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Comic-Kultur in China
Unterhaltung, Subversion und Propaganda

Comic-Kultur in China: Das ist auf der einen Seite seichte und lustige Mainstream-Unterhaltung. Auf der anderen Seite gibt es auch kritische Künstler, die es schaffen, durch die Comic-Form geschickt die Zensur zu umgehen.

Von Axel Dorloff | 03.09.2019
Szenenbild aus dem Karl-Marx-Anime der chinesischen Plattform Bilibili.
Szenenbild aus dem Karl-Marx-Anime der chinesischen Plattform Bilibili. (Deutschlandradio Screenshop/Youtube Hongqiu Zhang)
"Nimm sofort meinen Bruder weg", so heißt eine der populärsten Comic-Serien in China. Die Folgen haben zehn Millionen Klicks – und laufen auf der Comic-App Kuaikan. Xiao Cheng ist Kommunikationschef des Pekinger Comic-Start-ups Kuaikan World:
"In der Serie geht es um eine etwas spezielle chinesische Familie. Die Eltern sind geschieden, Bruder und Schwester streiten immer. Die meisten unserer Nutzer sind junge Leute, geboren in den 90er- oder 2000er-Jahren. Die wollen Comic-Themen, die etwas mit ihrem eigenen Leben zu tun haben, so wie Campus- oder Jugendthemen."
Seichte Unterhaltung mit Comics
Seichte bis lustige Mainstream-Unterhaltung mit Comics – darauf setzt Kuaikan. Ende 2014 gegründet, bietet das Start-up die derzeit größte Comic-Plattform in China. Mehr als 200 Millionen Mal wurde die App bereits heruntergeladen, auf der Plattform werden etwa 3000 Comic-Werke angeboten. Xiao Cheng: "Etwa 80 Prozent unserer Nutzer bekommen unsere Inhalte durch die App. Zehn bis 20 Prozent lesen sie auf der Webseite. Einige wenige werden auch noch veröffentlicht. Aber die Leute, die noch Print-Comics kaufen – das sind alles Sammler."
Anfang 2015 waren es bei Kuaikan genau zwölf Comic-Liebhaber, die das Start-up und die App aufgebaut haben. Heute residiert Kuaikan in einem gläsernen Hochhaus in Peking. Über 500 Mitarbeiter auf drei Etagen, mit skandinavischen Designermöbeln.
"In China waren alle japanischen Comics wie giftiges Gras"
Ca Zhuxi dagegen lebt in einer völlig anderen Comic-Welt. Auch in Peking, aber alleine in seiner Wohnung. Er zählt zu den unabhängigen Comic-Künstlern in China, hat blond gefärbte Haare, tätowierte Arme und raucht eine Zigarette nach der anderen. Seine ganze Wohnung wirkt wie eine Comic-Themenpark. "Seit meiner Kindheit lese ich schon Comics, damals die japanischen Comics, seit der ersten Klasse in der Grundschule."
Mit japanischen Comics fing es in China an. Aber Mitte der 90er-Jahre hat die chinesische Regierung dann versucht, chinesische Comics zu fördern. "In China waren alle japanischen Comics wie giftiges Gras. Wir durften das nicht lesen, Chinesen sollten eigene Comics haben. Viele Leute haben dann versucht, in das Comic-Gewerbe zu gehen, in die vom Staat unterstützten Comic-Organisationen. Das ist die frühe Generation von Comic-Künstlern in China."
Comic-Kultur für Propagandazwecke
Der chinesische Staat hat die Comic-Kultur gefördert – auch damit er den Markt und seine Akteure besser im Auge behalten kann. Und um die Comic-Kultur selbst für Propagandazwecke zu nutzen - bis heute. Anfang des Jahres lief eine siebenteilige Comic-Serie über das Leben des deutschen Philosophen Karl Marx. In ganz China steht Marx auf dem Lehrplan, gehört offiziell zur Staatsideologie.
Mit all dem hat Comic-Künstler Ca Zhuxi nichts zu tun hat. Er nennt sich unabhängig, sagt aber auch: Offene Gesellschaftskritik sei für chinesische Comic-Künstler schwierig: "Es kann einen niemand daran hindern, etwas zu zeichnen. Aber Du kannst dann halt nur zeichnen und nichts veröffentlichen. Es geht auch darum, wie viel Talent du hast und wie du bestimmte Sachen verstecken kannst. Ich brauche nicht alles an die Oberfläche zu bringen."
Kritik wird – in vielen Bereichen der Kunst und auch der Literatur in China – auf subtilere Art und Weise transportiert. Auch eine Konsequenz der autoritären Staatsform.