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CSU beharrt auf klare Regeln beim Hebelmechanismus

Noch kenne er die genauen Richtlinien nicht, wie der Hebelmechanismus des erweiterten Rettungsschirms EFSF genau funktionieren solle, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Klare Forderung seiner Fraktion sei aber, dass die Haftungsobergrenzen für Deutschland nicht erhöht werden dürften.

Stefan Müller im Gespräch mit Bettina Klein | 20.10.2011
    Bettina Klein: Viel Gesprächsbedarf im Vorfeld des EU-Gipfels, ich habe es erwähnt, auch beim französischen Staatschef Sarkozy offensichtlich, der gestern ja überraschend am Abend nach Frankfurt reiste, um unter anderem mit der Kanzlerin hier in Deutschland zu sprechen. Ganz klar war ja nicht, worum es konkret und im Detail ging.

    Mitgehört hat Stefan Müller, er ist der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Müller.

    Stefan Müller: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Hatten Sie denn schon Gelegenheit, in diese Richtlinien hineinzuschauen?

    Müller: Nein. Wir haben ja gehört, die sind heute Nacht an die Fraktionen verschickt worden, werden verteilt, werden parallel dazu aber auch ausgewertet. Also es war bisher noch nicht möglich, dieses 70-seitige Papier von vorne bis hinten auch wirklich durchzusehen und auszuwerten. Was natürlich die Kollegen und auch insgesamt unsere Fraktion besonders interessiert ist die Frage, wie es mit diesen sogenannten Effizienzsteigerungsmaßnahmen aussieht, also Hebelwirkungen, und dazu findet sich ja bislang jedenfalls noch nichts, dazu wird auch noch weiter verhandelt auf Arbeitsebene und das bleibt von daher auch erst mal abzuwarten.

    Klein: Wie ist denn das weitere Verfahren heute, was auf Fraktionsebene sich abspielen wird?

    Müller: Wir werden voraussichtlich heute im Laufe des Tages eine Fraktionssitzung haben, allerdings natürlich unter der Voraussetzung, dass wir auch eine letztlich endgültige Fassung dieses Regelwerks haben, dieser Ausführungsbestimmungen haben, und dann wird dort auch der Bundesfinanzminister über die Beratungen über diese Leitlinien berichten, und dann wird es die Möglichkeit geben, auch entsprechend Fragen zu stellen, auch das zu diskutieren.

    Klein: Es ist ja ein bisschen kompliziert. Der Bundesfinanzminister hat ja noch mal betont, dass sozusagen es nicht mehr um eine Vergrößerung der Gesamtsumme geht. Inzwischen wissen wir alle, wenn diese Hebelmechanismen kommen, in welcher Ausgestaltung auch immer, wird sich das Risiko möglicherweise erhöhen. Das heißt, es ist ja im Grunde genommen noch gar nicht absehbar, welche höheren Verpflichtungen möglicherweise mittel- und langfristig auf die Euro-Staaten zukommen?

    Müller: Ja. Es ist vor allem deswegen noch nicht absehbar, weil wir ja eben nicht wissen, was genau vorgeschlagen wird und was dort auf Arbeitsebene auch zwischen den Finanzministerien der Euro-Zonen-Länder verhandelt worden ist. Deswegen bleibt das alles abzuwarten. Es ist natürlich auch alles, was in den letzten Tagen stattgefunden hat, pure Spekulation. Es gibt konkret zwei Vorschläge. Das eine ist eben diese sogenannte Banklösung, also dem EFSF eine Banklizenz zu geben, ihm die Möglichkeit zu geben, dann auch direkt Kredite auszuleihen und sich über die EZB zu refinanzieren. Das ist etwas, was Deutschland ablehnt, weil wir da zu einer Vermischung von Finanz- und Geldpolitik kommen, die wir nicht wollen. Und die andere Lösung ist dann diese, wie ja auch gerade schon genannt worden ist, Ausfallversicherung, wo also der EFSF die Kredite nicht selber vergibt, sondern für einen bestimmten Teilbetrag dann garantiert, für Anleihen, die die Länder selber ausgeben, garantiert. Aber das ist wieder wie gesagt auch Spekulation, weil wir nicht wissen, was der konkrete Vorschlag ist. In jedem Fall ist es so, dass nicht jede Art der Effizienzsteigerung auch zu höheren Risiken führt. Für uns ist klar: Die Haftungsobergrenzen für Deutschland sollen nicht erhöht werden und wir brauchen auch klare Regeln, wie diese Hebelmechanismen oder Effizienzsteigerungen dann auch aussehen und für was solche Garantien ausgesprochen werden.

    Klein: Herr Müller, die Vorschläge stehen ja im Raum. Man wird sehen, wer sich dann am Ende durchsetzen wird. Wenn es Deutschland, wenn es der Kanzlerin nicht gelingen wird, sich mit dieser angestrebten Versicherungslösung durchzusetzen, stimmen Sie auch für die andere Variante in der CSU?

    Müller: Wie gesagt, darum geht es ja im Augenblick gar nicht. Für uns ist klar: An der Haftungsobergrenze für Deutschland darf sich nichts ändern. Es muss bei diesen 211 Milliarden bleiben. Davon ist dann auch abhängig, wie die weitere Diskussion läuft, und wir gehen davon aus, dass es dabei auch bleiben kann, und wir werden wie gesagt jetzt heute im Laufe des Tages das auswerten, was kommt. Wir werden dazu die Möglichkeit haben, auch in der Fraktion beraten. Wir warten trotzdem auf die endgültige Fassung dieser Ausführungsbestimmungen und dann wird sich der Haushaltsausschuss damit befassen und am Ende auch zustimmen.

    Eines ist auch klar: Ohne eine vorherige Zustimmung des Haushaltsausschusses kann die Bundesregierung am Wochenende diesen Ausführungsbestimmungen nicht zustimmen.

    Klein: Und was dann?

    Müller: Dann wird man sehen. Jedenfalls haben wir eine klare Vereinbarung getroffen. Das ist auch so in dem Gesetz festgelegt, das wir vor drei Wochen beschlossen haben. Wenn neue Programme beschlossen werden sollen, wenn Deutschland neue Risiken eingeht, muss der Bundestag insgesamt dem zustimmen. Wenn es um die Umsetzung von einzelnen, schon bestehenden Programmen geht, ist der Haushaltsausschuss zu befassen und muss zustimmen. Und ausdrücklich haben wir festgelegt, dass diese Ausführungsbestimmungen der Haushaltsausschuss vorher beschließen muss, und die Bundesregierung ist daran gebunden.

    Klein: Sie haben es angedeutet. Als das letzte Gesetz im Bundestag verabschiedet worden ist, kam aus Ihrer Partei sehr stark vom Parteivorsitzenden Seehofer, auch von Generalsekretär Dobrindt die Botschaft, "Bis hierhin und nicht weiter!". Das war die Linie Ihrer Partei im Zusammenhang mit der letzten Abstimmung zum EFSF. Auch wenn es um Hebelmechanismen gehen würde, deren Risiken ja einfach noch nicht absehbar sind, würde man auf die CSU nicht rechnen können. Ändert sich daran jetzt etwas?

    Müller: Nein. Noch mal: Es spricht nichts dagegen, die Instrumente, die dieser EFSF hat, auch möglichst effizient einzusetzen. Das darf aber nicht dazu führen, dass sich das Haftungsrisiko erhöht, und wenn es einen sogenannten Hebel gibt, zum Beispiel in dieser Versicherungslösung, dann ist uns wichtig, dass die Haftungsobergrenzen für Deutschland nicht erhöht werden und dass es diese klaren Regeln gibt, wofür Garantien ausgesprochen werden dürfen.

    Klein: Wie bewerten Sie den Streit im Augenblick darüber? Muss es zu einer Abstimmung im Plenum kommen? Es gibt ja Stimmen aus der Opposition, die sagen, wir brauchen, egal was jetzt kommt, noch mal eine Abstimmung im Plenum, es reicht nicht aus, im Haushaltsausschuss darüber noch mal zu verhandeln und abzustimmen.

    Klein: Ich finde diese Diskussion etwas merkwürdig, weil vor drei Wochen ja auch SPD und Grüne dem Gesetz zugestimmt haben, und wir haben ausdrücklich festgelegt, dass über jedes neue Programm immer dort, wenn Deutschland zusätzliche Verpflichtungen eingeht, der Bundestag insgesamt abstimmen muss, dass aber, wenn es um die Umsetzung von einzelnen Programmen geht, der Haushaltsausschuss abstimmt, und ausdrücklich haben wir festgelegt, dass über diese Ausführungsbestimmungen nun der Haushaltsausschuss berät, bevor die Bundesregierung zustimmen kann. Also wie gesagt, diesem Gesetz haben auch SPD und Grüne zugestimmt. Deswegen wundere ich mich, wenn jetzt auf einmal Forderungen kommen, den Bundestag insgesamt damit zu befassen.

    Klein: Stefan Müller war das. Vielen Dank, Herr Müller, für die Einschätzungen. – Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Wir bewegen uns hier auf die Nachrichten zu im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen im Deutschlandfunk.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.