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Commerzbank
Coming-out-Kurse für Mitarbeiter

Homosexualität am Arbeitsplatz ist noch immer ein Tabuthema. Um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Angst vor dem Coming-out vor den Kollegen zu nehmen, bietet die Commerzbank seit einiger Zeit sogar interne Coming-out-Kurse an. Unterstützt wird sie dabei von dem schwul-lesbischen Mitarbeiter-Netzwerk ARCO.

Von Ludger Fittkau | 11.11.2014
    Das Logo der Commerzbank am Hauptsitz in Frankfurt am Main
    Die Commerzbank will durch Coming-out-Kurse die Diskriminierung von Schwulen und Lesben am Arbeitsplatz abbauen. (picture alliance / dpa - Daniel Reinhardt)
    Christian Weis hat erlebt, wie positiv Offenheit am Arbeitsplatz das Leben von Lesben und Schwulen verändern kann. 1999 begann er eine Ausbildung bei der Commerzbank:
    "Ich war selbst ungeoutet, als ich zur Commerzbank gekommen bin und war mit dem Thema selbst wenig in Berührung. Weil ich ursprünglich aus einem ganz kleinen Dorf in der Pfalz komme, da habe ich keine Berührungspunkte mit dem Thema gehabt. Und unser Ausbildungschef ist mit dem Thema offen umgegangen.
    Und ich habe vom ersten Tag an ein ganz offenes Arbeitsumfeld vorgefunden, wo ich mich selbst entfalten konnte und mein eigenes Ich auch erfahren habe. Und ab dem Moment bin ich auch offen mit dem Thema umgegangen und habe gemerkt, dass mir das so gut tut. Und habe dann den zweiten Schritt getan und habe mich auch im privaten Umfeld geoutet."
    Zu sich stehen
    Barbara David ist im Personalbereich der Commerzbank dafür zuständig, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Mut zu machen, mit ihrer sexuellen Orientierung im Betrieb offen umzugehen:
    "Weil wir wollen, dass hier jemand am Montag keine Parallelwelt oder Parallelerzählung erfinden muss. Das finden wir menschenunwürdig. Und wir möchten, dass alle Kolleginnen und Kollegen erzählen können, wie sie leben und was ihnen wichtig ist.
    Wir wissen aber auch, dass das nicht immer einfach ist. Und deswegen haben wir eine Reihe von Maßnahmen und Bedingungen geschaffen. Das eine ist natürlich, dass das Unternehmen "top down" – also vom Vorstand heruntergebrochen – klar machen muss, das wir nicht akzeptieren Diskriminierung wegen einer anderen sexuellen Orientierung.
    Wir bieten aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit an, in einem geschützten Rahmen ohne dass wir Namen kennen, über das Thema Coming-out nachzudenken."
    Ein geschützter Rahmen
    Diese Coming-out-Kurse der Bank dauern zweieinhalb Tage lang. Die Anonymität bleibt gewahrt, das sei wichtig, um den Mitarbeitern die Angst zu nehmen, sich anzumelden, so Barbara David:
    "Die Anmeldung erfolgt über das schwul-lesbische Netzwerk ARCO. Die Personalabteilung erfährt nicht, wer sich dort anmeldet. Das findet in einem externen Tagungshotel statt und auch die Trainer, die wir beauftragen, haben die Aufgabe, uns nicht zu sagen, wer dort hinkommt. Man nimmt also vollkommen anonym teil und kann sicher sein, dass das niemand in der Bank erfährt, es sei denn, man möchte es selbst erzählen."
    Beraten, informieren, zuhören
    Das schwul-lesbische Mitarbeiter-Netzwerk ARCO, das für die Bank die Anmeldung zu den Coming-out-Kursen übernimmt, gibt es bereits seit über einem Jahrzehnt. Heute zählt es mehr als 500 Mitglieder, darunter sind rund 100 Frauen. ARCO ist spanisch und bedeutet "Bogen" – eine Anlehnung an die Regenbogenfahne der internationalen schwul-lesbischen Bewegung, erklärt Christian Weis. Er leitet ARCO seit 2006:
    "Unser Hauptmedium ist das ARCO-Forum. Das ist ein Internet-Portal, wo sich unsere Kolleginnen und Kollegen einloggen können. Man kann sich registrieren, man hat zwei Möglichkeiten: Entweder anonym sich anzumelden, mit einem Fantasienamen, oder offen. Und dort kann man in verschiedenen Rubriken sich austauschen mit anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Bank. Wir treffen uns aber auch Live, nicht nur virtuell. Verschiedene Stammtische gibt es in ganz Deutschland und auch ein überregionales Bundestreffen, wo alle Mitglieder eingeladen werden. Und das sind einige der vielen Aktionen, die wir machen. Es gibt aber durchaus noch viele mehr."
    Christian Weis steht auch regelmäßig in den Outing-Kursen der Bank als Gesprächspartner zur Verfügung. Weil er selbst in seinem Coming-out durch die offene Atmosphäre am Arbeitsplatz ermutigt wurde, will er etwas von dieser befreienden Erfahrung auch an andere weitergeben, sagt er:
    "Und die Workshops unterstützen natürlich schon den einen oder anderen darin, sich über das Thema mal mit Gleichgesinnten auch auszutauschen und auch Un-Gleichgesinnten. Denn wir haben in dem Workshop nicht nur diejenigen, die sich nicht outen, sondern auch die, die sich geoutet haben, die ihre Erfahrungen erzählen.
    Und was ich ganz toll finde, es wird auch moderiert von zwei externen Coaches, die selbst heterosexuell sind und da auch noch mal eine ganz andere Perspektive mit einbringen, insofern ist das sehr, sehr gewinnbringend.
    Garantien gibt es nicht
    Führen diese Aktivitäten nun dazu, dass es im Betrieb keine Diskriminierung mehr gibt? Barbara David aus der Personalabteilung der Commerzbank ist angesichts von rund 50.000 Mitarbeitern bei der Antwort vorsichtig:
    "In einem so großen Unternehmen kann man niemals für den letzten Menschen im Betrieb die Hand ins Feuer legen. Aber wir sind so weit, sagen zu können: Wir kennen größere Diskriminierungsfälle nicht. Und wenn wir sie kennen würden, gehen wir ihnen sofort nach."