Bangladesch
Shakib Al-Hasan: Die Entzauberung eines Helden

Cricket ist in Bangladesch die populärste Sportart. Aber der politische Umsturz hat einige Ikonen zu Fall gebracht, weil sich die beliebtesten Sportler nicht auf die Seite der Demonstranten stellten. Nun stehen schwere Vorwürfe im Raum, sogar Mord.

Von Felix Lill |
Bangladeshs Cricket-Start Shakib Al Hasan wischt sich den Schweiz vom Gesicht
Shakib Al Hasan ist der beste Cricketspieler Bangladeschs, doch sein Name sorgt heute für Wut. Er und andere Stars hatten sich nicht zum Konflikt geäußert. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS / Mahesh Kumar A.)
Es ist noch nicht lange her, da war der Name Shakib Al-Hasan vor allem mit positiven Dingen verbunden. Der 37-jährige Cricketspieler ist der Beste, den Bangladesch je hervorgebracht hat. Sportjournalisten im Land teilen die Historie des Crickets ein - in die Zeit vor und jene nach Shakib Al-Hasan. Cricket ist der mit Abstand beliebteste Sport in Bangladesch und Shakib Al-Hasan hat eine neue Zeitrechnung begründet. Manche bezeichnen ihn als „Jesus des bangladeschischen Crickets“.
Doch heute sorgt der Name für gereizte Blicke oder sogar Wut in dem südasiatischen Land. Denn Shakib Al-Hasan und die anderen allseits beliebten Cricketstars positionierten sich im Konflikt nicht. Sohanur Rahman , ein 27-jähriger Umweltaktivist, der im Juli und August unter Lebensgefahr auf der Straße protestierte, sagt: "Während der Wochen voller Gewalt durch das Militär und die Polizei gegenüber den Studentenprotesten sind Shakib und die anderen Cricketspieler stumm geblieben. Die Leute verehren Shakib nicht mehr."

Umsturz in Bangladesch

Was war passiert? Wochenlange Proteste im 175-Millionenland sorgten Anfang August für die Flucht von Premierministerin Sheikh Hasina. Sie hatte über eineinhalb Jahrzehnte autoritär regiert. Die Protestierenden hatten gefordert, dass bei der Vergabe von Jobs im öffentlichen Sektor künftig Chancengleichheit gelte – keine Gruppen mehr bevorzugt würden.
Ihr Unmut richtete sich auch gegen ausufernde Korruption, die harte Hand gegenüber kritischen Stimmen sowie hohe Lebenshaltungskosten. Militär und Polizei reagierten mit Gewalt, Hunderte starben. Erst als Sheikh Hasina plötzlich per Helikopter ins benachbarte Indien geflohen war, stellte sich das Militär auf die Seite der Protestierenden. Nun bereitet eine Übergangsregierung Wahlen vor.

Cricketstars halten sich zurück

Was all das mit Cricket zu tun hat? Irgendwie nichts, und doch sehr viel. Die jungen Menschen, die nun das Ende eines brutalen Regimes erkämpft haben, fühlen sich von ihren Stars – vor allem Shakib Al-Hasan – im Stich gelassen. Als Kapitän der Nationalmannschaft Bangladeschs hat Al-Hasan seine Heimat über eineinhalb Jahrzehnte weltweit als große Cricketnation bekanntgemacht.
Fast alle in Bangladesch kennen den Namen Shakib Al-Hasan. Er ist eine Art lebendes nationales Heiligtum. Oder zumindest ist er das gewesen. Wobei Umweltaktivist Sohanur Rahmen findet, Al-Hasan sei schon länger kontrovers gewesen, was viele aber nicht hätten sehen wollen: "Shakib Al-Hasan ist eine komische Art von Allrounder. Er ist für Bangladesch eine wichtige Ressource gewesen. Aber er hat kein soziales Gewissen. Ihn interessiert nur Geld. Er eröffnet neue Geschäfte, promotet sich und seine Marken. Dann hat er Training, ist aber plötzlich wieder weg, weil er ein PR-Shooting hat. Und dann trat er auch noch in die Awami League ein."
Die Awami League ist die Partei der Anfang August gestürzten Sheikh Hasina. Sie war bei den letzten umstrittenen Wahlen einmal mehr in ihrer Macht bestätigt worden. Gleichzeitig wurde Shakib Al-Hasan ins nationale Parlament gewählt – als Mitglied der Awami League. Damals galt der Schritt als Lebensversicherung für die Zeit nach der Karriere. Aber jetzt?

Mordanschuldigungen gegen Al-Hasan

Leo Wigger, Bangladesch-Experte bei der Candid Foundation in Berlin, erkennt in der Figur Al-Hasan auch etwas Tragisches: "Er hat sich ganz, ganz spät in seiner Karriere dazu entschieden, in die Politik zu gehen und sich für die Awami League einzusetzen. Und acht Monate später wurde diese Regierung von den Zeitläuften der Geschichte hinweggefegt. Und plötzlich ist diese eigentlich relativ sichere Entscheidung von Al-Hasan, in die Politik zu gehen und sich ein zweites Standbein aufzubauen, zu einem absoluten Desaster geworden."
Für den gefallenen Volkshelden könnte es noch schlimmer kommen: Bei den Protesten waren mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen. Der Vater eines Gestorbenen, hat Shakib Al-Hasan und weitere Personen der Awami League beschuldigt, für den Tod seines Sohnes verantwortlich zu sein. Denn mehrere Politiker der damaligen Regierungspartei hätten auf direkte oder indirekte Weise ein hartes Vorgehen der Polizei gefordert. Die schoss dann auf Protestierende. Der Fall wurde bei einer Polizeistation in Dhaka aufgenommen und wird nun behandelt. Seither wird der Fall in den Medien breit diskutiert.

Halbherzige Stellungnnahme kommt zu spät

Einige Cricketspieler, die während der Proteste still blieben, haben auf die Mordanschuldigungen gegen Al-Hasan nun schnell reagiert. Der jetzige Nationalmannschaftskapitän Najmul Hossain Shanto schreibt in einem Facebook-Post: „Als Teamkollege und Bruder werde ich in schweren Zeiten für ihn da sein und ich unterstütze die falschen Anschuldigungen gegen ihn nicht, weil ich weiß, dass er sich niemals an unmenschlichen Handlungen beteiligen würde.“
Shanto erwähnte auch, dass er hoffe, in Bangladesch würde bald wieder Licht ins Dunkel der vergangenen Wochen kommen. Aber Protestierende wie Sohanur Rahman finden solche Statements unbefriedigend: "Sie waren ja so lange still geblieben, weil sie alle dachten, dass Sheikh Hasinas Regierung niemals verschwinden würde. Mit Verspätung gaben sie dann eine halbherzige Stellungnahme ab, in der sie sagten, sie hoffen, dass die richtigen Dinge passieren und die Gewalt endet. Sie wollten also die alte Regierung zufriedenstellen und die Menschen auch."
Befrieden können die Cricketstars das Land offenbar aber zumindest teilweise auf dem Platz. Bei Länderspielen in Pakistan haben sie nach dem politischen Umsturz nämlich plötzlich besser gespielt als noch in den Wochen zuvor. Sohanur Rahman sagt: "Sie spüren die Verantwortung, die sie haben. Jetzt gewinnt die Mannschaft aber plötzlich ihre Spiele. Deshalb lässt auch die Wut der Menschen nach." Nach den letzten Spielen ist die Nationalmannschaft dann nach Bangladesch zurückgekehrt – bis auf einen Spieler: Shakib Al-Hasan ist in sein zweites Zuhause in die USA geflogen.