Doris Simon: Ein halbes Jahr lang wird Deutschland von nächster Woche an die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernehmen. Schon jetzt knüpfen sich hohe Erwartungen an diesen deutschen EU-Ratsvorsitz. Die Europäische Verfassung soll gerettet werden, der Weg der Erweiterung festgelegt werden. Die EU will eine neue Energie- und Klimapolitik, ein besseres Verhältnis zu Russland und gleichzeitig engere Beziehungen zu den Staaten Zentralasiens. Das sind nur einige Programmpunkte, aber sie reichen eigentlich für mehrere Jahre. Daniel Cohn-Bendit ist einer der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Europaparlament und jetzt am Telefon. Guten Tag.
Daniel Cohn-Bendit: Guten Tag.
Simon: Was kann, was muss Europa denn erwarten von dieser deutschen Ratspräsidentschaft?
Cohn-Bendit: Was kann Europa erwarten? Weiß ich nicht. Was muss Europa erwarten? Das ist eine intelligente Agenda, das heißt, nicht alles, was Deutschland anschiebt, wird in der Zeit der deutschen Präsidentschaft auch dann vollzogen werden. Die Frage ist, ob die deutsche Präsidentschaft, die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und der Außenminister in der Lage sein werden, bestimmte Dinge im Grunde genommen in die richtige Richtung anzuschieben, also Klima zum Beispiel, eine Klimapolitik. Erstens müsste sich Deutschland beispielhaft dann an den Klimavorgaben der EU, der Kommission auch halten, da ist schon das erste Problem, und wenn die Präsidentschaft schon zackert mit den Vorgaben der EU, wie wird man dann in der Lage sein, mit den anderen Ländern da wirklich zu Potte zu kommen, die wirklich eine drastische Reduzierung von CO2-Ausstoß einhalten müssen. Zweitens, wird die deutsche Präsidentschaft in der Lage sein, zum Beispiel einen Klimastabilitätspakt voranzubringen, wo auch Sanktionen auch möglich sind für die Länder, die die dann beschlossenen CO2-Reduzierungen nicht einhalten. Das sind Dinge, die wirklich auch dann vollzogen werden müssen, und bei den ständigen Auseinandersetzungen zwischen Wirtschaftsministerium, Umweltministerium usw. sehe ich da ein bisschen Schwarz.
Simon: Neben dem Aspekt Klima, wie groß ist denn Ihrer Meinung nach die Chance, die Europäische Verfassung, unter welchem Namen auch immer, im nächsten halben Jahr zu retten?
Cohn-Bendit: Das hängt auch von der Intelligenz ab. Die Deutschen müssen etwas im Grunde genommen beginnen, vollzogen wird es am Ende mit der französischen Präsidentschaft in der zweiten Hälfte 2008. Die französischen Wahlen finden im Mai statt, und dann muss im Grunde genommen die deutsche Präsidentschaft eine Agenda am Ende vorschlagen, die auch von allen angenommen wird. Nur das Problem ist, man kann sich ja schnell einigen über einen Grundlagenvertrag oder ein europäisches Grundgesetz, dann nimmt man den ersten und den zweiten Teil der jetzigen Verfassung, da gibt es noch ein paar Artikel im dritten Teil, die einbezogen werden müssen. Erste Frage, wie macht man das, gibt es eine neue Regierungskonferenz, gibt es einen neuen Konvent, wer entscheidet wie. Wenn man eine neue Regierungskonferenz macht, wird es nicht wie in Nizza, wo jeder Staat, die Polen wollen dann Christus, die Holländer wollen dies, die Franzosen wollen dies, die Spanier wollen jenes, und am Ende endet was wie in Marrakesch auf dem Markt, und niemand weiß mehr, was man haben kann. Also da auch, finde ich, dass die Deutschen entscheiden müssen, ob sie den Prozess eines Konvents, einer öffentlichen im Grunde genommen Verhandlung des Grundlagenvertrags einleiten oder nicht, und das würde bedeuten, dass man den Text nimmt, und ein enges Mandat für einen Konvent, um so einen Grundlagenvertrag am Ende zu kriegen.
Simon: Wie sehen Sie denn genau dafür die Chancen?
Cohn-Bendit: Die Chancen hängen davon ab, ob die Deutschen und alle, die diese Verfassung wollen, die anderen auch überzeugen können, ja, dass es ohne so eine Verfassung am Ende für die Polen kein Geld mehr gibt, für die Holländer wird der Hafen von Rotterdam nicht mehr europäischer Hafen sein, dass alle verlieren werden. Wenn Europa handlungsunfähig bleibt, weil eben der institutionelle Teil reformiert, dann werden alle verlieren. Wenn es den Staaten gelingt, den Deutschen gelingt, das klar zu machen, dann, glaube ich, haben wir eine Chance, und am Ende wird, glaube ich, der einzelne, der wirklich immer noch bockig sein wird und "Nein" sagen wird, ist Gordon Brown und England. Da muss Europa England vor die Alternative stellen, in Europa oder außerhalb von Europa. Das geht nicht anders. Gordon Brown hält eine Rede und sagt, eigentlich braucht man Europa nicht mehr. Das ist sein gutes Recht, aber es ist nicht sein Recht, Europa zu blockieren. Es ist sein gutes Recht, 51. Staat der Vereinigten Staaten zu werden. Das können sie machen, dazu sind sie souverän genug.
Simon: Sehen Sie, Herr Cohn-Bendit, denn diejenigen in der Europäischen Union, die eben Europa handlungsfähiger machen wollen, denn schon an dem Punkt, dass sie so weit gehen werden?
Cohn-Bendit: Ja, das ist eben das, was ich meine. Man muss wirklich jetzt vom Ende her denken und man muss zeigen, ob man wirklich fähig ist, das Ende zu denken und zu sagen, wir brauchen diese Verfassung. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die wie England und ich weiß nicht wer noch, sagen, eigentlich ist alles wunderbar, wie es jetzt ist, wir brauchen nichts mehr, dass sie diejenigen blockieren, die merken, dass Europa wirklich anders handlungsfähig sein muss. Wir haben eine Welt, wo die Vereinigten Staaten von ihrer Führungsposition sich verabschiedet haben. Die Welt braucht Europa. Der Nahe Osten braucht Europa, ein handlungsfähiges Europa. Die Welt braucht einen europäischen Außenminister, der handlungsfähig ist, der die politische und ökonomische Potenz Europas in den Krisenregionen einbringen kann, und wenn man das nicht macht, dann, glaube ich, wird man mitschuldig an dem Zerfall von Zivilisation in allen Ecken der Welt.
Simon: Es gibt also dieses große Problem Europäische Verfassung, was die deutsche Ratspräsidentschaft in irgendeiner Form anpacken will. Ein anderes großes Thema, die Türkei wird vielleicht durch den Konflikt mit Zypern auch 2007 ein großes Thema, aber kann die Bundesregierung denn insgesamt die Erweiterungsdebatte um die Türkei vermeiden, wie sie das gerne möchte?
Cohn-Bendit: Ja, also mit der Türkei würde ich den Ball flach halten. Die endgültige Entscheidung, ob die Türkei Mitglied wird oder nicht, fällt in zehn bis fünfzehn Jahren. Dann wird weder Frau Merkel noch Bundeskanzlerin sein noch ich Politiker in der Europäischen Union sein. Ich finde, was man machen muss und garantieren muss, ist, dass die Verhandlungen weitergehen. Was man machen muss, ist in der Zypernfrage das, was im Grunde genommen als Kompromiss fast akzeptiert wird, Öffnung von Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge in der Türkei und Öffnung von Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge im nördlichen Teil Zyperns, denn die Menschen in Nordzypern, die "Ja" zum Annan-Plan, zum Vereinigungsplan zur Vereinigung Zyperns gesagt haben im Gegensatz zu den griechischen Zyprioten, die nationalistisch "Nein" gesagt haben, die sind Opfer des türkischen Nationalismus und des griechisch-zypriotischen Nationalismus, und da muss die Bundesregierung jetzt ganz klar als Gesellschaft, die Europäische Union ganz klar sagen, jetzt ist Schluss damit.
Simon: Die meisten Vorschläge, die man hört, egal von welchen Ländern, laufen entweder auf ein größeres Europa hinaus oder auf ein engeres oder auf beides. Vielen Menschen ist aber gar nicht danach, sie würden EU-Europa gern so lassen, wie das ist. Wieso findet das so wenig Wiederhall in der Europäischen Politik?
Cohn-Bendit: Na ja, weil wir in einer politischen Dynamik sind, die nicht so einfach zu bremsen ist. Man kann die Staaten im Balkan nicht aus der europäischen Perspektive herauskatapultieren. Das wird noch Jahrzehnte lang dauern vielleicht, aber sie brauchen diese Perspektive, und wir haben es gesehen, was es bedeutet, wenn diese Region keine politische Perspektive hat, was da für eine Katastrophe auch daraus entstehen kann. Was wir machen müssen, ist, die Europäische Union funktionsfähiger zu machen, damit überhaupt tragfähige Entscheidungen getroffen werden können, ob und wie wir erweitern. Die Erweiterung von 15 auf 25 war in dem Maße falsch, nicht die Erweiterung, sondern dass wir diese Verfassung, diese Vertiefung nicht vorher gehabt haben, und deswegen müssen wir jetzt im Grunde genommen als Antwort auf die Unsicherheit, die die Menschen haben mit der Erweiterung, eine demokratische Sicherheit der demokratischen Verfasstheit der Europäischen Union geben, und dann können wir weiter diskutieren, wie und in welchem Rhythmus wir erweitern.
Simon: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, erhoffen Sie sich von den kommenden sechs Monaten deutsche Präsidentschaft vor allem Entschlossenheit, Durchsetzungsvermögen der Bundesregierung gegenüber den EU-Partner?
Cohn-Bendit: Intelligenz. Also es genügt nicht zu sagen, wir wollen, sondern man muss die Widersprüche zusammenbringen und den einzelnen Staaten und Gesellschaften zeigen, was sie auch verlieren, wenn sie bockig immer nur "Nein" sagen. Wissen Sie, die Akzeptanz der Europäischen Union in Polen wächst. Warum? Weil die Bauern merken, was sie kriegen, und das muss man jetzt wirklich der Regierung zeigen, dass sie im Grunde genommen aufs Spiel setzen, was ihrer Bevölkerung nutzt. Das fordere ich von der neuen Präsidentschaft, die Widersprüche aufzeigen, nicht verkleistern, aufzeigen, um sie auflösen zu können.
Daniel Cohn-Bendit: Guten Tag.
Simon: Was kann, was muss Europa denn erwarten von dieser deutschen Ratspräsidentschaft?
Cohn-Bendit: Was kann Europa erwarten? Weiß ich nicht. Was muss Europa erwarten? Das ist eine intelligente Agenda, das heißt, nicht alles, was Deutschland anschiebt, wird in der Zeit der deutschen Präsidentschaft auch dann vollzogen werden. Die Frage ist, ob die deutsche Präsidentschaft, die Bundesregierung, die Bundeskanzlerin und der Außenminister in der Lage sein werden, bestimmte Dinge im Grunde genommen in die richtige Richtung anzuschieben, also Klima zum Beispiel, eine Klimapolitik. Erstens müsste sich Deutschland beispielhaft dann an den Klimavorgaben der EU, der Kommission auch halten, da ist schon das erste Problem, und wenn die Präsidentschaft schon zackert mit den Vorgaben der EU, wie wird man dann in der Lage sein, mit den anderen Ländern da wirklich zu Potte zu kommen, die wirklich eine drastische Reduzierung von CO2-Ausstoß einhalten müssen. Zweitens, wird die deutsche Präsidentschaft in der Lage sein, zum Beispiel einen Klimastabilitätspakt voranzubringen, wo auch Sanktionen auch möglich sind für die Länder, die die dann beschlossenen CO2-Reduzierungen nicht einhalten. Das sind Dinge, die wirklich auch dann vollzogen werden müssen, und bei den ständigen Auseinandersetzungen zwischen Wirtschaftsministerium, Umweltministerium usw. sehe ich da ein bisschen Schwarz.
Simon: Neben dem Aspekt Klima, wie groß ist denn Ihrer Meinung nach die Chance, die Europäische Verfassung, unter welchem Namen auch immer, im nächsten halben Jahr zu retten?
Cohn-Bendit: Das hängt auch von der Intelligenz ab. Die Deutschen müssen etwas im Grunde genommen beginnen, vollzogen wird es am Ende mit der französischen Präsidentschaft in der zweiten Hälfte 2008. Die französischen Wahlen finden im Mai statt, und dann muss im Grunde genommen die deutsche Präsidentschaft eine Agenda am Ende vorschlagen, die auch von allen angenommen wird. Nur das Problem ist, man kann sich ja schnell einigen über einen Grundlagenvertrag oder ein europäisches Grundgesetz, dann nimmt man den ersten und den zweiten Teil der jetzigen Verfassung, da gibt es noch ein paar Artikel im dritten Teil, die einbezogen werden müssen. Erste Frage, wie macht man das, gibt es eine neue Regierungskonferenz, gibt es einen neuen Konvent, wer entscheidet wie. Wenn man eine neue Regierungskonferenz macht, wird es nicht wie in Nizza, wo jeder Staat, die Polen wollen dann Christus, die Holländer wollen dies, die Franzosen wollen dies, die Spanier wollen jenes, und am Ende endet was wie in Marrakesch auf dem Markt, und niemand weiß mehr, was man haben kann. Also da auch, finde ich, dass die Deutschen entscheiden müssen, ob sie den Prozess eines Konvents, einer öffentlichen im Grunde genommen Verhandlung des Grundlagenvertrags einleiten oder nicht, und das würde bedeuten, dass man den Text nimmt, und ein enges Mandat für einen Konvent, um so einen Grundlagenvertrag am Ende zu kriegen.
Simon: Wie sehen Sie denn genau dafür die Chancen?
Cohn-Bendit: Die Chancen hängen davon ab, ob die Deutschen und alle, die diese Verfassung wollen, die anderen auch überzeugen können, ja, dass es ohne so eine Verfassung am Ende für die Polen kein Geld mehr gibt, für die Holländer wird der Hafen von Rotterdam nicht mehr europäischer Hafen sein, dass alle verlieren werden. Wenn Europa handlungsunfähig bleibt, weil eben der institutionelle Teil reformiert, dann werden alle verlieren. Wenn es den Staaten gelingt, den Deutschen gelingt, das klar zu machen, dann, glaube ich, haben wir eine Chance, und am Ende wird, glaube ich, der einzelne, der wirklich immer noch bockig sein wird und "Nein" sagen wird, ist Gordon Brown und England. Da muss Europa England vor die Alternative stellen, in Europa oder außerhalb von Europa. Das geht nicht anders. Gordon Brown hält eine Rede und sagt, eigentlich braucht man Europa nicht mehr. Das ist sein gutes Recht, aber es ist nicht sein Recht, Europa zu blockieren. Es ist sein gutes Recht, 51. Staat der Vereinigten Staaten zu werden. Das können sie machen, dazu sind sie souverän genug.
Simon: Sehen Sie, Herr Cohn-Bendit, denn diejenigen in der Europäischen Union, die eben Europa handlungsfähiger machen wollen, denn schon an dem Punkt, dass sie so weit gehen werden?
Cohn-Bendit: Ja, das ist eben das, was ich meine. Man muss wirklich jetzt vom Ende her denken und man muss zeigen, ob man wirklich fähig ist, das Ende zu denken und zu sagen, wir brauchen diese Verfassung. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die wie England und ich weiß nicht wer noch, sagen, eigentlich ist alles wunderbar, wie es jetzt ist, wir brauchen nichts mehr, dass sie diejenigen blockieren, die merken, dass Europa wirklich anders handlungsfähig sein muss. Wir haben eine Welt, wo die Vereinigten Staaten von ihrer Führungsposition sich verabschiedet haben. Die Welt braucht Europa. Der Nahe Osten braucht Europa, ein handlungsfähiges Europa. Die Welt braucht einen europäischen Außenminister, der handlungsfähig ist, der die politische und ökonomische Potenz Europas in den Krisenregionen einbringen kann, und wenn man das nicht macht, dann, glaube ich, wird man mitschuldig an dem Zerfall von Zivilisation in allen Ecken der Welt.
Simon: Es gibt also dieses große Problem Europäische Verfassung, was die deutsche Ratspräsidentschaft in irgendeiner Form anpacken will. Ein anderes großes Thema, die Türkei wird vielleicht durch den Konflikt mit Zypern auch 2007 ein großes Thema, aber kann die Bundesregierung denn insgesamt die Erweiterungsdebatte um die Türkei vermeiden, wie sie das gerne möchte?
Cohn-Bendit: Ja, also mit der Türkei würde ich den Ball flach halten. Die endgültige Entscheidung, ob die Türkei Mitglied wird oder nicht, fällt in zehn bis fünfzehn Jahren. Dann wird weder Frau Merkel noch Bundeskanzlerin sein noch ich Politiker in der Europäischen Union sein. Ich finde, was man machen muss und garantieren muss, ist, dass die Verhandlungen weitergehen. Was man machen muss, ist in der Zypernfrage das, was im Grunde genommen als Kompromiss fast akzeptiert wird, Öffnung von Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Flugzeuge in der Türkei und Öffnung von Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge im nördlichen Teil Zyperns, denn die Menschen in Nordzypern, die "Ja" zum Annan-Plan, zum Vereinigungsplan zur Vereinigung Zyperns gesagt haben im Gegensatz zu den griechischen Zyprioten, die nationalistisch "Nein" gesagt haben, die sind Opfer des türkischen Nationalismus und des griechisch-zypriotischen Nationalismus, und da muss die Bundesregierung jetzt ganz klar als Gesellschaft, die Europäische Union ganz klar sagen, jetzt ist Schluss damit.
Simon: Die meisten Vorschläge, die man hört, egal von welchen Ländern, laufen entweder auf ein größeres Europa hinaus oder auf ein engeres oder auf beides. Vielen Menschen ist aber gar nicht danach, sie würden EU-Europa gern so lassen, wie das ist. Wieso findet das so wenig Wiederhall in der Europäischen Politik?
Cohn-Bendit: Na ja, weil wir in einer politischen Dynamik sind, die nicht so einfach zu bremsen ist. Man kann die Staaten im Balkan nicht aus der europäischen Perspektive herauskatapultieren. Das wird noch Jahrzehnte lang dauern vielleicht, aber sie brauchen diese Perspektive, und wir haben es gesehen, was es bedeutet, wenn diese Region keine politische Perspektive hat, was da für eine Katastrophe auch daraus entstehen kann. Was wir machen müssen, ist, die Europäische Union funktionsfähiger zu machen, damit überhaupt tragfähige Entscheidungen getroffen werden können, ob und wie wir erweitern. Die Erweiterung von 15 auf 25 war in dem Maße falsch, nicht die Erweiterung, sondern dass wir diese Verfassung, diese Vertiefung nicht vorher gehabt haben, und deswegen müssen wir jetzt im Grunde genommen als Antwort auf die Unsicherheit, die die Menschen haben mit der Erweiterung, eine demokratische Sicherheit der demokratischen Verfasstheit der Europäischen Union geben, und dann können wir weiter diskutieren, wie und in welchem Rhythmus wir erweitern.
Simon: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, erhoffen Sie sich von den kommenden sechs Monaten deutsche Präsidentschaft vor allem Entschlossenheit, Durchsetzungsvermögen der Bundesregierung gegenüber den EU-Partner?
Cohn-Bendit: Intelligenz. Also es genügt nicht zu sagen, wir wollen, sondern man muss die Widersprüche zusammenbringen und den einzelnen Staaten und Gesellschaften zeigen, was sie auch verlieren, wenn sie bockig immer nur "Nein" sagen. Wissen Sie, die Akzeptanz der Europäischen Union in Polen wächst. Warum? Weil die Bauern merken, was sie kriegen, und das muss man jetzt wirklich der Regierung zeigen, dass sie im Grunde genommen aufs Spiel setzen, was ihrer Bevölkerung nutzt. Das fordere ich von der neuen Präsidentschaft, die Widersprüche aufzeigen, nicht verkleistern, aufzeigen, um sie auflösen zu können.