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Corona-Maßnahmen in Sachsen
Der Sport beschwört den Durchhaltewillen

In Sachsen hat die Landesregierung aufgrund der vierten Corona-Welle die Maßnahmen stark verschärft. Das hat auch Folgen für den Sport. Der Profisport rechnet mit starken finanziellen Verlusten. Im Breitensport wächst die Sorge vor dem Vereinssterben.

Von Matthias Friebe | 27.11.2021
Ein Schild mit der Aufschrift "Platz gespresst" steckt im Rasen eines Vereinsspielfeldes
gesperrtes Sportgelände (imago images / Zink)

Inzidenzen von mehr als 1000, die Intensivbetten teils zu mehr als 95 Prozent ausgelastet - die Corona-Lage in Sachsen ist mehr als angespannt. Und so verkündet die Landesregierung schon vor einer Woche eine neue Notfallverordnung mit weitreichenden Maßnahmen.
"Im Sport ist alles untersagt", fasst es Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) zusammen. Ausnahmen gibt es aber von dieser Regel, vor allem für die Kinder, die in den vergangenen 18 Monaten die größten Einschränkungen von allen hatten. "Schulsport, Dienstsport, Profisport mit 3G und die Öffnung für Kinder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres."

"Status Quo eine Vollkatastrophe"

"Der Status Quo, den wir als Sport in Sachsen jetzt insgesamt einnehmen, ist natürlich eine Vollkatastrophe." Karsten Günther, Geschäftsführer von Handball-Bundesligist SC DHfK Leipzig ist besorgt angesichts dieser neuen Entwicklungen. "Damit meine ich nicht, dass es katastrophal entschieden wurde. Wir stecken einfach so wie alle anderen Bereiche in Sachsen auch mitten im Schlamassel."
Profifußball und Corona: auch beim Impfen schlechtes Beispiel?
Zwar darf der Profisport weitermachen, die Zeit von Fans in den Stadien und Hallen ist in Sachsen vorerst aber wieder vorbei – auch in der Fußball-Bundesliga. Beim Spiel Leipzig gegen Leverkusen am Sonntag bleiben die Ränge wieder leer. Auf der Bank sitzt bei den Leipzigern wieder Co-Trainer Achim Beierlorzer, der den Corona-erkrankten Jesse Marsch vertritt.

"Schaden im sechsstelligen Bereich"

Bis zum 12. Dezember gelten die Maßnahmen erst einmal, in dieser Zeit bestreiten auch die Leipziger Handballer ein Bundesliga-Heimspiel. Geschäftsführer Günther rechnet den Schaden vor: "Machen wir uns nichts vor. Diese Situation wird sich bis zum Jahreswechsel nicht großartig ändern. Das ist ein Schaden im sechsstelligen Bereich, der da sicher entsteht. Den müssen wir irgendwie anders kompensieren. Da müssen wir auch mit der Landespolitik in den Austausch treten."
Günther sieht auch die neue Bundesregierung in der Pflicht. Für den Profisport gibt es vom Bund einen Corona-Hilfsfond – dafür müssten wieder Anträge möglich sein, fordert er.

Breitensport noch härter getroffen

Noch härter trifft es den Breitensportbereich. "Es ist für uns ein zweigeteiltes Schwert", sagt auch Christian Dahms. Er ist Generalsekretär des Landessportbunds in Sachsen. Natürlich stehe der Gesundheitsschutz über allem. Er hinterfragt die Maßnahmen des Landeskabinetts aber schon. Zwar würde die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports immer herausgestellt. "Wenn man aber ausgerechnet dann den Sport als möglichen Pandemietreiber ansieht und ihn dann nicht mehr zulässt, gerade im Freien, dann stellt sich uns die Frage, ist das nicht eventuell zu kurz gesprungen?"
Corona - Droht ein erneuter Stopp des Sports in der vierten Welle?
Zwar habe man in den Monaten der Pandemie alle Maßnahmen und Beschlüsse mit Stellungnahmen begleitet, man wisse auch, dass sie im Innen- und Sportministerium gelesen würden. Häufig würde dann aber in der Abwägung aller Maßnahmen im Kabinett der Sport nicht immer so gesehen, wie man sich das wünsche, so Dahms. Strukturell könne man sicher manches noch besser angehen, meint auch Handball-Geschäftsführer Günther. Aber: "Ich will weder mit dem Finger auf die Politik zeigen noch rummeckern. Ich will einfach nur, dass wir hier Gas geben können, um bis Silvester mit dem Impfen durch zu sein. Das ist das einzige, worum es geht.“

Sorgen um Vereine

Da müsse man jetzt durch, auch wenn es alles andere als schön sei. Aber während die Bundesliga-Handballer noch trainieren dürfen, ist der Breitensport zur Pause gezwungen. Das „hinterlässt auch kleine Wunden, aber das ist auch vielleicht wie ein Muskelkater“, vergleicht LSB-Generalsekretär Dahms die Zwangspause mit einer Sportverletzung. Sollte die aber jetzt noch viel länger andauern, dann sieht er ein größeres Problem auf den Sport in Sachsen zukommen. "Dann, muss ich sagen, haben wir schon viel mehr Sorgen, dass dann einige Vereine an den Rand des Machbaren wirklich kommen."
Damit ist die finanzielle Ausstattung gemeint, mehr aber noch der Verlust von Ehrenamtlichen, vor allem bei den Trainern und im Nachwuchsbereich, aber auch bei Kampf- und Schiedsrichtern. "Ganz wichtig: du brauchst auch jemanden, der einfach mal den Verein führen möchte. In den jetzigen Zeiten, wo auch nicht ganz klar ist, wie man sich rechtlich sicher aufstellt und dann hat man eventuell auch noch mit Strafzahlungen zu rechnen, muss man schauen, haben wir tatsächlich dieses ehrenamtliche Potential noch?"

Handballer rufen zum Impfen auf

Bevor es aber so weit kommt, gilt es erst einmal die aktuelle Not-Situation zu überstehen. Dafür beschwört man auch im Sport den Durchhaltewillen. Leipzigs Handball-Chef Karsten Günther: "Wir müssen uns als allererstes drum kümmern, dass wir hier gesund durchkommen, das Medizinsystem nicht kollabiert und dass wir alle an einem Strang ziehen, um aus der Inzidenzspirale rauszukommen."
Deshalb rufen auch die Leipziger Handballer zum Impfen auf, würden sogar in der Halle eine Impfstation einrichten. Die scheitert bisher aber noch an technischen und bürokratischen Hürden.
Welchen Beitrag der Profisport auch in dieser Situation leisten kann, darüber wird inzwischen auf vielen Ebenen diskutiert. Zum Beispiel auch über einen kompletten Stopp des Profifußballs, zuerst von Helge Leonhardt ins Spiel gebracht. Die Deutsche Fußball-Liga hat den Präsidenten des sächsischen Zweitligisten Erzgebirge Aue aber schnell wieder eingefangen. Ganz aktuell gibt es ähnliche Rufe aus Bremen. SPD-Innensenator Ulrich Mäurer fordert seinerseits einen Stopp. Man müsse in der Krise Prioritäten setzen und ein Fußballspiel abzusichern, gehöre sicher nicht dazu.