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Cottbus hofft auf "weiteres Wunder"

Steffen Heidrich, Manager vom FC Energie Cottbus, hat zum Start der Fußball-Bundesligasaison den Klassenerhalt als Ziel seiner Mannschaft ausgegeben. "Und wenn wir das erreichen, denke ich mal, ist wieder ein weiteres Wunder geschehen", sagte Heidrich. Aufsteiger Cottbus ist der einzige Verein aus den neuen Ländern in der obersten deutschen Spielklasse.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Steffen Heidrich, Manager von Bundesliga-Aufsteiger Energie Cottbus, der einzige Ostverein in der Elite-Liga. Guten Morgen!

    Steffen Heidrich: Ja, guten Morgen!

    Müller: Herr Heidrich, nehmen Sie von Anfang an bewusst und offensiv diese Underdog-Rolle an?

    Heidrich: Ja, mit Sicherheit. Ich meine, man traut uns, wie man überall hört, nicht viel zu, und das liegt uns aber, denke ich mal, sehr gut. Das war vor sechs Jahren nicht anders, als wir das erste Mal die erste Liga erreicht hatten. Und letztendlich sind wir dann drei Jahre in der ersten Bundesliga geblieben. Und ich denke mal, das liegt uns sehr gut, wir haben auch keine Stars, und deswegen denke ich mal, ist es auch irgendwo gerecht, dass die Öffentlichkeit so urteilt.

    Müller Warum ist das so schwer für ostdeutsche Vereine, sich in der Liga zu etablieren und zu halten?

    Heidrich: Ja gut, man braucht ja nur auf den Etat zu schauen, da sind wir halt wirklich an 18. Stelle von 18 Mannschaften, und andere Mannschaften haben halt ganz andere Möglichkeiten. Die Region ist mit einer hohen Arbeitslosigkeit, ja, ich sage mal, geprägt. und das ist natürlich nicht gerade förderlich. Und man sieht es auch an dem Jahreskartenverkauf. Wenn man sieht, selbst in Aachen wurden 15.000 Jahreskarten verkauft, dann wurde der Jahreskartenverkauf eingestellt, ganz zu schweigen von Dortmund oder Schalke oder Bayern. Und wir sind da gerade einmal bei knapp 5000 angelangt. Und da sieht man schon mal die Unterschiede.

    Müller: Ist das so, dass die Fans das nicht so richtig goutieren, dass Sie so guten Fußball gespielt haben, in der letzten Saison?

    Heidrich: Ja gut, über guten Fußball kann man sich streiten. Wir waren halt erfolgreich, das ist, denke ich einmal, letztendlich entscheidend. Und ich kann es immer wieder nur betonen, was ich gerade gesagt habe, dass eben gerade durch die hohe Arbeitslosigkeit auch nicht so viel Geld in der Region ist. Und nur so kann ich mir das auch erklären, dass nach der WM, nach diesem Zuschauerboom und dieser Euphorie auch bisher leider nur 5000 Jahreskarten abgesetzt wurden.

    Müller: Das heißt, für die Fans, für Ihre Fans in Ostdeutschland, ist Ihr Angebot immer noch zu teuer?

    Heidrich: Ja, wie auch immer. Wie gesagt, es ist halt in der Region nicht einfach. Aber ich gehe mal davon aus, dass die Fans - das ist ja gerade unsere Stärke auch in der ersten Liga vor vielen Jahren gewesen -, dass diese Euphorie, diese Präsenz im eigenen Stadion durch die Fans, dass das viele Mannschaften auch ein bisschen abschreckt, das kleine Stadion noch dazu. Und das muss auch wieder unsere Stärke sein, um eine realistische Chance zu haben, die erste Liga zu halten.

    Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Heidrich, ist das mit den Fans und mit der Unterstützung und auch mit dem Optimismus in der Region so ein richtiges Problem.

    Heidrich: Nein, ein Problem nicht. Wie gesagt, vor sechs Jahren, wo wir die erste Liga erreicht hatten, und auch davor mit dem Aufstieg und auch jetzt, die letzten Spiele hat man ja gesehen, was da für eine Euphorie geherrscht hat, und da waren die Stadien voll. Aber ich will bloß darauf hinweisen, es wird nicht alles rund laufen, man wird vielleicht auch einmal - ich hoffe es zwar nicht - mal drei, vier Spiele verlieren. Und da muss man die Ruhe bewahren, und da braucht man gerade die Fans. Denn wie problematisch das ist, ja eigentlich überall im Fußball, das kennt man ja. Und wir brauchen die Unterstützung. und ich kann eigentlich nur appellieren, dass wirklich die Fans dann auch ins Stadion kommen. Und ich bin da eigentlich optimistisch, dass dann die einzelnen Spiele trotzdem fast immer ausverkauft sein werden.

    Müller: Ist das heute, Herr Heidrich, in Zeiten der weiteren Kommerzialisierung - es gibt ja jetzt noch viele, viele Millionen mehr für die Vereine durch höhere Übertragungsrechte, die man dort erlöst hat, - ist es nahezu aussichtslos, erfolgreich zu spielen, ohne viel Geld zu haben?

    Heidrich: Nein, aussichtslos nicht. Ich meine, es zeigen ja immer wieder Mannschaften, dass man das auch mit mannschaftlicher Geschlossenheit, mit Teamgeist, mit Willen überbrücken kann. Ich denke mal, eine gewisse Zeit geht das auch. Aber längerfristig, das ist ja klar, dort wo halt mehr Geld ist, ist halt längerfristig auch der Erfolg da, da braucht man nicht um den heißen Brei herumzureden. Und da sind wir halt, wie gesagt, nicht gerade gut aufgestellt.

    Müller: Wenn wir jetzt auf die gesamte Liga blicken: Es gibt ja hin und wieder, Sie haben es gerade angesprochen, Beispiele wie auch Mainz 05, die sich mit einem relativ kleinen Etat dann doch halten können. Aber was muss eine Mannschaft neben diesem Teamgeist auch besitzen, um sich dennoch auch gegen die Großen, gegen Bayern, gegen Dortmund, gegen Schalke durchsetzen zu können?

    Heidrich: Ja, absolut natürlich die physische Stärke. Ich denke mal, die haben wir auch. Wir können die Spiele auch gerade, was die letzte Saison auch gezeigt hat, auch in der 90. Minute noch drehen und das entscheidende Tor machen. Wir sind ja topfit aufgestellt, und das ist einmal eine Grundvoraussetzung, um den anderen Paroli bieten zu können. Und natürlich kommt jetzt dazu, dass man Mut haben muss, es sind ja doch in der zweiten Liga ganz andere Stadien. Da sind eben 50.000, 60.000 Zuschauer und da muss man schon sich zeigen und Körpersprache rüberbringen. Und wenn man da gestärkt reingehen in die Spiele mit einer mannschaftlichen Geschlossenheit, denke ich mal, sind wir auf keinen Fall chancenlos.

    Müller: Wissen Sie jetzt schon, wer Deutscher Meister wird?

    Heidrich: Ja, wenn wir das wüssten, wäre auch die Bundesliga nicht so spannend. Klar gibt es immer wieder, ich sage mal, den gleichen Favoriten, das ist Bayern München. Einfach auf Grund auch, dass sie finanziell am besten aufgestellt sind und dadurch die besten Spieler haben. Aber Fußball schreibt immer seine eigenen Gesetze und deswegen ist es ja auch so interessant, und alle Leute gehen in die Stadien.

    Müller: Und Cottbus?

    Heidrich: Ja, für uns ist es ganz klar definiert: Es kann nur das Ziel Klassenerhalt sein. Und wenn wir das erreichen, denke ich mal, ist wieder ein weiteres Wunder geschehen. Und ich habe jetzt mal gelesen, diesen Dreijahresrhythmus, den wir immer hatten, mit drei Jahre erste Liga, drei Jahre zweite Liga - wenn wir jetzt drei Jahre erste Liga wieder halten könnten, würde ich das gerne unterschreiben.

    Müller: Steffen Heidrich war das, Manager vom Bundesliga-Aufsteiger Energie Cottbus. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Heidrich: Ja, danke auch. Tschüss.