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Crystal Meth in der Schwangerschaft
Auswirkungen auf Mütter und Kinder

In Sachsen steigen die Zahlen von Patienten, die wegen Missbrauchs der Droge Crystal Meth stationär behandelt werden müssen. Ein Drittel von ihnen sind Frauen. Eine erste Studie deutet darauf hin, dass die Droge erhebliche negative Auswirkungen auf Schwangere und deren Kinder haben kann.

Von Michael Stang | 26.06.2017
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    Die Droge Crystal Meth kann offenbar negative Auswirkungen bei Schwangeren haben. (picture alliance / dpa)
    "Das sind nicht nur Dutzende Fälle. Wir hatten in den letzten Jahren mehrere tote Säuglinge, die durch Crystal-Abusus seitens der Mutter verstorben sind", sagt Uwe Schmidt vom Institut für Rechtsmedizin in Dresden. Sachsen gilt als Crystal-Hochburg in Deutschland. 2015 wurden dort mehr als 1.600 Patienten wegen Missbrauchs von kristallinem Methamphetamin stationär behandelt. Patienten gibt es in allen Altersstufen. Das Problem betrifft damit auch Frauen im gebärfähigen Alter. Der Oberarzt und Leiter der forensischen Medizin wollte untersuchen, wie stark Schwangere und deren Kinder durch die Droge betroffen sind.
    "In Sachsen liegen diesen Zahlen bei etwa fünf Promille, im deutschlandweiten Vergleich liegt die Zahl bei zwei Promille. Das heißt, wir haben in Sachsen eine deutlich höhere Fallzahl an Methamphetamin-indiziertem neonatalem Entzugssyndrom."
    Der Rechtsmediziner hatte sich die Daten der Universitätsfrauenklinik Dresden aus den Jahren 2011 bis 2015 vorgenommen. Dabei konnte er 105 Frauen identifizieren, die Crystalkonsum während der Schwangerschaft angegeben hatten.
    Viele Auffälligkeiten bei Ultraschalluntersuchungen
    "Auffällig ist, dass diese Frauen nur sehr verzögert eine Schwangerschaftsvorsorge wahrnehmen, zum Teil sind die Schwangerschaften erst in der 30. Schwangerschaftswoche festgestellt worden, teilweise sind die Frauen erstmalig mit der Geburt in die Klinik gekommen."
    Der Crystalkonsum wirkt sich nicht nur negativ auf den mütterlichen Körper aus, sondern auch auf den des Kindes. Bei den Ultraschalluntersuchungen haben die Mediziner viele Auffälligkeiten bemerkt, vor allem was die Entwicklung des Fötus in Bezug auf Körpergewicht, Körperlänge und Kopfumfang betrifft.
    "In den durchgeführten Ultraschall-Untersuchungen haben wir bei 25 Kindern eine deutliche Wachstumsretardierung, also eine verzögerte Entwicklung feststellen müssen, elf Kinder hatten einen zu kleinen Kopfumfang, eine sogenannte Mikrozephalie. Das sind natürlich Fehlbildungen, die auf das Kind Einfluss nehmen."
    Auffällig sei zudem, dass die Crystal konsumierenden Frauen deutlich früher entbinden. Uwe Schmidt und seine Kollegen haben eine zehnfach erhöhte Rate unterhalb der 34. Schwangerschaftswoche festgestellt, zudem eine vierfach erhöhte Rate an Frühgeborenen unterhalb der 37. Schwangerschaftswoche. Von den 105 untersuchten Frauen haben 96 in der Dresdener Klinik entbunden, dabei es gab vier Totgeburten. Die statistische Belastbarkeit der Zahlen sollen weitere Untersuchungen zeigen, dies sei nur eine erste Pilotstudie gewesen, so Uwe Schmidt. Dennoch seien diese Zahlen alarmierend. Zudem gebe es noch keine Langfristdaten, das heißt, mögliche Langzeitschäden bei betroffenen Kindern sind noch nicht absehbar.
    Projekt soll drogenabhängigen Schwangeren beim Ausstieg aus der Sucht helfen
    "Aus unserer Sicht sind zwei Dinge wichtig: Erstens: Dass man bei Schwangeren, die Auffälligkeiten in ihrem Schwangerenverlauf aufweisen, dass man daran denkt, dass möglicherweise auch ein Substanzmittelmissbrauch, ein Crystal-Abusus, dahinterstehen kann. Zum anderen ist es ganz wichtig, dass man diese versucht besonders sorgfältig in die Schwangerenvorsorge einzubinden, dass man denen auch eine Hilfestellung gibt und dass man natürlich die Kinder, wenn sie auf die Welt kommen, überwacht, das heißt, derartige Kinder mit einer Crystal konsumierenden Mutter, sind eigentlich Fälle, die in ein besonders spezialisiertes Haus gehören."
    Die Dresdener Kinderklinik hat dazu den Crystal-Pfad entwickelt. Das Projekt soll drogenabhängigen Schwangeren und Müttern beim Ausstieg aus der Sucht helfen. Die Rechtsmediziner planen zudem eine Kooperation mit Kollegen aus Ústí nad Labem in Tschechien, um betroffene Frauen beiderseits der Grenze zu unterstützen.