Thuy-Tien Nguyen vom post-migrantischen asiatisch-deutschen Netzwerk Korientation klärt während der Corona-Pandemie über anti-asiatischen Rassismus auf und sammelt dafür auch journalistische Negativbeispiele auf dem Korientation-Blog. Ihre Bilanz nach drei Monaten Corona-Berichterstattung: "Es wird auf jeden Fall nicht besser, was man in unserer Sammlung von unserem Medienkritikprojekt sehen kann."
Zu viele rassistische Bezüge nach wie vor – die Beispiele dafür häuften sich auf ihrem medienkritischen Blog. Ziel des Projekts ist es, für anti-asiatischen Rassismus zu sensibilisieren. Eine Rassismus-unsensible-Sprache und -Bildwahl gebe es nämlich nicht nur bei Medien, die des öfteren am rechten Rand fischten, so Nguyen.
"Die Bildzeitung und das Cicero-Magazin sind natürlich mit dabei. Aber auch ganz vorne ist der Spiegel, die Frankfurter Allgemeine, die Tagesschau – da ist auch mal ein Fall passiert – Hamburger Morgenpost, Mitteldeutsche Zeitung, die Abendzeitung München."
Rassismus in Dauerbebilderung
Menschen, denen ein asiatisches Aussehen zugeschrieben wird, als Dauerbebilderung für Corona-Themen, auch wenn sie mit dem konkreten Thema rein gar nichts zu tun haben: Solche Rassismen zögen sich durch die ganze Bandbreite der Medien.
Wie etwa bei einem Artikel auf tagesschau.de, der sich eigentlich um Geschäftsmieten bei Adidas dreht und der mit einer asiatisch aussehenden Person mit Mundschutz bebildert wurde. Nach einer Welle der Kritik änderte tagesschau.de das Bild, weil erkannt wurde, dass es, Zitat, "nicht richtig zum Inhalt des Artikels passte". Das erklärte tagesschau.de auf Nachfrage dem Deutschlandfunk.
Ungewöhnlich ist diese Bebilderung auch deswegen, weil sie bei im so genannten Westen auftretenden Phänomenen nicht angewandt wird – eine Dauerbebilderung des Themas Rinderseuche BSE etwa mit Engländern kam nicht vor.
Die Folgen für asiatisch Aussehende
Wenn aber eine Personengruppe immer wieder als exotisch und als anders geframt wird, dann fielen auch Generalisierungen leichter. Es werde leichter, pauschal einen Schuldigen zu finden – das würde als Botschaft durch diese Art der Bebilderung immer wieder mittransportiert, mit gravierenden Folgen, sagt Sheila Mysorekar, Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacherinnen, einem Zusammenschluss von Journalistinnen mit und ohne Migrationsgeschichte.
"Das haben wir hier gesehen in der Coronakrise, also dass asiatisch aussehende Menschen beschimpft, bespuckt wurden, nicht in Läden hereingelassen wurden, als Virusträger angesehen wurden, egal um wen es sich handelte – natürlich, wie soll man auch wissen, ob jemand aus China gerade frisch eingereist ist oder ein Rheinländer ist, der halt sonstwie irgendwelche asiatischen Vorfahren hatte, egal aus welchem Land."
Jahrhunderte alte Narrative reproduziert
Aus Worten können Taten werden, das ist die Botschaft. Aber nicht jeder stellt sich der Kritik. Der Cicero, der seine Mai-Ausgabe mit der Grafik einer – eigentlich japanischen – Winke-Katze und der Headline "Grüße aus Wuhan" aufmachte, hat nach massiver Kritik Kommentarspalten zu dem Thema geschlossen und kritische Kommentare gelöscht.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung twitterte: "Essen Chinesen wirklich alles, was fliegen und schwimmen kann?" Im dazugehörigen Artikel wollte sie eigentlich mit solchen Ernährungsmythen aufräumen – reproduzierte mit dem Tweet aber, nach Meinung der Kritiker, genau die Klischees, die sie eigentlich durchbrechen wollte. Für Nachfragen hatte die FAZ-Redaktion, auf Anfrage des Deutschlandfunk, nach eigenen Angaben keine Zeit.
Was einigen vielleicht wie ein kleiner Lapsus in der Formulierung oder Bildwahl scheint, knüpft in Wahrheit oft an rassistische Narrative und Bilder an, die bereits seit Jahrzehnten und teils seit Jahrhunderten im Umlauf sind. Nguyen von Korientation: "Dass alles, was aus Asien kommt, oder die Menschen dort, eklig und dreckig sind, dass die eklige Sachen essen, dass sie anders sind".
Spiegel-Autor räumt "gefährliches Spiel" ein
In einem Spiegel-Text wurden die schlimmsten anti-asiatischen Corona-Klischees gesammelt und als reale Gefahr dargestellt – eigentlich mit dem Ziel, genau diese Klischees zu überhöhen und damit ad absurdum zu treiben. Nach viel Kritik räumt auch Autor Stefan Kuzmany selbst ein, dass das nicht funktioniert hat:
"Ich sage ihnen auch ganz ehrlich, dass ich das wahrscheinlich heute so jetzt nicht mehr schreiben würde, weil das schon sehr mit leichter Hand auch geschrieben ist, dieses Stück. Und natürlich haben Sie recht, dass dieses Spiel, dieses Sprachspiel mit Rassismus, ein gefährliches Spiel ist, weil man eben genau das auch reproduziert damit. Also, das ist völlig richtig. Und man kann das auch sehr, sehr falsch finden, klar."
Neuer Corona-Schwerpunkt, andere Bilder
Auch wenn sich nicht alle Medien öffentlich einsichtig zeigen, im Gegensatz zu Korientation, sieht die Vorsitzende der Neuen Deutschen Medienmacher*innen, Sheila Mysorekar, mittlerweile einen Aufwärtstrend:
"Viele Medien, die anfänglich jeden Artikel jeden Text zu Corona mit einem asiatisch aussehenden Menschen bebildert haben, machen das nicht mehr. Ich denke das haben sie sich zu Herzen genommen, das ist ein Punkt. Das andere ist aber natürlich auch, dass die gesamte Krise sich ja von China wegbewegt hat und zu Europa hin."
Corona würde mittlerweile weniger als ein chinesisches Problem und mehr als Problem innerhalb Europas gesehen. Auch das habe auch die Berichterstattung verändert.