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Corsogespräch
"Man erbt im Guten wie im Bösen"

Lutz Blochberger und sein Sohn Ludwig haben viel gemeinsam: Beide haben an der Schauspielhochschule Ernst Busch in Berlin studiert, beide haben am Wiener Burgtheater gearbeitet, beide sind des öfteren in Fernsehfilmen zu sehen. Ein Gespräch über die Schauspielerei und Helmut Schmidt.

Lutz und Ludwig Blochberger im Gespräch mit Luigi Lauer | 23.12.2013
    Luigi Lauer: Lutz Blochberger, die Mutter ihres Sohnes ist Puppenspielerin, sie selbst sind seit jungen Jahren Schauspieler. Haben Sie bei der Berufswahl ihres Sohnes eine aktive Rolle gespielt? Gab es Angebote? Gebote? Oder gar Verbote?
    Lutz Blochberger: Das kann man so direkt nicht sagen. Man ist immer vorsichtig und sagt immer, na, ob das das Richtige ist für dein Kind? Man kennt ja den Spruch, er soll lieber was Ordentliches lernen. Aber als man gemerkt hat, dass sich die Spiellaune in diese Richtung entwickelt, dann hat man das vorsichtig unterstützt und Angebote gemacht oder so was. Aber man hat sich dann nicht verhalten wie manche amerikanischen Mütter, wie man das so aus Berichten kennt, die da ihre Töchter und Söhne unbedingt unterbringen möchten. Mein Weg war ganz anders, ich sehe mich noch zwischen Neubaublocks in einem Gebüsch stehen und für die Schauspielschule meinen Text referierend. Und die haben sich dort auch totgelacht, wahrscheinlich auch wegen meines Sächsisch. Da hatte mein Sohn doch andere Voraussetzungen.
    Lauer: Was war daran so anders, mal ganz abgesehen vom Fall der Mauer, der zwischen ihrer beider Ausbildung liegt.
    Lutz Blochberger: Auf alle Fälle hatte Ludwig auch erst mal eine musikalische Ausbildung. Nicht, du warst ja noch bei den Wiener Sängerknaben. Und das ist erst mal eine ganz gute Grundlage, glaube ich. Dann, diese Weltläufigkeit zu haben. Ich habe glaube ich mit 26 zum ersten Mal ein Hotel betreten. Und Ludwig sind da schon japanische Frauen auf der Welttournee - also natürlich nicht ihm allein, sondern dem Chor - durch ganz Japan gefolgt von Hotel zu Hotel. Auch sprachlich fängst du dann schon an als Kind in der Welt mit Englisch zu kommunizieren. Und das war eben in der DDR ein bisschen anders, und nicht so fragt.
    Ludwig Blochberger: Ich war natürlich vorbelastet durch beide Eltern, dadurch lag das nah. Ich bekam irgendwann die Frage, ich glaube so mit 14/15, willst du das denn wirklich? Aber da war ich längst verdorben, weil ich natürlich von der Frucht im Paradies genascht habe. Dadurch hat man es auf der einen Seite einfacher, weil man eben schon mehr drinsteckt, involviert ist, oder auch der Name - ich habe nun auch, das ist auch eher ein Zufall, an der gleichen Schauspielschule studiert. Das kann dann auch von Nachteil sein, weil natürlich gewisse Freundschaften, oder, ich sage mal: Feindschaften, natürlich dann auch schon gelegt sind. Die erbt man dann auch.
    Lauer: Also, man erbt im Guten wie im Bösen?
    Ludwig Blochberger: Man erbt im Guten wie im Bösen. Ja.
    Lauer: Mit 14/15 haben sie am Wiener Burgtheater ihre erste wichtige Rolle gespielt, am Burgtheater war damals auch ihr Vater zu Hause. Er hat mal in einem Interview von diesem Auftritt geschwärmt und erzählt, mit welchem Selbstbewusstsein sie da auf der Bühne neben wirklich großen Kollegen ihrer Zunft standen - wie zum Beispiel Nicholas Ofczarek oder Regisseur Klaus Peymann. Behält man sich diese, ich sage mal, naive Frechheit?
    Ludwig Blochberger: Ich glaube, das kann einem damals noch gar nicht so bewusst gewesen sein. Man ist da vielleicht etwas natürlich oder naiv-respektlos. Also, ich sag immer so im Scherz jetzt wirklich: Ich habe ja in Österreich fast alles erreicht, was man erreichen kann: Sängerknabe, Burgtheater ... Die große Bühne ist mir bisher verwehrt geblieben, also da habe ich doch noch was offen gelassen. Da war ich auch wahrscheinlich zu jung dazu. Man weiß, dass es natürlich schon eine große Chance ist und eine Ehre, also das wusste ich auch immer. Aber ich glaube, man hat eine gewisse Leichtigkeit, die einem dann glaub ich später, mit dem Beruf und mit aller Ausbildung manchmal so ein bisschen verloren geht. Desto professioneller man diesen Beruf macht, und ich kenne das auch nur so von Erzählungen von Kollegen, desto älter die werden, es wird eigentlich immer schlimmer und schwieriger.
    Lutz Blochberger: Ja, das ist richtig.
    Ludwig Blochberger: Hier guckt halt immer jeder zu. Aber nicht nur der Zuschauer, sondern auch man selbst. Und manchmal habe ich das Gefühl, man muss aufpassen, dass man so denkt: Ach, nee, der schon wieder, ach, nee, ich kann es nicht mehr sehen.
    Lauer: Sie standen gerade in Hamburg vor der Kamera für eine Helmut-Schmidt-Lebensdokumentation. Schmidts Amtszeit als Bundeskanzler endete acht Wochen bevor Sie im Dezember 1982 in Ost-Berlin zur Welt kamen. Was waren so Ihre ersten Gedanken, als Ihnen die Rolle angeboten wurde?
    Ludwig Blochberger: Helmut Schmidt, das ist dieser alte Mensch, den ich öfter schon im Fernsehen gesehen habe und wo ich mich immer gefragt habe, warum spricht der manchmal so komisch, der ssspitze Ssstein oder Beissspiel. Was ist denn das, ist das ein Sprachfehler oder eine Attitüde oder ist das ein Dialekt? Weil der eigentlich so deutlich spricht. Und dann hat der aber immer diese kleinen Sprachattitüden fast gehabt, und so ist er mir aufgefallen. Und da ich gerne Dokumentationen gucke, oder auch Geschichte war eines der wenigen Fächer in der Schule, das mich sehr interessiert hat. Ja, es ist eine spannende Persönlichkeit und ich konnte natürlich mit dem Namen etwas anfangen.
    Lauer: Es geht das Gerücht, Helmut Schmidt habe sich mit 200 Stangen Mentholzigaretten eingedeckt, weil ein Verbot droht. Haben Sie vor den Dreharbeiten auch noch schnell gebunkert, so zum Üben?
    Ludwig Blochberger: Fast! Ich muss gestehen, ich bin eine Zeit lang meines Lebens Raucher gewesen, dann habe ich das mal eine Zeit lang unterbrochen. Und habe, aber natürlich nur für die Vorbereitung auf diese Rolle. Nein, ich habe mir zuerst diese Lektüre gekauft, "Auf eine Zigarettenlänge mit Helmut Schmidt". Und da dachte ich mir, och, naja, das willst du jetzt mal ausprobieren. Das sind ja immer so kleine Interviews, und, ja, die Zigarette war zu Ende, und der Text auch. Ich meine, eine historische Person, man hat ja auch wirklich Stoff, sich vorzubereiten, das macht auch richtig Spaß. Zeitgenössisch, er lebt ja immer noch, genau.
    Lauer: Muss man sich als junger Mensch nicht erheblich umstellen, wenn man Helmut Schmidt sprechen will?
    Ludwig Blochberger: Ich hatte das Glück, ich spiele ihn bis 1953. Deswegen, also dieser Duktus des Politikers kommt eigentlich nicht vor. Es ist auch glaube ich das Spannende, weil das zum ersten Mal eben auch eine Zeit aus seinem Leben zeigt, die man so noch nicht gesehen hat. Es gibt ja die Sturmflut und Mogadischu. Ja, ich halte keine Reden, sondern ich ... es zeigt mehr eigentlich die private Seite.
    Lutz Blochberger: Ich hätte dich gerne mal als 80-jährigen Helmut Schmidt gesehen.
    Ludwig Blochberger: Naja, mal gucken, vielleicht kommt‘s ja noch.
    Lauer: Aber es ist doch auch gerade der geruhsame Sprechduktus des älteren Helmut Schmidt, der uns so in den Ohren haften geblieben ist.
    Ludwig Blochberger: Das fand ich eigentlich so toll, als ich mir das erste frühe Interview mit ihm angehört habe. Da habe ich so was erkannt an mir selbst. Ich finde es zum Beispiel auch immer schwierig, wenn man eine Frage gestellt bekommt, dass man überhaupt mal die Zeit bekommt, nachzudenken. Sondern wir quatschen immer alle sofort los. Ich habe die Frage eigentlich nicht verstanden, und selbst wenn ich sie nicht verstanden habe, darf ich mir natürlich nicht die Blöße geben und nicht sagen: Öhm, Entschuldigung, aber ich verstehe die Frage gar nicht. Sondern es wird einfach gequatscht und immer gequatscht und geredet und geredet. Und ich mache manchmal das Spiel, dass ich mir Talkshows angucke und dann höre ich mir die Frage an und denke mir so: Ludwig, was würdest du darauf jetzt sagen. Und dann muss ich ganz oft feststellen, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, was ich jetzt darauf antworten würde. Und dann komme ich mir selber immer total doof vor, dass ich da jetzt gar nicht klug drauf losreden kann. Aber wir sind in so einer Gesellschaft oder in den Medien heutzutage auch immer frech, auch immer alle so cool, du, ey. Und das fand ich eben so gut bei dem Interview, das haben Sie ja vorhin schon mal vorgeführt, diese Entschleunigung. Dass er dann eben erst mal sagt: Ja. Das ist eine gute Frage. Da muss ich erst mal nachdenken. Da dachte ich mir: cool, der hat auch Ecken und Kanten.
    Lauer: Was hat sie sonst an Helmut Schmidt fasziniert?
    Ludwig Blochberger: Bei ihm weiß ich zum Beispiel, er hat ein wahnsinniges Interesse für Kunst, er sammelt Kunst, Klavier gespielt. Da kriege ich ein bisschen was von dem Menschen mit. Und das vermisse ich heutzutage, also ich kann bei unserer Bundeskanzlerin nichts sagen, was eigentlich ihr Hobby ist oder ihr Interesse. Ich meine, das geht einen vielleicht nichts an, das muss man nicht machen. Aber es sind ja dann trotzdem irgend welche Kinderfotos, Familienfotos werden so produziert. Aber ich weiß eigentlich nicht, wo ich dran bin, also liest die jetzt gerne oder geht die gerne ins Konzert oder was gefällt ihr eigentlich nicht. Also das sind wirklich nur so 100 Prozent oder 120 Prozent, das sind so nur Politiker. Und das finde ich schade.
    Lauer: Sind Sie Helmut Schmidt schon einmal persönlich begegnet?
    Ludwig Blochberger: Noch nicht. Ich hoffe ja, dass es eine Voraufführung oder so gibt. Ich würde ihm gerne mal die Hand schütteln, doch. Also, da gibt es bestimmt nicht viele, aber er würde definitiv dazugehören. Ja.
    Lauer: Was würden Sie ihn gerne fragen?
    Ludwig Blochberger: Hmm.
    Lutz Blochberger: Wie war ich?
    Ludwig Blochberger: Ja, bitte, das akzeptiere ich doch so.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.