Freitag, 19. April 2024

Archiv

Corona-Krise in Ägypten
Zwischen Militär und Appellen an die Vernunft

In Ägypten wird in großen Medienkampagnen vor der Ausbreitung des Coronavirus gewarnt. Dabei stellt sich vor allem das Militär als stark und gut gerüstet dar. In ihrer Berichterstattung haben sich Journalisten weitgehend an die staatliche Linie zu halten – sonst werden sie ausgebremst.

Von Björn Blaschke | 24.03.2020
Ein Arbeiter in Schutzanzug sprüht Desinfektionsmittel um die im Ägyptischen Museum ausgestellte goldene Maske des Königs Tutanchamun.
Auch im Ägyptischen Museum in Kairo wird desinfiziert in der Corona-Krise (dpa / Gehad Hamdy)
Corona – so heißt in Ägypten eine Schokolade. Vollmilch, Zartbitter, Schwarz. Und noch vor einigen Wochen witzelten die Ägypter: "Überall ist Corona ein Problem; bei uns ist Corona süß."
Mittlerweile ist zumindest den ägyptischen Behörden klar, dass Covid-19 in ernstzunehmendes Problem ist. In drei großen Kampagnen appelliert die ägyptische Führung an ihr 100-Millionen-Volk, die Bedrohung durch das Virus nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Dazu gehört, dass staatliche Radiosender im Halb-Stunden-Takt werben: für’s Händewaschen und die Einhaltung der Hust- und Nies-Etikette. Mit derselben Hygiene-Mission treten bekannte Schauspieler im Auftrag des Gesundheitsministeriums in kurzen Fernseh-Clips auf.
Kampagne "Bleibt zu Hause"
In einer Kampagne, die "Bleibt zu Hause" heißt, unterstreicht die ägyptische Führung, warum Kindergärten, Schulen und Universitäten geschlossen sind, genau wie Kinos und Theater; Moscheen und Kirchen. Auch der Schauspieler Shereef Mounir macht bei der Kampagne mit.
"Jeder sagt dem nächsten ‚Bleib’ zu Hause‘ – sogar die berühmte Sängerin Fairouz. Ich sage das, damit wir in die Zukunft blicken können. Leute, die ohne triftigen Grund ausgehen, die mit anderen zusammenkommen, können die Infektion nach Hause bringen und übertragen. Auf die Mutter, den Vater oder auf die Kinder, die Großmutter. Das ist alles schon mal gesagt worden, aber ich spreche über das, was als nächstes kommen könnte. Wenn die Zahlen der Infektionen zunehmen, wird es katastrophal. Die Krankenhäuser könnten überfüllt, die Straßen leer sein. Italien ist ein Land, das dicht gemacht hat. Die Außenwelt – niemand ist da noch auf den Straßen."
"Wasserpfeife kann viele Leute krank machen"
Restaurants, Cafés und Shopping Malls machen in Ägypten zwischen 19:00 Uhr abends und 7:00 Uhr morgens zu; Behörden funktionieren lediglich eingeschränkt. Das ägyptische Informationsministerium ruft in Zeitungen, im Radio und im Fernsehen auf, die Zeit nicht als Ferien zu sehen und in Teehäusern zu sitzen, um Wasserpfeife zu rauchen:
"Wasserpfeifen können das Corona-Virus verbreiten. Nur eine Wasserpfeife kann viele Leute krank machen. Geben Sie das Rauchen von Wasserpfeife komplett auf! Nehmen Sie dies als Gelegenheit, mit eine ohnehin schlechte Angewohnheit aufzugeben! Schützen Sie sich und Ihr Land!"
Das ägyptische Militär stellt sich wie immer dar: volksnah und gleichzeitig stark. "Die ägyptischen Streitkräfte bereiten Stationierung im ganzen Land vor – für die Bekämpfung von Covid-19" – unter diesem Titel postete eine Zeitung unlängst ein Video. Es zeigt – in Nahaufnahme und von oben mit Drohnen gefilmt – Soldaten in Chemieschutzanzügen; ein ganzes Bataillon, von dem es heißt, es versprühe Desinfektionsmittel. Die Truppe hat bei einer Übung in Reih‘ und Glied Stellung bezogen vor Militärfahrzeugen und Feuerwehrzügen, die ebenfalls in alle Richtungen um sich sprayen.
Striktes Vorgehen gegen Kritik
Seit dem zurückliegenden Wochenende kursieren in den sozialen Medien Videos von eben diesen Spezialkräften. Sie reinigen in Kairo Ministerien, die U-Bahn und ganze Ausfallstraßen, obwohl bisher noch nicht bekannt wurde, dass Covid-19 den Asphalt regiert.
Unruhe darf bei dem medialen Kampf gegen das Corona-Virus nicht aufkommen. Die Berichte haben allein auf staatlicher Linie zu sein. Das musste auch eine Journalistin spüren. Sie hatte im britischen "The Guardian" unter Bezug auf einen kanadischen Forscher geschrieben, die Zahl der Corona-Infizierten in Ägypten könnte bei annährend 20.000 liegen. Ihr wurde die Arbeitsgenehmigung entzogen. Der Vorwurf, sie habe zu hohe Zahlen verbreitet – also falsche Nachrichten. Und ganz auf staatlicher Linie veröffentlichte eine Zeitung einen offenen Brief von mehr als 70 ägyptischen Wissenschaftlern, die den kanadischen Forscher bezichtigen, fahrlässig vorgegangen zu sein.