Freitag, 19. April 2024

Archiv

Commerzbank und Deutsche Bank
Die neudeutsche Großbank

Seit der Finanzkrise schlingern die beiden größten deutschen privaten Banken, die Deutsche Bank und die Commerzbank. Trotzdem wollen sie nun in Fusionsgesprächen ausloten, ob sie gemeinsam mehr erreichen könnten als allein. Kritiker befürchten einen massiven Stellenabbau und fragen: Ist der Finanzplatz Deutschland in Gefahr?

Von Brigitte Scholtes | 18.03.2019
Die Fotomontage zeigt die Logos von Commerzbank und Deutscher Bank vor dem Hintergrund der Fassaden der Geldhäuser.
Commerzbank und Deutsche Bank beraten über eine mögliche Fusion. Beide schlingern seit der Finanzkrise. (AFP / Daniel Roland )
Mitarbeiter der Dresdner Bank protestieren gegen die Fusion mit der Commerzbank. Szenen, die sich bald wiederholen könnten, nur dass dieses Mal Mitarbeiter der Commerzbank und der Deutschen Bank auf die Straße gehen könnten. Denn am Wochenende verkündeten beide Großbanken, dass sie nun offiziell miteinander verhandeln. Euphorisch klang diese Ankündigung nicht. So hieß es in dürren Worten etwa von der Deutschen Bank, man prüfe strategische Optionen und bestätige Gespräche mit der Commerzbank. Sprecher Jörg Eigendorf:
"Wir werden einen Zusammenschluss mit der Commerzbank nur dann machen, wenn er wirtschaftlich sinnvoll ist. Dafür braucht es einen guten Plan, allen voran einen guten Integrationsplan. Das loten wir nun gemeinsam mit der Commerzbank aus und dann wenn die Ergebnisse dann vorliegen, werden wir entscheiden. Das heißt, diese Sondierungsgespräche sind ergebnisoffen, sie werden eine Weile brauchen, denn uns geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit."
Eine Gewähr, dass es zu der Fusion kommt, die gibt die Deutsche Bank ausdrücklich nicht.
Lange hatten beide Seiten nur ausweichend auf die Frage nach Gesprächen über eine mögliche Zusammenarbeit reagiert. So sagte Deutsche Bank-Chef Christian Sewing noch bei der Bilanzvorlage Anfang Dezember, man könne die gesteckten Ziele für das laufende Jahr allein erreichen:
"Wir beteiligen uns an diesen Spekulationen nicht. Wir haben unseren Plan und das ist unser Weg."
Und ein paar Tage später kam eine ähnliche Aussage von Commerzbank-Chef Martin Zielke:
"Die Richtung bei den Kosten stimmt, aber das Umfeld, mit Negativzinsen und Preisdruck, setzen der Profitabilität von Banken in Deutschland enge Grenzen. Von diesem Hintergrund sind auch die aktuellen Spekulationen verständlich, aber Sie verstehen sicherlich auch, dass ich mich dazu heute und generell nicht beteiligen werde."
Bankengespräche durch Druck der Politik
Das also hat sich jetzt geändert, doch beide Banken haben das Gespräch nicht aus freiem Antrieb gesucht. Der Druck kommt aus der Politik. Zum ersten Mal wurde das im August letzten Jahres deutlich. Da sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz bei einer Bankentagung in Frankfurt am Main:
"Denn das bleibt ja so, dass der Erfolg unserer Wirtschaft, auch der Exporterfolg zum Beispiel der deutschen Wirtschaft, davon abhängt, dass sie global tätig ist, dass sie im globalen Wettbewerb erfolgreich ist, und natürlich muss die Finanz-Industrie und müssen die Banken in der Lage sein, das zu begleiten."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz spricht im Bundestag
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD): Er fordert einen "nationalen Champion" im Bankenbereich (picture alliance / Kay Nietfeld)
Seither diskutiert man am Finanzplatz Frankfurt, warum Olaf Scholz einen "nationalen Champion" ausgerechnet jetzt fordert, wo doch beide Banken immer noch mit ihrer Restrukturierung beschäftigt sind. Christan Sewing hatte sich eigentlich noch dieses Jahr ausbedungen, um erst einmal die Hausaufgaben zu machen, sprich, die Postbank vollständig zu integrieren, bevor man über solche Optionen diskutiere. Diese Zurückhaltung sei nachvollziehbar, meint Bankenexperte Dirk Schiereck, Professor der Technischen Universität Darmstadt:
"Keines der beiden Institute ist momentan so aufgestellt, dass es Sinn macht, in diese Fusion hineinzugehen. Die Deutsche Bank hat genug damit zu tun, ihre eigene interne Struktur neu zu ordnen. Und auch die Commerzbank ist ja nicht die Ertragsperle des deutschen Bankenwesens. Die sind also auch nach wie vor dabei intern die Prozesse zu optimieren."
Eine betriebswirtschaftliche Logik sieht Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, jedenfalls nicht in einem Zusammengehen der beiden größten deutschen Privatbanken:
"Ich halte diese Fusionsidee für wirtschaftlich völlig unsinnig. Es würde ja kein internationaler Champion entstehen durch diese Fusion, sondern es würde nach wie vor nur ein nationaler Champion bleiben. Beide Banken zusammen wären nach wie vor viel zu klein."
Keine Erfolgsgarantie für fusionierte Deutsche-Commerzbank
Die Banken kommen zusammen auf ein Bilanzvolumen von 1,8 Billionen Euro, wobei die Deutsche Bank in dieser Hinsicht in etwa dreimal so groß ist wie die Commerzbank, diese aber zuletzt mit 865 Millionen Euro fast dreimal so viel Gewinn erwirtschaftet hat wie die Deutsche Bank. 141.000 Mitarbeiter beschäftigten beide Banken Ende 2018. 38 Millionen Privat- und Firmenkunden zählen beide zusammen. Damit wäre die fusionierte Deutsche - Commerzbank im europäischen Vergleich die Nummer drei hinter der britischen HSBC mit 2,4 Billionen Bilanzsumme und der französischen BNP Paribas mit 2,2 Billionen Euro.
Damit hätte sie zumindest an Größe aufgeschlossen zu den europäischen Wettbewerbern. Aber eine Erfolgsgarantie wäre das nicht, glaubt Gerhard Schick. Der frühere grüne Bundestagsabgeordnete und Finanzpolitiker leitet seit Jahresanfang die von ihm gegründete Lobbyorganisation "Bürgerbewegung Finanzwende".
"Das Financial Stability Board, das die Banken danach sortiert, ob sie "too big to fail" sind oder nicht, ordne die Deutsche Bank eben als ein solches Institut ein. Sie muss deswegen auch etwas mehr Eigenkapital einsetzen als andere kleinere Banken. Aber das müsste ja genau bedeuten, wenn die Bank schon "too big", also zu groß ist, dann darf man sie doch nicht noch größer machen."
Auch Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbands Volks- und Raiffeisenbanken, kritisiert den Bundesfinanzminister:
"Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, nationale oder europäische Champions zu schaffen. Champions entstehen im Wettbewerb als Folge guter unternehmerischer Entscheidungen. Der Mittelstand ist auch mit Hilfe unserer Institute auf den Weltmärkten erfolgreich. Große Unternehmen sind oft nicht die besseren Unternehmen. Und wenn sie scheitern, trifft es nicht selten am Ende den Steuerzahler. Vor diesem Hintergrund ist es an der Zeit, dass sich der Bund möglichst bald aus dem Thema Großbankenbeteiligung zurückzieht, und so die Möglichkeit schafft, Markterfolg ohne Staatsbeteiligung zu testen."
Im Mai 2009 verschmolz die Dresdner Bank AG mit der Commerzbank AG, die 100 Prozent der Anteile hält.
Im Mai 2009 verschmolz die Dresdner Bank AG mit der Commerzbank AG. Das Geschäft konnte nur mithilfe des Bundes gerettet werden. ( picture alliance/Winfried Rothermel)
Die Commerzbank war in der Finanzkrise ins Straucheln geraten, weil sie – wohl auch mit Unterstützung der damaligen Bundesregierung – die schon marode Dresdner Bank der Allianz-Versicherung abkaufte. Das hatte sie im September 2008 angekündigt, kurz bevor die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers in die Insolvenz ging. Um den Deal zu retten, stieg der Bund dann Anfang 2009 bei der Commerzbank ein – ein schlechtes Geschäft, das den Steuerzahlern bisher wohl knapp fünf Milliarden Euro Verlust eingebracht hat.
Die beiden Großbanken haben bisher mit ihren Fusionen und Fusionsversuchen wenig Erfolg gehabt, das sieht auch Gerhard Schick so:
"Wenn man sich die Bankenfusionen in den letzten Jahren anschaut, da gibt es da eben auch einige Beispiele, wo man geträumt hat von neuer Größe, und letztlich aber es Probleme gegeben hat, zum Beispiel beim Kauf der Postbank oder auch bei der Integration von der Dresdner Bank in die Commerzbank."
9. März 2000: Zusammenschluss von Deutscher- und Dresdner Bank
Es mangelte auch nicht an schönen Worten, als am 9. März 2000 Deutsche- und Dresdner Bank ihren Zusammenschluss unter Gleichen verkündeten. So sagte der damalige Deutsche Bank-Chef Rolf-Ernst Breuer:
"Dies ist, wie ich noch einmal wiederhole und mit Nachdruck wiederhole, ein Merger of Equals. Merger of Equals - nicht im technisch –mathematischen Sinne, die Zahlen haben sie ja gesehen, sondern im Sinne der Partnerschaft."
Doch dieser Plan hatte nicht lange Bestand, denn die Deutsche wollte die Investmentbanksparte der Dresdner nicht übernehmen, deshalb verkündete schon einen Monat später der damalige Chef der Dresdner Bank, Bernhard Walter:
"Der weit überwiegende Teil unserer Mitarbeiter im Investmentbanking wäre auf der Strecke geblieben. Und das ist mit einem Vorstand der Dresdner Bank nicht zu machen."
Wenige Jahre später wurde auch die Commerzbank aktiv: Sie übernahm die Eurohypo, die erst 2001 aus den drei Hypothekenfinanzierern der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und eben der Commerzbank geformt worden war. Auch da bewies sie kein glückliches Händchen, denn wegen der Finanzkrise wurde die Eurohypo zum Klotz am Bein. Sie wurde 2016 abgewickelt. Dann bot die Commerzbank unter ihrem damaligen Vorstandschef Klaus-Peter Müller für die Landesbank Berlin mit, als diese 2007 verkauft werden sollte – ebenfalls nicht mit Erfolg. Drängen lassen wolle man sich nicht, sagte Müller damals:
"Wir können das wuppen, was wir wuppen wollen. Heißt aber nicht, dass wir alles wuppen wollen, was andere uns gerne wuppen sehen würden.
Ein Schriftzug der Bank "Eurohypo" steht auf einem Geschäftsgebäude in Berlin.
Die Bank Eurohypo: 2001 war sie aus der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der Commerzbank geformt worden. 2016 wurde sie abgewickelt. (dpa/Wolfram Steinberg)
Wuppen wollte die Commerzbank aber dann eben 2008 die Übernahme der Dresdner Bank, die sie der Allianz abkaufte.
Damit begann der Niedergang der beiden Banken in der neuen Commerzbank, auch wenn 2012 der damalige Vorstandschef Martin Blessing noch fast trotzig behauptete:
"Es wird immer deutlicher, wie sehr uns der Zusammenschluss nutzt. Er ist sinnvoll, nicht nur für unsere Kunden, sondern auch für die Bank."
Diese Erfahrungen mit den Fusionen lassen also nichts Gutes erahnen, wenn es jetzt in die nächste Runde geht. Und das geschehe allen Erfahrungen der Finanzkrise zum Trotz, kritisiert Gerhard Schick von der Bürgerbewegung Finanzwende:
"Wir haben eigentlich gelernt in der Finanzkrise: Institute, die zu groß sind, deshalb ja dieses Stichwort "too big to fail", zu groß als dass man sie scheitern lassen könnte, das ist wirklich ein Problem. Denn wenn es einmal wackelt, dann wird das gleich zu einer systemischen Finanzkrise und bleibt nicht auf das einzelne Institut beschränkt. Und das scheint im Bundesfinanzministerium völlig vergessen worden zu sein, auch die Versprechen, die nach der Finanzkrise abgegeben worden sind, der Steuerzahler soll nie wieder helfen müssen bei Bankenkrisen. Wenn man jetzt so eine Megabank macht, dann geht man eigentlich genau den Weg, ein solches Szenario wieder herbeizuführen."
Fusion würde tausende Arbeitsplätze kosten
Ein weiterer Punkt, der verwundert: eine solche Fusion würde tausende Arbeitsplätze kosten. Das kritisieren zuallererst die Gewerkschaften, so Jan Duschek, der für die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt:
"Wir müssten davon ausgehen, dass das zu einem erheblichen Arbeitsplatzabbau in Deutschland führen würde. Das ist der erste Grund, warum wir es nicht befürworten. Und der zweite Grund liegt aber auch darin, dass wir den Mehrwert von so einer Bankenfusion nicht wirklich sehen. Also, wir sehen nicht, dass dadurch eine Bank oder ein Geschäftsmodell entsteht, dass wirklich Vorteile bringen würde und auf lange Zeit für sichere Arbeitsplätze sorgen würde. Also von daher stehen wir diesem Lösungsmodell sehr kritisch gegenüber."
Die letzten Fusionen in Deutschland hätten gezeigt, in welcher Größenordnung da mittelfristig Jobs gestrichen würden, sagt Dirk Schiereck von der TU Darmstadt:
"Der Arbeitsplatzabbau bei dem Zusammenschluss von Cobank und Dresdner Bank entsprach ungefähr der Mitarbeiterzahl der Dresdner Bank. Bei dem Zusammenschluss von DZ-Bank und WGZ-Bank entsprach es ungefähr der Mitarbeiterzahl der WGZ-Bank. Und dieses Mal gehen alle Schätzungen davon aus, dass es ungefähr der Mitarbeiterzahl der Commerzbank entspricht. Also wir reden hier über sicherlich 40.000 Leute, die über eine kürzere oder längere Frist hinweg ihren Arbeitsplatz verlieren werden."
Das Geschäftsmodell sei ausschlaggebend. Das hatte auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann vor wenigen Tagen in seiner Rolle als Bankenaufseher zu bedenken gegeben:
"Entscheidend ist, dass aus Fusionen entstehende Institute am Ende des Tages ein tragfähiges Geschäftsmodell haben. Das ist der bankaufsichtlich und auch vor dem Hintergrund der Finanzstabilitätswirkungen entscheidende Punkt. Das Geschäftsmodell muss tragfähig sein."
Doch eine andere betriebswirtschaftliche Logik als Kosten zu sparen, gebe es nicht für den Zusammenschluss, meint der Bankenexperte:

"Wenn man sich die Überschneidungen in der Produktpalette ansieht, wird man feststellen, dass es relativ wenig in der Commerzbank gibt, was die Deutsche Bank nicht hat, aber sehr viel, was die Deutsche Bank bereits anbietet, und was man dann mit den Commerzbank-Kunden in einer anderen Größenordnung zusätzlich anbieten könnte. Für den außenstehenden Betrachter das einfachste, sind sicherlich die Filialaktivitäten. Da könnte man grundsätzlich einfach sämtliche Commerzbank-Filialen schließen und hätte die gleiche flächenmäßige Abdeckung, wie man sie jetzt hat. Das ist in anderen Bereichen nicht viel anders."
Besteht Gefahr für Stabilität des Finanzplatzes Deutschland?
Den Verlust so vieler Jobs in Kauf zu nehmen, das kann Dieter Hein, Analyst von fairesearch, allein aus politischen Gründen nicht verstehen:
"Das ist eigentlich für einen SPD-Politiker aus meiner Sicht ein No Go, aber das sollte man Herrn Scholz fragen, was er sich dabei gedacht hat."
Diese Frage stellen sich natürlich auch viele Beobachter am Finanzplatz. Dirk Schiereck von der TU Darmstadt zieht daraus einen besorgniserregenden Schluss:
"Man kann sich das eigentlich nur dahin vorstellen, dass sie Informationen haben, die der Öffentlichkeit nicht vorliegen und die darauf hinauslaufen, dass wirklich eine Gefahr für die Stabilität des Finanzplatzes Deutschland in mittlerer Sicht insgesamt besteht."

Sollte sich die Wirtschaftslage und damit das Umfeld verschlechtern, dann könne man eher eine große fusionierte Bank retten als zwei. Das scheine die Devise in Berlin zu sein, glaubt der Bankenexperte:
"Dann sind wir an einer Stelle, wo die Meinung vieler Bankvorstände in Frankfurt hinter vorgehaltener Hand lautet: na ja, zum jetzigen Zeitpunkt, wo es beiden Instituten noch ganz gut geht, da kann man vielleicht noch eine Fusion vernünftig aufsetzen und muss dann später, wenn es dann wirklich schlimm wird, nur ein Institut retten, das so groß ist, dass auch keiner der europäischen Partner auf die Idee kommt, irgendwelche Fragen zu stellen."
Denn trotz aller Bemühungen um Restrukturierung kommt die Deutsche Bank nicht aus der Krise heraus, allen Beteuerungen des Vorstands zum Trotz: Immer noch sind die Rechtsstreitigkeiten aus der Finanzkrise nicht beendet. Noch wird geprüft, inwieweit die Deutsche Bank in den Geldwäscheskandal der Danske Bank verwickelt ist. Dabei geht es um 200 Milliarden Euro gewaschenes Geld. Und schließlich steht auch die Klärung der Geschäftsbeziehungen der Deutschen Bank zum amerikanischen Präsidenten Donald Trump noch aus, der womöglich dubiose Geschäfte über sie abgewickelt hat. Die Bank hat zugesagt, dem US-Repräsentantenhaus nun Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Risiken könnten die Bank womöglich in ihrer Existenz gefährden. Und das sieht man offenbar auch im Finanzministerium mit Sorge, glaubt Schiereck. Zumindest sollte Scholz gut informiert sein, was am Finanzplatz vor sich geht – vor allem wegen seines Staatssekretärs Jörg Kukies. Denn der war bis zur Berufung in das Finanzministerium im Frühjahr vergangenen Jahres Deutschland-Chef der Investmentbank Goldman Sachs mit Sitz in Frankfurt am Main:
"Herr Kukies ist zum einen natürlich ein sehr intimer Kenner der gesamten Frankfurter Bankenszene. Er ist persönlich mit allen relevanten Entscheidungsträgern in den Banken vertraut, er kennt die Prozesse der Banken nicht von Erzählungen her, sondern weil er selbst lange, lange Jahre Mitglied dieser Frankfurter ‚Community‘ war. Er hat wahrscheinlich am besten eine Idee darüber, wie es den Instituten gegenwärtig geht, und welche Konsequenzen die Fusion für den Finanzplatz Deutschland, Frankfurt haben wird."
Blick auf die Skyline von Frankfurt
Besteht auf mittlere Sicht eine Gefahr für den Finanzplatz Deutschland? (picture alliance/chromorange/Andreas Pulwey)
Vertrauen schaffen durch Staat als Anteilseigner
Das also könnte der Hintergrund sein für den indirekten Einstieg des Staates bei der Deutschen Bank, wenn denn der Zusammenschluss mit der Commerzbank gelingen sollte, glaubt auch Gerhard Schick von der "Bürgerbewegung Finanzwende":
"Man versucht, die Deutsche Bank dadurch zu stabilisieren, dass der Staat Anteilseigner wird und damit die bisher implizite Staatsgarantie, die bei einer "too big to fail"-Bank, also bei einer so großen systemischen Bank eigentlich immer schon da ist, dass die jetzt durch einen Staatsanteil auch noch mal richtig deutlich wird und dadurch Vertrauen in die Deutsche Bank geschaffen wird."
Das scheint schon zu gelingen: An der Börse jedenfalls legten die Aktienkurse beider Banken deutlich zu. Die waren allerdings in den letzten Jahren auch heftig durchgeschüttelt worden. Schaut man noch weiter zurück, wird der Wertverlust noch deutlicher: So haben die Anteilsscheine der Deutschen Bank seit dem Jahr 2000 88 Prozent an Wert verloren, die der Commerzbank gar um 97 Prozent. Bei solch niedrigen Kursen hätte man eigentlich annehmen können, dass europäische Wettbewerber Interesse an der Übernahme von einer der beiden Banken zeigen würden, doch das sei nicht der Fall, sagt Dieter Hein von fairesearch:
"Beide Institute sind die günstigsten in Europa. Man kann also ein Euro Eigenkapital für 25 Cent kaufen. Wenn da jemand gedacht hätte, das wäre ein Schnäppchen, dann hätte er schon längst zugeschlagen."
Die ausländischen Konkurrenten wie die französischen Großbanken wachsen lieber aus eigener Kraft in Deutschland, als dies mit einer Übernahme zu versuchen.
Hinzu kommt: Die ausländischen Banken wissen, dass die Eingliederung einer übernommenen Bank auf Jahre hinaus viel Zeit und Geld kostet. Und das wäre auch bei einer Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank so. Die beiden Institute würden Jahre verlieren, in denen sie sich um sich selbst anstatt um die anliegenden Probleme und Herausforderungen der Zukunft wie etwa die Digitalisierung kümmern könnten. Deshalb dürften die ausländischen Banken sich jetzt die Hände reiben, glaubt Dirk Schiereck von der TU Darmstadt:
"Ein großer Gewinner wird sicherlich BNP Paribas sein. Auch die ING freut sich wie so ein kleiner Schneekönig, und auch die UniCredit mit der HVB werden sicherlich Profiteure sein. Denn wir wissen, immer schon war es so: Firmenkunden haben kein Interesse daran, von einer einzigen Bank abzuhängen. Wer heute aus Gründen der Risikostreuung sowohl Kunde bei der Commerzbank als auch bei der Deutschen Bank ist, der wird halt eines dieser Mandate in Zukunft bei der BNP, bei der ING oder bei der UniCredit haben."
Sein Institut werde unter den Privatbanken dann einen großen Schritt nach vorn machen, freute sich der Chef der ING Deutschland, Nick Jue, kürzlich:
"Wenn das wirklich passiert, bin ich, glaube ich, die zweitgrößte Bank von Deutschland gleich. Dann gehe ich eine Stufe hoch, also, das ist nicht so schlecht für uns. Mal sehen, was passiert. Aber ich glaube, normalerweise, das haben wir in der Vergangenheit auch gesehen, wenn so etwas passiert, profitieren wir doch ein bisschen davon, von der Unruhe bei den Kunden."
Doch ob die Fusion der Deutschen mit der Commerzbank kommt, darauf werden am Finanzplatz noch Wetten abgeschlossen. Die reichen von 50:50 bis hin zu 90:10 – gegen eine Fusion.