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Costa Concordia
Schettino-Prozess geht in die entscheidende Phase

26 Jahre und drei Monate Haft fordert die italienische Staatsanwaltschaft für den ehemaligen Kapitän des verunglückten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia. Der wiederum beharrt auf seiner Darstellung, er sei unschuldig am Tod von 32 Menschen. Im Prozess selbst wird es häufig sehr persönlich.

Von Tilmann Kleinjung | 10.02.2015
    Der vormalige Kapitän des verunglückten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" spricht in Giglio vor Journalisten.
    In den nächsten Tagen wird das Urteil gegen Francesco Schettino erwartet. (EPA/MAURIZIO DEGL'INNOCENTI)
    Der Angeklagte hat glasige Augen, einen Schal um den Hals und laut ärztlichem Attest 39,5 Grad Fieber. Dennoch will sich Francesco Schettino nicht entgehen lassen, was sein Anwalt Domenico Pepe zu seiner Verteidigung vorzubringen hat.
    "Er ist nicht vorbestraft. Er ist anständig. Das war ein Unfall, Herr Vorsitzender. Einer dieser verfluchten Unfälle, die jedem passieren können, der zur See fährt."
    Dieser Unfall kostete 32 Menschen das Leben. Am 13. Januar 2012 um 21:45 Uhr rammte die Costa Concordia einen Felsen vor Giglio. Dafür und für alles, was danach geschah, trägt Francesco Schettino die alleinige Verantwortung. So sieht es die Staatsanwaltschaft von Grosseto und errechnet für den Schiffbruch mit Todesfolge eine Haftstrafe von 26 Jahren und drei Monaten.
    Keine mildernden Umstände
    Staatsanwältin Maria Navarro will keine mildernden Umstände gelten lassen. "Er hat die Opfer nie um Verzeihung gebeten, weder in den zahlreichen Interviews, die er in den letzten Jahren gegeben hat, noch in irgendwelchen Erklärungen.
    Es scheint, als wisse er gar nicht, was er gemacht hat. Es scheint, als glaube er seinen eigenen Lügen. Er fühlt sich wie ein unschuldiger, armer, unverstandener Verfolgter."
    Mit allen anderen in Frage kommenden Mitverantwortlichen (vier Besatzungsmitglieder, ein Costa Manager) haben sich die Staatsanwälte vor Prozessbeginn auf ein Strafmaß geeinigt. Sodass seit dem 9. Juli 2013 er alleine vor Gericht stand: Francesco Schettino, 54 Jahre alt. Offenbar ausgestattet mit einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein.
    "Als Kommandant komme ich gleich nach Gott", sagte Schettino vor Gericht in Grosseto, um im selben Atemzug seinen Mitarbeitern auf der Kommandobrücke die Schuld zu geben. Die hätten ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Costa Concordia viel zu nah an der Küste der Insel Giglio befindet.
    "Die Entstehungsgeschichte dieses Unglücks war eine Dummheit. Ein Wort hätte genügt. Klar, gab es einen Fehler. Aber das ist keine Frage des Vertrauens. Sondern da sind eindeutig zugeordnete Aufgaben nicht erfüllt worden."
    Fehlendes Verantwortungsgefühl und Uneinsichtigkeit
    Dem Kommandanten, der sich selbst für Gottes Stellvertreter an Bord hält, fällt es schwer, Verantwortung zu übernehmen. Auch der Costa Reederei gibt Schettino eine Mitschuld. Die hätte aus kommerziellen Interessen die nahe Passage an den Küsten ausdrücklich gebilligt. Deshalb fordert Anwalt Domenico Pepe:
    "Ich verlange für Schettino den Freispruch vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung, weil so viele andere Umstände zum Ausgang dieses Ereignisses mitbeigetragen haben."
    Ausreden und Lügen
    Auch den Anklagepunkt, dass Schettino in der Unglücksnacht vor vielen anderen das sinkende Kreuzfahrtschiff verlassen hat, halten seine Anwälte für falsch.
    Bis zuletzt vertreten sie tapfer die Theorie ihres Mandanten: Francesco Schettino sei nicht freiwillig von Bord gegangen, sondern in das Rettungsboot gefallen. Für die Staatsanwaltschaft ist auch diese Aussage Beleg für ihre Grundthese in diesem Prozess: Schettino lügt, wenn er den Mund aufmacht. Das Plädoyer der Anklage wird an manchen Stellen persönlich, zu persönlich. Schettino sei ein unvorsichtiger Idiot, sagt Staatsanwalt Stefano Pizza. "Ich sage nur: Gott möge Schettino gnädig sein, wir können es nicht."