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Coronavirus-Pandemie
Die Folgen von COVID-19 für Afrika

Noch immer werden aus Afrika vergleichsweise wenige Infektionen mit dem neuen Coronavirus gemeldet. Dabei hatten viele Experten dort mit besonders dramatischen Szenarien gerechnet. Die Gefahr ist aber noch nicht gebannt – zudem könnte COVID-19 auch Folgen für die Bekämpfung anderer Krankheiten haben.

Von Volkart Wildermuth | 03.04.2020
Das 14-jährige Mädchen Purity Kamonya und ihr siebenjähriger Bruder John Kisare in Nairobi / Kenia
Auch in Kenia schützen sich die Menschen mit Mundschutz vor dem Coronavirus (imago / Zuma Wire / Donwilson Odhiambo)

Wie stellt sich die aktuelle Corona-Situation in Afrika da?

Laut den neuesten Zahlen, die der Direktor des Afrikanischen Zentrums für Krankheitskontrolle und Vorsorge (Africa Centres for Disease Control and Prevention / Africa CDC), John Nkengasong, auf der wöchentlichen Pressekonferenz vorstellte, gibt auf dem ganzen afrikanischen Kontinent nur gut 6.000 Infektionen mit SARS-CoV-2. 220 Menschen sind bislang an COVID-19 gestorben. Der neuartige Coronavirus ist inzwischen in 49 der 54 Nationen des Kontinents nachgewiesen worden.
Passengers from an Ethiopian Airlines flight from Addis Ababa walk past a thermal imaging camera checking for signs of fever as a screening mechanism against signs of infection with the Novel Coronavirus or Ebola, upon their arrival at the Jomo Kenyatta International Airport in Nairobi, Kenya Thursday, Feb. 6, 2020. (AP Photo/Ben Curtis) |
Coronavirus in Afrika - Banges Warten auf den Ausbruch
Ausbau von Laborkapazitäten, Schulungen über Infektionskontrolle, Workshops: Am Africa Center for Disease Control and Prevention in Addis Abeba arbeitet man unter Hochdruck daran, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Am stärksten betroffen sind Länder in Nordafrika, Algerien, Marokko, Tunesien und Ägypten, in die das Virus recht früh vor allem von Europa aus eingeschleppt wurde. Die nordafrikanischen Ländern melden auch drei Viertel der Todesfälle in Afrika. Den zahlenmäßig größten Ausbruch mit rund 1.400 COVID-19 Patienten verzeichnet Südafrika, hier wurden bislang aber nur fünf Todesfälle registriert. In den anderen Ländern der Region steht der Infektions-Ausbruch noch am Anfang.

Ist das Coronavirus in Afrika möglicherweise weiter verbreitet als bekannt?

Die Testkapazität ist ein großes Problem in Afrika. Zu Beginn des Aufbruchs gab es südlich der Sahara nur zwei Labore, die überhaupt in der Lage waren, Tests auf SARS-CoV-2 durchzuführen. Die Laborkapazitäten wurden jedoch schnell ausgeweitet, inzwischen sind Tests in fast allen Ländern verfügbar. Auch dank Trainings des Africa CDC. Inzwischen gibt es auch eine große Zahl von Testkits, die von verschiedener Seite zur Verfügung gestellt wurden: von der Weltgesundheitsorganisation WHO, von der Bill and Melinda Gates Foundation, zuletzt 1,5 Millionen Tests von der Stiftung des chinesischen Internetunternehmers Jack Ma.
John Nkengasong glaubt nicht, dass es in Afrika eine unbemerkte große COVID-19-Epidemie gibt. Der Verlauf der Entwicklung in den einzelnen Ländern passt zu den bisherigen weltweiten Erfahrungen. Vor allem verzeichnet das afrikaweite Überwachungsnetzwerk für Grippe und ähnliche Erkrankungen keinen ungewöhnlichen Anstieg von Lungenentzündungen. Auch die Epidemiologin Anna Kühne von Ärzte ohne Grenzen hat aus den Projekten der Organisation in Afrika noch keine Warnmeldungen erhalten.

Welche Entwicklung ist jetzt für Afrika zu erwarten?

Mit etwas Verspätung erleben auch die afrikanischen Länder einen dramatischen Anstieg der Infektionen. Die Länder wechseln gerade die Strategie, vom Versuch, das Virus an den Grenzen abzufangen, hin zur Verlangsamung der Ausbreitung im Land. Viele Staaten greifen hier auf Strukturen zurück, die im Rahmen der Ebola-Ausbrüche aufgebaut wurden. Die Verfolgung von Kontakten und das schnelle Testen sind ja für beide Krankheiten ähnlich wichtig, auch wenn sich die Übertragungswege unterscheiden. Hier hilft Deutschland schon länger mit mobilen Laboren, die bei einem lokalen COVID-19-Ausbruch vor Ort eingesetzt werden und schnelle Reaktionen erlauben. Auch die App Sormas, entwickelt in Braunschweig für die Organisation der medizinischen Hilfe bei Infektionsausbrüchen, wird jetzt in Ghana und Nigeria zur Bekämpfung von COVID-19 eingesetzt.
Corona-Bekämpfung in Südafrika Unter anderem mit weitegehnden Ausgangssperre versucht Südafrika, die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Doch für viele Menschen in den Townships ist es aufgrund der Lebensbedingungenen schwierig, sich an die Vorschriften zu halten. Die Polizei greift zum Teil mit Gewalt durch.
In einigen Ländern reicht die Eindämmung von lokalen Ausbrüchen allerdings nicht mehr. Südafrika hat deshalb schon Ausgangssperren verhängt. Auch in Lagos, der Hauptstadt Nigerias, herrscht eine ungewohnte, offiziell verordnete Ruhe. Die meisten Regierungen wollen jedoch nicht gleich das ganze Land lahmlegen, sondern nur besonders betroffene Städte und Regionen. Ob das reicht, das Virus einzudämmen, bleibt abzuwarten. Gerade in den Großstädten gibt es riesige Townships, in denen die Menschen dicht an dicht leben, oft ohne einfachen Zugang zu Wasser. Hier Hygiene-Regeln einzuhalten oder Abstand zu halten, ist fast unmöglich.

Sind einfache Verhaltensregeln zum Infektionsschutz bekannt?

Die Kommunikation solcher Verhaltensregeln war in der Vergangenheit oft schwierig. So wurde beispielsweise während der Ebola-Epidemie nicht verständlich vermittelt, warum es problematisch ist an der rituellen Waschung von Toten festzuhalten. Deshalb setzt das Africa CDC in der aktuellen Corona-Pandemie auf offene Kommunikation. Mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ wurde ein Innovationszentrum in Ruanda beauftragt, klare Botschaften in vielen lokalen Sprachen zu entwickeln.
28.01.2020, Nordrhein-Westfalen, Oberhausen: Eine Frau trägt vor einer Apotheke eine Mund- und Nasenmaske.
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Darüber hinaus sollen Gemeindevorsteher, allgemein respektierte Personen und religiöse Führer gezielt angesprochen werden. In Nigeria scheint das gut zu funktionieren. Da laufen viele Gottesdienste inzwischen online. Dagegen ruft der Präsident Tansanias, John Magufuli, seine Landsleute auf, gemeinsam zu beten. Er setzt auf die heilende Kraft des Glaubens. Das zeigt: Auch auf höchster Ebene muss noch Kommunikationsarbeit geleistet werden.

Lassen sich die gesundheitlichen Folgen der Corona-Pandemie für Afrika schon abschätzen?

Das ist derzeit schwierig. Fest steht: Die Zahl der schwerkranken Patienten wird steigen und damit auch der Bedarf an Intensivmedizin. Gerade prüft das Africa CDC die Zahl der Beatmungsgeräte und will dann weitere bestellen. Ob sich aber Produzenten finden, die auch nach Afrika liefern ist unklar. John Nkengasong betonte, dass es sich um ein globales Problem handelt und bat daher auch um globale Hilfe. Er sei sich aber nicht sicher, ob Afrika wirklich so hart getroffen wird, wie beispielsweise Italien. Es handele sich um einen jungen Kontinent. 70 Prozent der Bevölkerung ist nicht einmal Dreißig Jahre alt. Das könnte möglicherweise helfen, mit COVID-19 fertig zu werden.
Auf der anderen Seite ist Mangelernährung in Afrika nach wie vor verbreitet und viele Menschen leiden an anderen Infektionen, an HIV, Tuberkulose oder Malaria. Es ist entscheidend, dass due Bekämpfung des neue Virus SARS-CoV-2 nicht dringend benötigte Mittel und Personal von der Bekämpfung bereits etablierter Erreger abzieht. Schutzmasken beispielsweise sind auch für die Behandlung von Tuberkulosepatienten entscheidend.
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Anna Kühne von Ärzte ohne Grenzen berichtet schon jetzt über Schwierigkeiten für Nichtregierungsorganisationen. Wegen gestrichener Flüge ist es schwierig, Menschen und Material zu den Projekten zu bekommen. Vereinzelt kursieren auch Gerüchte, die ausländischen Helfer würden COVID-19 verbreiten. Möglicherweise besteht die größte Gefahr von COVID-19 für Afrika nicht in den direkten Todesfällen, sondern in den indirekten Auswirkungen für die Bekämpfung von HIV, Tuberkulose und Malaria, die zusammen jedes Jahr 1,5 Millionen Menschenleben fordern.