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Couragiert und mit beißendem Witz ausgestatten

Sie überwand ihre Außenseiterrolle als Frau durch Zähigkeit und wurde eine der berühmtesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit. Fanny Lewald war eine der außergewöhnlichsten intellektuellen Gestalten Deutschlands im 19. Jahrhundert.

Von Christian Linder |
    "Ich bin am 24. März des Jahres 1811 zu Königsberg in Preußen geboren und stamme von väterlicher und mütterlicher Seite aus jüdischen Familien."

    So stellte Fanny Lewald gleich im ersten Satz ihrer Autobiografie ihre Außenseiterposition heraus. Der Familie setzte der Antisemitismus so zu, dass der Vater, ein Kaufmann, den ursprünglichen Familiennamen Marcus 1831 in Lewald umbenennen ließ. Da war Fanny Lewald 20 Jahre alt und hatte sich als Frau erst erstreiten müssen, eine Schule besuchen und sich auch privat durch Lektüre weiterbilden zu dürfen. Es waren vor allem die Bücher Heinrich Heines, die ihren Kopf frei gemacht hatten, und als sie später Heine persönlich kennenlernte, dankte sie ihm nach der Begegnung in einem Brief:

    "Sie sind ein ganz entschiedenes, für sich gesondertes Element meiner, in stiller Prosa, dürftigen Jugend gewesen. Ihr 'Buch der Lieder' hat mir die sonnigsten Märchen an den sehr engen Horizont jener Tage gemalt."

    Diese Sätze zeugen von einem individuellen Gebrauch der Sprache, der es Fanny Lewald erlaubte, ihr Leben als Roman zu begreifen und aufzuschreiben. Die "deutsche George Sand", wie man sie bald nannte, hatte ihre ersten, 1843 erschienenen Romane "Clementine" und "Jenny" zwar noch anonym veröffentlicht, aber dann – mit dem Umzug von Königsberg nach Berlin – zeigte sie Flagge und wurde "Berufsschriftstellerin". Sie stritt für die Frauenemanzipation und eine liberale Aufklärung. Wo immer in Europa Sturm aufzog, war die mit sozialistischen Ideen sympathisierende Republikanerin zur Stelle. Paris, Februarrevolution 1848:

    "Dieser Kampf der Nichtbesitzenden gegen die Besitzenden war es, der mir als eine unausbleibliche Gewissheit vor der Seele schwebte ... Nun ist er hereingebrochen, und man weiß ihm nicht anders zu begegnen, als mit der Macht der Bajonette, mit den Kugeln der Kanonen. Kann man denn ... die Menschen zwingen wollen, schweigend die Not zu ertragen, die ihnen unerträglich geworden ist?"

    Eine ungewöhnliche, direkte Frau – so hatte sie in Rom der Oldenburger Gymnasiallehrer und Professor Adolf Stahr kennengelernt. Die beiden standen herum, da sagte Fanny Lewald:

    "Herr Professor, wenn ich noch weiter mit Ihnen sprechen soll, so setzen Sie sich! Für eine Salon-Konversation will ich mir den Nacken nicht verdrehen!"

    Zwischen dem verheirateten Stahr und Fanny Lewald entwickelte sich langsam eine Liebesgeschichte, die – nach Überwindung vieler Widerstände – zu Stahrs Scheidung und der Heirat mit Fanny Lewald führte. Ein glückliches Familienleben in Berlin, und nach all den oft beschwerlichen Reisen kreuz und quer durch Europa – alleine als Frau, was damals auch mutig erschien – genoss Fanny Lewald ihre Berliner Wohnung und führte darin einen Salon, in dem die aufregendsten Personen der Zeit verkehrten, von Ferdinand Lassalle bis zu Theodor Fontane.

    Daneben das tägliche Schreiben. Romane wie "Diogena", "Die Kammerjungfer" oder "Die Familie Darner" sowie Erzählungsbände wie "Villa Riunione" oder "Im Abendroth", die später als "triviale Frauenliteratur" belächelt wurden, aber für ihre Zeit doch von einem bestechenden psychologischen Scharfsinn zeugten.

    Die Literaturwissenschaft hat die Bücher gezählt: 26 Romane, 43 Novellen, 36 autobiografische Schriften und vierzig Feuilletons. Mehr oder weniger allesamt Bestseller, denn Fanny Lewald wollte nicht nur politische Aufklärung in ihren "geschichtlichen Heimatbüchern" leisten, sondern sie wusste durch ihre spontane und ungeschminkte Art zu schreiben auch zu unterhalten. Das Alter brachte dann zwar die üblichen Beschwernisse, doch sie versuchte, sich an ihr Lebensmotto zu halten:

    "Arbeiten und nicht müde werden."

    Der Tod Adolf Stahrs 1876 ließ sie dann doch sehr müde werden:

    "So ich nicht gestorben bin, als ich ihn sterben sah ... werde ich wohl auch weiter leben ... ich begreife es nicht ... "

    Fanny Lewald arbeitete weiter, schrieb unter anderem das Buch "Zwölf Bilder nach dem Leben", 1888, zwölf Jahre nach dem Tod ihres Mannes erschienen und zugleich ihr letztes. Anfang Juli 1889, inzwischen sehr krank, mit schmerzenden Asthmaanfällen aufgrund einer Herzkrankheit, reiste sie nach Dresden und starb dort am 9. August im Hotel Bellevue.