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Corona-Notpaket
Kabinett beschließt umfangreiche Wirtschaftshilfen

Das Bundeskabinett hat in der Coronakrise weitere Hilfsmaßnahmen beschlossen - für große wie kleine Unternehmen und Selbstständige. Alle Hilfsprogramme sollen über neue Kredite finanziert werden. Bundesfinanzminister Olaf Scholz plant damit eine Neuverschuldung von 156 Milliarden Euro.

Von Theo Geers |
Olaf Scholz bei der Bundespressekonferenz in Berlin
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (AA / Abdulhamid Hosbas )
Mit einem Hilfsprogramm in noch nie dagewesener Größe greift der Staat Unternehmern und Unternehmen unter die Arme – großen wie kleinen Firmen bis hinunter zu den Ein-Mann—und ein-Frau-Unternehmen, egal aus welcher Branche. Das Motto: Wenn der Abschwung schon nicht vermieden werden kann, dann soll wenigstens die Substanz der deutschen Wirtschaft erhalten bleiben.
Kleine Firmen, Selbständige, Freiberufler, die außer einer Praxis, einem Laptop oder einem Lieferwagen oft nur sich selbst als Kapital haben, können zur puren Existenzsicherung leichter Hartz IV beantragen. Die sonst übliche Vermögensprüfung wird für ein halbes Jahr ausgesetzt.
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Einmalzahlungen für Unternehmen
Zur Sicherung des Unternehmens gewährt der Staat zweitens Direktzahlungen. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten soll eine Einmalzahlung von 9.000 Euro für die nächsten drei Monate über die Runden helfen, bei bis zu zehn Beschäftigten sind es 15.000 Euro.
Schon im April soll das Geld fließen, eine eidesstattliche Versicherung, dass eine Existenzbedrohung oder ein Liquiditätsengpass wegen Corona gegeben sind, reicht.
Daneben können diese Firmen auch Überbrückungs- oder Betriebsmittelkredite über ihre Hausbanken bekommen, die der Staat zum Beispiel über die KfW-Bankengruppe absichert. Zur Frage was dies für die einzelnen bedeutet hatte Finanzminister Olaf Scholz schon vor Tagen beruhigt.
"Wenn es Darlehen gibt, müssen sie zurückgezahlt werden. Die Hilfen zum Lebensunterhalt, die Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden. Und die Zuschüsse natürlich auch nicht."
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Neue Kredite sollen Steuermindereinnahmen abdecken
All diese Hilfsprogramme finanziert der Finanzminister über neue Kredite. Mit diesen deckt Olaf Scholz auch die Steuermindereinnahmen ab, die jetzt durch die Rezession zu erwarten sind. Ferner hat er einen Puffer für etwaige weitere Hilfsprogramme eingebaut. Insgesamt plant Scholz jetzt eine Neuverschuldung von 156,3 Milliarden Euro – nur in diesem Jahr. Dafür ist ein Nachtragshaushalt nötig, außerdem wird für diesen Notfall die Schuldengrenze außer Kraft gesetzt. Besorgte Fragen wie lange das alles durchzuhalten ist wehrt Scholz gestern im ZDF ab.
"Wir können das sehr lange durchhalten. Jetzt zahlt sich aus, dass wir in den letzten Jahren eine sehr solide Haushaltspolitik betrieben haben. Dass der Schuldenstand Deutschlands auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung gesunken ist und wir deshalb in einer solchen Krise die ganze Kraft unserer Gemeinschaft in die Waagschale werfen können."
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Zu diesem Kraftakt gehört auch ein riesiger Schutzschirm, der über die Unternehmen gespannt wird und diese vor einer Pleite oder einer aus deutscher Sicht unerwünschten Übernahme bewahren soll.
Über verschiedene Programme und Fonds stehen insgesamt 600 Milliarden Euro an Kreditermächtigen bereit, für die der Staat bürgt. Die Regierung kann damit Schulden von Unternehmen übernehmen, der Staat kann sich aber auch an Unternehmen beteiligen oder diese ganz übernehmen. Später, wenn die Krise vorbei ist, würden diese Firmen wieder privatisiert.
Änderungen beim Mietrecht
Zum Hilfspaket der Regierung gehören ferner auch Änderungen mit Mietrecht. Wer Einkommensausfälle durch Corona-bedingte Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit hat, dem darf zwischen dem 1. April und dem 30. September nicht wegen Mietschulden gekündigt werden. Das gilt für private Wohnungen ebenso wie für Geschäftsräume, betont Bundesjustizministerin Christine Lambrecht am Morgen in der ARD.
"Da muss dargelegt werden, dass der Zahlungsverzug Corona-bedingt ist und es muss dargelegt werden, dass man sich bemüht hat andere Leistungen zu erhalten, beispielsweise kommt ja in Betracht, dass man Wohngeld erhält oder Familienförderung. Aber jetzt in dieser Situation womöglich Einnahmen zu verlieren und dann auch noch die Sorge zu haben, das Zuhause zu verlieren oder kleinste Gewerbetreibende ihren Laden aufgeben zu müssen, davor wollen wir schützen und deswegen diese Regelung, dass Kündigungsmöglichkeit jetzt erst mal ausgesetzt ist."