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CSU droht Mittel-Streichung für Aufbau-Ost - Bayern will Gelder wegen SPD-PDS-Zusammenarbeit verweigern

Adler: Herr Eppelmann, weht da ein frischer Wind aus Bayern herüber, oder ist dieser Wind sogar schon eisig zu nennen?

    Eppelmann: Nun das ist ein rauhes Windchen, bei dem ich nicht so genau weis, warum, weshalb und weswegen. Da kenne ich die bayerischen Befindlichkeiten zu wenig. Ich muß auch gestehen, daß ich im neuen Jahr noch keine Möglichkeit hatte, mit unseren bayerischen Freunden reden zu können.

    Adler: Wird in Ostdeutschland der Sozialismus rekonstruiert?

    Eppelmann: Ich habe nicht den Eindruck. Selbst dort nicht, wo es politische Modelle gibt wie in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern. Die nenne ich hier vor allem. Man muß einfach zur Kenntnis nehmen - und das hat Herr Huber an der Stelle vielleicht ein bißchen verdrängt -, daß zum Glück nicht alle Menschen in den neuen Bundesländern Wähler der PDS sind, sondern daß das vielleicht ein Fünftel ist. Das ist meiner Meinung nach zu viel, aber viel, viel weniger, und dafür kann man nun nicht alle bestrafen. Außerdem ist das, wenn ich es richtig sehe - und ich meine nicht, daß ich mich dort irre -, ein völlig falscher Weg, den er dort beschreiten möchte. Was wir an der Stelle brauchen ist verständnisvolle Politik und überzeugendes Handeln, aber nicht angedrohten Liebesentzug für alle, wenn sich über einige geärgert hat.

    Adler: Wie kommen denn diese starken Sprüche oder dieses rauhe Windchen, wie Sie es sagen, aus Bayern in den neuen Bundesländern an?

    Eppelmann: Fatal, gar keine Frage. Da kann es keinen einzigen geben, der dafür Verständnis aufbringen kann oder das gar noch unterstützen möchte.

    Adler: Herr Eppelmann, wenn man sich die Wählerzahlen der Bundestagswahl im September anschaut, dann war es ja vor allem Ostdeutschland, das sich von der CDU zurückgezogen hat. Wie hilfreich sind denn jetzt diese bayerischen Vorstöße, die CDU wieder mitten in das Leben zurückzubringen, wie das Ihre Generalsekretärin Frau Merkel gerne möchte?

    Eppelmann: Bezogen auf das, was gegenwärtig aus Bayern gekommen ist, ist das kontraproduktiv. Damit kann man tatsächlich keinen Menschen überzeugen. Deswegen habe ich vorhin bewußt von Liebesentzug geredet. Das ist im Zusammenleben der Menschen miteinander generell so, nicht nur in dem Falle, daß es natürlich Konflikte gibt, wenn man unterschiedlicher Meinung ist und sich ärgert. Das wird man aber nicht durch einen Rundumschlag regeln können, bei dem man dann selbst nach dem Verständnis von Herrn Huber nicht nur die schlägt, die die Schläge verdient haben, sondern man schlägt viele, viele andere auch, und damit wird alles nur noch schlimmer, generell schlimmer und für einen selbst, wenn man dies veranlassen möchte, natürlich in besonderer Weise. Das ist also noch einmal kontraproduktiv schlimm und mindestens nicht zu Ende gedacht. Ich hoffe, daß wir an dieser Stelle wieder mehr Sachlichkeit hineinkriegen und Herr Huber deutlich macht, daß er dort weit übers Ziel hinausgeschossen hat.

    Adler: Hier bei uns im Rheinland gibt es ja die fünfte Jahreszeit. Was dort mitunter gesagt wird, das ist nicht immer so ganz ernst zu nehmen. Wie sehen Sie denn das bei den Kollegen Ihrer Schwesterpartei in Bayern? Glauben Sie, daß diese Kollegen tatsächlich meinen was sie in diesen Tagen sagen, oder ist das die Opposition, die über das Ziel hinausschießt?

    Eppelmann: Da müßte ich jetzt spekulieren, Frau Adler. Dazu habe ich nicht so schrecklich viel Lust.

    Adler: Gut, dann spekulieren wir nicht; dann reden wir über die Unterschriftencampagne. Die läuft ja darauf hinaus, daß man mit seiner Unterschrift entweder dafür oder dagegen ist, also entweder für die doppelte Staatsbürgerschaft oder dagegen. Platz für Differenzierungen läßt eine solche Aktion eben nicht. Ist sie dann in dieser Frage überhaupt geeignet?

    Eppelmann: Wenn sie so wäre, wie Sie sie eben beschrieben haben, dann wäre sie vorsichtig ausgedrückt sehr wenig hilfreich und wenig geeignet. Ich habe in den letzten Tagen schon versucht deutlich zu machen: Eine nur scheinbar billige Unterschriftensammlung, um von der Anzahl her möglichst viele Stimmen zusammenzukriegen die sagen, nein, wir wollen das so auf keinen Fall, das wäre wenig hilfreich für das ausgesprochen komplizierte Thema, vor dem wir uns befinden. Hier geht es um eine differenzierte Darstellung, so daß ich davon ausgehen muß - wir als Bundesvorstand und Präsidium werden uns ja jetzt erst am Wochenende intensiv damit befassen können, daß es um eine differenzierte Darstellung der Probleme geht -, daß auch die, die sich bisher dazu geäußert haben, deutlich machen, nein, das darf es nicht sein. Eine generelle Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft ist genauso falsch wie eine generelle Befürwortung. Die Ankündigung der rot/grünen Bundesregierung könnte den Eindruck erwecken, daß es dort um eine generelle Befürwortung geht. Dagegen möchte ich sein; das kann kein Automatismus sein. Wür müssen jetzt gemeinsam überlegen - und da gibt es bisher auch in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland für meinen Eindruck zu viele Emotionen und zu wenig sachliche Informationen -, was kann und was muß an dieser Stelle getan werden. Daß etwas getan werden muß, darüber waren sich eigentlich viele auch in der letzten Legislaturperiode schon einig. Wir haben uns bloß nicht auf ein gemeinsames, eine Mehrheit überzeugendes Modell verständigen können. Das ist jetzt dran, das muß getan werden, und ich hoffe, daß das mit sehr viel mehr Kopf passiert, viel mehr Sachlichkeit und Differenziertheit, als das in den letzten Tagen gewesen ist.

    Adler: Vor allem auch von den beiden Unionsparteien, die ja erst den Vorschlag für die Unterschriftenaktion gemacht haben und dann erst Überlegungen anstellen, wie denn der eigene Ansatz aussehen soll. War das eine richtige Vorgehensweise?

    Eppelmann: Lassen Sie mich zwei Dinge dazu sagen: Einmal glaube ich, so ist es zumindest fehlinterpretiert worden. Wir wissen ja bis jetzt zu wenig darüber. Wir reden ja jetzt am Wochenende das erstemal darüber, über Texte und Methoden, wie das konkret aussehen könnte. Ich kann mir eine solche Befragung nur dann vorstellen, wenn sie mit Informationen einhergeht oder diese sogar vorgegeben werden. Das heißt, diejenigen die Unterschriften sammeln, müssen bestens informiert sein, um Gespräche führen zu können, und sie müssen das Bestreben haben, zu informieren und zu überzeugen, nicht bloß um Unterschriften zu sammeln. Das zweite möchte ich aber auch sagen. Das erste, was letztlich die Sache ins Rollen gebracht hat, ist eine Ankündigung der Bundesregierung gewesen, zu einer generellen Befürwortung der doppelten Staatsbürgerschaft zu kommen. Das ist der erste Ansatz gewesen, auf den dann, wie ich betonen möchte, einzelne, sicher gewichtige Menschen in den beiden Unionsparteien reagiert haben. Wie jetzt die Parteien an sich, zumindest die Union darauf reagieren wird, das läßt sich erst im Arbeitnehmerzentrum von Königswinter feststellen, wenn wir darüber geredet haben.

    Adler: Ihre Partei und auch die Schwesterpartei CSU hat deutlich gemacht, was sie nicht will. Was will sie? Wie wird sie sich positionieren? Wie wird sich die CDU in der Staatsbürgerschaftsfrage positionieren?

    Eppelmann: Hier möchte ich nicht das tun, worüber ich mich bei anderen geärgert habe, eine Position als die der CDU zu äußern, ohne daß die CDU darüber intensiv geredet hat. Ich kann im Augenblick auch bloß sagen, was ich nicht will, oder grundsätzlich sagen, was ich möchte. Ich möchte eine Integration, eine mindestens in Einzelbereichen auch verbesserte Integration. Es gibt eine Fülle von Menschen unter uns - und deswegen gibt es dort auch Probleme -, die die Erfahrung machen, daß nicht alle, die nicht in Deutschland geboren sind, oder daß nicht alle, die bisher nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, tatsächlich im Vollsinn des Wortes in unsere Gemeinschaft integriert werden wollen. Denen soll man das dann auch nicht als eine automatische Liebesgabe - ich sage das mal sehr locker - hinterherwerfen. An der Stelle ist, glaube ich, noch nicht zu Ende gedacht. Ich wünsche mir an dieser Stelle ein differenziertes Vorgehen. Das wird aber, wenn es verantwortlich und weiterhelfend geschehen soll, erst nach einer offenen, vorurteilsfreien Diskussion mit allen Betroffenen, mit der Bevölkerung und den gesellschaftlichen Institutionen, möglich sein. Das ist bisher ein Prozeß, der sich immer noch am Anfang befindet, und da sind wir noch nicht am Ende. Von daher kann ich der Union selber nur wünschen, daß wir unsere Schularbeiten machen, die wir zum Teilerst gelöst haben, und da sind wir noch nicht sehr weit gekommen.

    Adler: Herr Eppelmann, würden Sie bestätigen, daß die Frage, die Diskussion um die Staatsbürgerschaft mißbraucht wird, damit sich die Union jetzt in ihrer Oppositionsrolle profilieren kann?

    Eppelmann: Nein, das glaube ich nicht. Der Verdacht oder die Gefahr, daß diese Diskussion mißbraucht wird, etwa durch die Unterstützungsbemerkung des rechten Spektrums in den letzten Tagen, kann ich nicht von der Hand weisen. Nun ist es aber so, wenn man sich zu einem bestimmten Punkt äußert, daß auch die Gefahr des Mißverständnisses besteht. Ich meine, daß das ein Thema ist, das sich denkbar schlecht dafür eignet, im Wahlkampf benutzt zu werden. Das sollten wir auf keinen Fall tun. Das möchte ich im Augenblick aber auch keinem unterstellen. Ich habe bisher weder die Möglichkeit gehabt, mit Angela Merkel noch mit Wolfgang Schäuble noch mit jemand anderem über dieses Thema reden zu können, und so wie ich sie bisher kenne, würde ich ihnen das nicht unterstellen.

    Adler: Besteht die Gefahr, daß sich die Union über die Zerstrittenheit in dieser Diskussion spaltet?

    Eppelmann: Das glaube ich nicht. Wir haben ja zum Teil auch emotional gefärbt in der letzten Legislaturperiode über dieses Thema in der Fraktion geredet. Wir haben uns an der einen oder anderen Stelle auch gestritten. Die Frage aber, deswegen gehen wir auseinander, weil wir uns an der Stelle nicht einigen können, hat meines Wissens eigentlich nie bestanden. Ich bin auch überzeugt davon, daß die inhaltlichen Unterschiede, die es an dieser Stelle bei uns gibt, geringer sind, als es gegenwärtig den Anschein hat. Das liegt eben daran, daß hier von der Meinung der CDU geredet worden ist und wir uns dazu zumindest in dieser Legislaturperiode weitergehend noch keine Meinung gebildet haben.

    Adler: Also doch der zweite Schritt vorm ersten?

    Eppelmann: Es ist meiner Meinung nach nicht besonders geschickt gewesen, ja.

    Adler: Das war Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Mitglied der CDU. Herr Eppelmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.