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Corona-Fakes
Mediziner schreiben offenen Brief an Facebook & Co.

Über 100 Ärztinnen, Krankenpfleger und Gesundheitsexpertinnen haben sich in einem gemeinsamen Schreiben an Facebook, Twitter und Google gerichtet. Sie wollen, dass die US-Unternehmen besser gegen Desinformation vorgehen. Menschen, die Corona-Falschnachrichten teilen, sollen in Zukunft nachträglich einen Hinweis angezeigt bekommen.

Von Christoph Sterz | 07.05.2020
Zu sehen ist der Schriftzug "falsch" - der Buchstabe "f" ist im facebook-Design gehalten. Im Hintergrund das stark vergrößerte Logo des Unternehmens.
Experten fordern mehr Engagement im Kampf gegen Falschmeldungen (dpa / Fotomontage: DLF)
Seit Wochen ist neben der analogen Corona-Pandemie auch von einer digitalen "Infodemie" die Rede. Gemeint ist damit, dass viele Menschen Falschinformationen teilen, ohne sich darüber im Klaren zu sein und so für eine unkontrollierte Weiterverbreitung von Fakes sorgen.
Dadurch würden "auf der ganzen Welt Menschenleben gefährdet", heißt es in einem offenen Brief, der im Netz und als ganzseitige Anzeige in der New York Times veröffentlicht wurde.
Berichte, in denen behauptet wird, dass Kokain ein Heilmittel sei oder dass Covid-19 als biologische Waffe entwickelt worden sei, hätten sich "schneller verbreitet als das Virus selbst". "Wir sind diejenigen, die Kleinkinder mit Masern stationär behandeln - eine vollkommen vermeidbare Krankheit, die in Ländern wie den USA bereits als ausgerottet galt, jetzt aber vor allem dank Impfgegner-Propaganda wieder auflebt", heißt es in dem Brief.
Maßnahmen gegen "gefährliche Lügen"
Zu den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Schreibens gehören Experten und Gesundheitspersonal aus der ganzen Welt. Aus Deutschland zählen unter anderem die Virologen Christian Drosten und Melanie Brinkmann zu den Unterzeichnern.
Sie fordern, dass Facebook, Google und Twitter besser gegen Falschnachrichten vorgehen. Die "gefährlichen Lügen" sollten Social-Media-Nutzern nicht mehr so prominent angezeigt werden.
Richtigstellung von Falschnachrichten
Vor allem aber müssten die Tech-Riesen aus dem Silicon Valley Ihren Userinnen Bescheid geben, sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass sie eine gefälschte Nachricht geliked, geteilt oder kommentiert haben.
Sobald unabhängige Faktenchecker eine unwahre Behauptung entlarvt hätten, müsse zwingend eine Richtigstellung angezeigt werden.
Hinter dem offenen Brief steckt die internationale Nichtregierungsorganisation Avaaz, die sich unter anderem gegen Desinformation einsetzt. Eine von Avaaz in Auftrag gegeben Studie kommt zu dem Schluss, dass es hilfreich sei, Nutzer im Nachhinein auf geteilte Falschmeldungen hinzuweisen. Im Durchschnitt habe dadurch knapp die Hälfte der Teilnehmer aufgehört, an die falsche Information zu glauben.
Facebook warnt bisher nur allgemein
Facebook teilte dem Deutschlandfunk mit, bereits jetzt strikt gegen Fehlinformationen vorzugehen. Außerdem habe das Unternehmen "Tausende von Inhalten entfernt, die zu unmittelbarem Schaden führen könnten".
Facebook hat erst vor kurzem angekündigt, allgemeine Warnhinweise zu Fake News anzuzeigen. Wer etwas Irreführendes weiterverbreitet habe, bekomme einen Hinweis auf vertrauenswürdige Quellen wie die Weltgesundheitsorganisation.
Avaaz kritisiert aber, dass die Userinnen dadurch nicht erfahren, welche Fehlinformation sie konkret mit ihren Facebook-Freunden geteilt haben.
Facebook verweist darauf, dass der Nutzen des Richtigstellens unklar sei. Es könne sogar den gegenteiligen Effekt hervorrufen, nämlich, dass sich dadurch Verschwörungen noch weiter in den Köpfen festsetzten.