestation für Elektroautos wird die Batterie aufgeladen.
Produktion und Batterien belasten die Ökobilanz auch von Elektroautos (picture alliance / Büttner)
Ralf Krauter: Ihrer aktuellen Analyse zufolge wird es kurzfristig kaum gelingen, die Klimabilanz des Verkehrssektors mit Hilfe von Elektroautos zu verbessern. Warum nicht?
Felix Creutzig: Also die Elektroautos werden einen wichtigen Beitrag leisten, aber es gibt zwei Faktoren, die dazu führen, dass sofortige Wirksamkeit sehr beschränkt ist. Nämlich erstens, dass der Strom natürlich in dem derzeitigen deutschen Netz und auch in anderen Ländern natürlich CO2-haltig ist im Durchschnitt, und damit die Per-Kilometer-Emissionen noch nicht bei Null liegen und immer noch relevant sein werden. Und der andere Punkt ist, dass die Produktion von Elektroautos auch selbst CO2-Emissionen produziert, und die Gesamtbilanz wird damit eingeschränkt. Die Elektroautos machen weiterhin Sinn, aber sie sind jetzt nicht die sofortige Wunderwaffe.
Problem Batterieproduktion
Krauter: Das heißt, das erste Problem ist, dass im Stromtank von Elektroautos immer noch viel Kohlestrom landet, das heißt, Schadstoffe wie CO2 entstehen dann doch irgendwo. Und der zweite Effekt wäre, dass die Ökobilanz bei der Produktion der Elektroautos auch nicht so positiv ist. Die schneiden schlechter ab als konventionelle Fahrzeuge?
Creutzig: Genau, das liegt hauptsächlich an der Batterieproduktion. Pro Kilowattstunde sind das mehr als 100 Kilogramm CO2 an Emissionen, die tatsächlich noch zusätzlich entstehen. Das muss bedacht werden, und das sind vor allen Dingen Emissionen, die am Anfang des Lebenszyklus eines Elektroautos entstehen und nicht über die Dauer hinweg. Deswegen, wenn man das zeitlich gesamtbilanziert, dann hat man erst mal sozusagen CO2-Schulden, die über den Gebrauch des Autos im Vergleich zu normalen Autos dann abbezahlt werden.
Krauter: Was belegen Ihre Analysen denn – also Sie haben schon gesagt, der Einspareffekt ist nicht so groß wie man erwarten würde –, wie groß könnte er denn sein, wenn wir massiv auf Elektromobilität setzen? Wie viel CO2 ließe sich einsparen künftig?
Creutzig: Wenn wir keine Dekarbonisierung des Stromnetzes haben oder nur eine langsame, dann ist der Effekt kaum vorhanden, aber wenn wir bis 2050 und vor allen Dingen möglichst schnell auch die Kohle aus dem Stromnetz holen, dann haben wir zusätzliche Einsparungen von mehr als 60 Prozent im Transportsektor durch eine starke Elektrifizierung der Flotte.
Krauter: 60 Prozent Einsparung bis 2050, das wäre ja schon ein sehr großer Effekt. Das heißt, Elektromobilität ist definitiv der Weg für die Zukunft?
Creutzig: Genau, aber das ist eben konditional einer raschen Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors. Rasch heißt tatsächlich auch schon vor 2030 deutliche Schritte, weil dadurch die CO2-Emission bei der Produktion von Elektroautos und Batterien runtergehen. Und da sind natürlich auch internationale Effekte dabei: Wenn die Batterien aus China importiert werden, dann ist natürlich auch sehr wichtig, welcher Footprint von CO2 in China vorhanden ist.
"Alternative Verkehrsmittel stärken"
Krauter: Wir brauchen also mehr grünen Strom in den Netzen, damit die Elektroautos ihren Bonus ausspielen können. Welche anderen Maßnahmen scheinen aus Ihrer Sicht angeraten, um die CO2-Bilanz des Verkehrs schnell zu drosseln?
Creutzig: Also diese Sichtweise, dass Elektroautos sinnvoll sind, aber auch ihre eigenen Probleme haben, deutet darauf hin, dass wir zwar die Autos elektrifizieren sollten, aber nicht auf riesige Massen an neuen Autos setzen, sondern vor allen Dingen auch alternative Verkehrsmittel wie Fahrradfahren und klassischen öffentlichen Nahverkehr weiter stärken sollten. Und dann auch das Carsharing weiter voranbringen, sodass wir mit weniger Autos die gleiche Mobilität erreichen und damit auch die produktionsbedingten Emissionen der Autos senken können und gleichzeitig auch gesünderen Transport gerade in den Ballungsgebieten voranbringen können.
Krauter: Würde das auch helfen, schnellere Erfolge zu erzielen, weil die Zahlen, die Sie vorhin nannten, also 60 Prozent der CO2-Emissionen bis 2050, wenn alles gut läuft und wir viel grünen Strom im Netz haben, das ist ja eine sehr langfristige Kalkulation, wir brauchen aber schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren drastische Reduktionen im Verkehrssektor.
Creutzig: Genau. Also ich denke gerade, in den Städten kann ja ein Großteil der Mobilität ohne das Auto oder mit Carsharing erledigt werden. Deswegen denke ich, dass hier auch rasch größere Emissionsreduktionen drin sind, zum Beispiel dann auch über Elektrofahrräder, die dann ja tatsächlich auch eine viel bessere Bilanz haben.
"Kleinere Elektrofahrzeuge fördern"
Krauter: Was sollten Verkehrs-/Umweltpolitiker mitnehmen aus Ihrer ganzheitlichen Analyse zur CO2-Bilanz der Elektromobilität und was die Autohersteller?
Creutzig: Also die Politik kann weiterhin Elektrofahrzeuge fördern, aber vor allen Dingen auch die kleineren Fahrzeuge, weil die eine bessere Bilanz haben, und Elektrofahrräder. Gleichzeitig sollte die Elektromobilität nicht als das einzige Instrument gesehen werden, sondern zusätzlich andere lokale Verkehrspolitik mit eingeführt werden und zum Beispiel auch eine CO2-Bepreisung im Transportsektor mit reinkommen. Für die Automobilhersteller gilt, dass die Produktionskette möglichst CO2-arm sein sollte. Also entweder in den Fabriken in Deutschland oder bei den Importen und bei der Supply-Chain, dass da extrem drauf geachtet wird, wo die Batterien herkommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.