Freitag, 19. April 2024

Archiv

Corona-Pandemie in Afrika
Ethiopian Airlines in der Krise

Die äthiopische Fluggesellschaft Ethiopian Airlines gilt als die profitabelste Afrikas. Die Frachtflieger sind ausgelastet, doch das Passagiergeschäft liegt wegen der Coronakrise brach. Die Folgen sind dramatisch: Ganze Regionen sind in Afrika vom Flug- und Warenverkehr abgeschnitten.

Von Marc Engelhardt | 23.05.2020
Eine Frachtflugzeug der Ethiopian Airlines wird am Flughafen in Nairobi entladen
Frachtflugzeuge verteilen Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter auf dem ganzen Kontinent (AFP / Tony Karumba)
Wir gehören in den Himmel, nicht auf den Asphalt – der Spot, den Ethiopian Airlines vor wenigen Tagen ins Netz gestellt hat, legt den Finger mitten in die Wunde. Die meisten der 125 Flugzeuge von Afrikas mit Abstand größter Airline stehen seit April unbewegt auf dem Flughafen von Addis Abeba. Die wirtschaftlichen Folgen für die Fluggesellschaft sind dramatisch, wie CEO Tewolde Gebremariam bei einer Pressekonferenz vor wenigen Wochen erklärte: "In den vier Monaten bis Ende April haben wir Gewinneinbußen von umgerechnet mehr als 500 Millionen Euro verzeichnet. Ethiopian Airlines befindet sich in einer ernsthaften betrieblichen, finanziellen und kommerziellen Krise."
Ethiopian Airlines flog allen voraus
Jahrelang galt Afrika als Wachstumsmarkt. Ethiopian flog allen anderen voraus, versechsfachte seine Passagierzahlen auf zuletzt 12 Millionen pro Jahr - fuhr als einzige Fluglinie des Kontinents Gewinne ein und investierte kräftig in die Flotte. Als erste afrikanische Gesellschaft flog das Unternehmen mit dem Dreamliner nach China und Indien. So steil wie der Aufstieg ist jetzt der Absturz, für fast alle afrikanischen Airlines, weiß Katherine Kaczynska von der Internationalen Luftverkehrs-Vereinigung IATA. "Unsere Prognose geht davon aus, dass afrikanische Fluglinien gegenüber dem Vorjahr sechs Milliarden US-Dollar an Passagiereinnahmen verlieren werden. Zudem besteht das Risiko, dass jeder zweite Job in der afrikanischen Flugbranche verloren geht, das wären 3,1 Millionen Stellen. Im Vergleich zum Vorjahr wird zudem mehr als jeder zweite Flug ausfallen."
Passagiere des ersten Linienflugs zwischen Addis Abeba und Asmara seit mehr als 20 Jahren
Erster Direktflug zwischen Äthiopien und Eritrea
Jahrzehntelang herrschte Funkstille zwischen Äthiopien und Eritrea. Nachdem am 9. Juli ein Freundschaftsvertrag unterzeichnet wurde, fand nun der erste Direktflug von Addis Abeba nach Asmara statt. An Bord gab es gleich mehrere Gründe zu feiern.
Südafrikanische Sicherheitskräfte stellen in Johannesburg eine Straßenblockade auf.
Afrika kämpft gegen das Coronavirus
Das Coronavirus hat Afrika mit Verzögerung erreicht. In Kenia, Uganda, Simbabwe und Südafrika greifen Polizei und Militär unverhältnismäßig hart durch, um Ausgangsbeschränkungen durchzusetzen.
Bisher noch keine Entlassungen
Bei Ethiopian Airlines gibt es nach Angaben des Unternehmens noch keine Entlassungen. Die gut 8.000 Jobs sind gut bezahlt, ganze Großfamilien hängen von ihnen ab. Schon unbezahlter Urlaub, der bei Ethiopian im Gespräch ist, hätte deshalb weitreichende Folgen. Doch die Flugausfälle haben Konsequenzen weit über die Branche hinaus.
Von den 62 afrikanischen Destinationen, die Ethiopian anfliegt, war am Freitag nur Hargeisa in Somaliland erreichbar. Gerade für kleine Länder wie Togo, wo Ethiopian einen zweiten Hub betreibt, Burkina Faso oder Äquatorial-Guinea bedeutet das eine Zwangsisolierung der besonderen Art. Denn Ethiopian ist oft die einzige Fluggesellschaft, die diese Länder mit dem Rest des Kontinents verbindet. So bleiben Passagiere am Boden – und nicht nur sie, wie David Dodge vom Weltpostverein warnt. "Eine der Fakten des weltweiten Postverkehrs, die wenigen bewusst ist, ist die, dass er zu fast 90 Prozent vom Flugverkehr der Passagiermaschinen abhängt. Mit der Aussetzung dieser Flüge ist auch der Postverkehr weitgehend eingestellt worden."
Ganze Regionen sind abgeschnitten
Ganze Regionen in Afrika sind vom Flug- und damit auch vom Warenverkehr durch die Post abgeschnitten. Im Vergleich zu anderen Airlines auf dem Kontinent steht Ethiopian Airlines allerdings verhältnismäßig gut da. Einen Teil seines Geschäftsmodells stellte das Unternehmen kurzfristig um: Tewolde Gebremariam. "Wir haben Hilfsgüter einer Stiftung in 51 afrikanische Länder ausgeliefert. Die afrikanischen Regierungen haben das ausdrücklich begrüßt, denn darunter waren auch wichtige medizinische Güter zur Bekämpfung der Coronakrise: Masken, Handschuhe und Tests."
Addis Abeba: das Drehkreuz für die humanitären WFP-Flüge
Seit einem Monat ist Addis Abeba das Drehkreuz für die humanitären Flüge des Welternährungsprogramms (WFP). Die mehr als zwanzig Maschinen, die Nahrungsmittel und andere Hilfsgüter auf dem ganzen Kontinent und darüber hinaus verteilen, stammen alle aus der Flotte von Ethiopian. Die Cargoflüge halten die Fluggesellschaft vorläufig in der Luft, wie der Ethiopian-Chef einräumt. "Unsere Cargomaschinen sind ausgelastet. Aus mehreren Passagiermaschinen wurden Sitze ausgebaut, um mehr Raum für Fracht zu haben. Das soll sicherstellen, dass wir diese Krise auch überleben und vielleicht sogar stärker aus ihr hervorgehen."
Ein Slum in der philippinischen Hauptstadt Manila (November 2015).
Kirchliche Hilfswerke warnen vor "mehr Hungertoten als Corona-Opfern"
Was passiert, wenn sich das Corona-Virus in Slums verbreitet? Dieses Szenario haben kirchliche Hilfswerke wie "Brot für die Welt" oder "missio" vor Augen. Zugleich warnen sie: Wenn Tagelöhner in armen Ländern unter Ausgangssperre stehen, werden ihre Familien verhungern.
Passagiergeschäft liegt brach
Allerdings macht das Frachtgeschäft gerade mal 15 Prozent des Unternehmensumsatzes aus. Vier Fünftel stammen aus dem Passagiergeschäft. Und das liegt weiter brach. Zwar soll es langsam wieder hochgefahren werden, doch nach Schätzungen der IATA kann es zwei Jahre dauern, bis die Branche sich erholt hat. Für die Staatsairline Ethiopian wird das eine schwierige Zeit. Denn anders als etwa in Europa stehen in Afrika weder Bankkredite noch Staatsgelder bereit, um die Liquidität zu sichern. Dem äthiopischen Staat fehlen dafür schlicht die Devisen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)