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CRISPR-Cas
Verpasste Chance oder Risiko?

Für den Einsatz von herkömmlicher Gentechnik gibt es strenge Zulassungsverfahren und Regeln. Bisher werden diese auch auf das sogenannte Genome Editing-Verfahren, eine Art Gentechnik light, angewendet. Ob das angemessen ist oder nicht, ist auch unter Wissenschaftlern stark umstritten.

Von Thomas Wagner | 05.11.2019
Eine computerbasierte Darstellung der Genschere Crispr.
Anders als bei klassischer Gentechnik werden beim CRISPR-Cas-Verfahren keine fremden Erbinformationen zugefügt (imago/Science Photo Library)
300 Wissenschaftler haben ihn unterzeichnet - jenen Protestbrief an bundesdeutsche Politiker, der sich gegen allzu große Restriktionen für das sogenannte Genome Editing ausspricht. Und eigentlich hätten es noch viel mehr sein können.
"Ich war keiner davon. Die Sache ist an uns vorbeigegangen. Aber wir hätten ganz klar unterschrieben, jawohl."
Ergebnis kaum von klassischen Züchtungen zu unterscheiden
Denn Karl Schmid, Professor für Nutzpflanzen-Biodiversität und Züchtungsinformatik an der Universität Stuttgart-Hohenheim, gilt als Befürworter des sogenannten Genome Editings. Das ist, vereinfacht gesagt, Gentechnik light: Dabei wird das Erbgut einer Pflanze durch molekularbiologische Eingriffe verändert. Allerdings fügen die Experten, im Gegensatz zur klassischen Gentechnik, keine fremde Erbinformation hinzu.
Vieles von dem lasse sich auch durch klassische Zucht-Techniken erzielen. Nur gestaltet sich der Prozess über mehrere Pflanzengenerationen hinweg viel aufwändiger und viel länger, bis die gewünschten Eigenschaften auftreten. Vom Endprodukt unterscheiden sich nach Ansicht von Karl Schmid mit Genome Editing gewonnene Nutzpflanzen nicht von herkömmlichen Zuchtprodukten:
"Deswegen ist die gezielte Veränderung an einem Ort im Genom durch Genome Editing meiner Meinung nach nicht sehr viel riskanter oder nicht riskanter als die klassische Züchtung, in vielerlei Hinsicht."
EuGH hält strenge Zulassungsregeln für angemessen
Das allerdings wird mancherorts ganz anders gesehen – zum Beispiel in Luxemburg. Dort hat der Europäische Gerichtshof seinen Sitz - und entschied zuletzt erst im September, dass Pflanzen, die mit Mutagenese, einer Technik vergleichbar dem Genome Editing, verändert werden, rechtlich gentechnisch veränderten Pflanzen gleichgesetzt werden – mit allen Konsequenzen: Kennzeichnungspflicht der durch solche Pflanzen hergestellten Lebensmittel, komplizierte Zulassungsvoraussetzungen für Freilandversuche.
"Und dieses Verfahren ist sehr aufwändig und teuer und deswegen für alle Züchtungsfirmen nicht interessant. Sehr viele Organisationen haben festgestellt, darunter die zentrale Kommission für biologische Sicherheit, dass dieses Urteil nicht dem Stand der Forschung entspricht und deswegen an den Stand der Forschung angepasst werden muss. Das heißt: Wenn Mutationen, die mit Genome Editing nicht von natürlichen Mutationen unterschieden werden können, dann muss eine Freisetzung unter irgendwelchen Bedingungen möglich sein", sagt Schmid.
Muss sie nicht, findet dagegen Professor Katja Tielbörger, Vegetationsökologin an der Universität Tübingen. Sie hält die Forderung der 300 Wissenschaftler, die sich für eine Korrektur des EuGH-Urteils durch ein neues Gesetz aussprechen, für höchst bedenklich. Denn:
"Ich habe mir die Unterschriften angeschaut. Und da waren keine Ökologinnen oder Ökologen dabei."
Ökonomen befürchten hohe Risiken durch neue Organismen
Das wäre aber wichtig gewesen, "weil auch die Probleme, die eben durch Genome Editing entstehen, wie zum Beispiel Einkreuzung von Genen in Wildorganismen - das ist ein ökologisches Problem und kein molekularbiologisches."
Und unter ökologischer Betrachtung ergebe sich dann eine sehr viel kritischere Bewertung der neuen Genome Editing-Technik:
"Also wir wissen aus der Invasionsforschung, also neue invasive Arten, dass neue Organismen komplette Ökosysteme umkrempeln können und verändern können. Die Risiken dafür sind zwar sehr gering. Aber wenn man sehr, sehr viele von diesen Organismen hat, dann wird das Risiko plötzlich hoch."
Verhärtete Fronten
Verpasste Chancen für Forschung und Landwirtschaft bei zu großen Restriktionen für das Genome Editing' - oder zu hohe Risiken bei zu geringen Restriktionen? Hier stehen sich die Meinungen der Experten unversöhnlich gegenüber.
"Ich glaube, wir müssen die Möglichkeiten, die uns Genome Editing und die neuen technischen Verfahren bieten, nutzen", meint Baden-Württembergs grüne Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, spricht sich aber für eine gesetzliche EU-Regelung aus, die die Rahmenbedingungen abstecken soll:
"Dabei ist klar, dass man das nicht unkontrolliert tun kann. Aber die Augen davor zu verschließen, dass die Möglichkeiten enorm sind und in anderen Teilen genutzt werden - das wäre für Europa wirklich schade, sich da von der Entwicklung auszuschließen."