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CSU-Europapolitiker: EU muss effizienter werden

Die Zahl der europäischen Kommissare solle von 24 auf 14 reduziert werden, fordert die CSU. Manfred Weber (CSU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei, schlägt vor, dass der EU-Kommissionspräsident dann seine Kommissare selbst bestimmen darf.

Manfred Weber im Gespräch mit Doris Simon |
    Doris Simon: Im Wahljahr 2013 verlangt die CSU ein Sparprogramm. In diesem Fall nicht für Griechenland, auch nicht für Deutschland, sondern für die Europäische Kommission. Die Zahl der europäischen Kommissare soll von derzeit 27 auf 14, inklusive Kommissionspräsident und EU-Außenbeauftragte, zusammengestrichen werden. Die Regel "Ein Kommissar pro Mitgliedsland" würde damit entfallen. Künftig sollte rotiert werden, sagt die CSU. Zudem müssten Verwaltungskosten und Gehälter der EU-Beamten gesenkt werden. Das sind nur einige der Forderungen.

    - Am Telefon ist jetzt Manfred Weber. Er ist Vorsitzender der CSU-Grundsatzkommission und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volkspartei. Der gehören auch CDU und CSU an. Grüße Sie, Herr Weber!

    Manfred Weber: Ja, guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Vorneweg die Frage: An wen richtet sich die Forderung nach der Verkleinerung der Europäischen Kommission? Wer soll da jetzt aktiv werden?

    Weber: Ja, die Verkleinerung der Kommission setzt eine Vertragsveränderung voraus. Und so sind auch die Vorschläge der CSU-Landesgruppe jetzt gedacht, dass im Rahmen der Diskussion, wie geht es jetzt mit Europa weiter – wir haben ja die Van-Rompuy-Vorschläge, wir haben Barroso-Kommissionsvorschläge auf dem Tisch. Es wird in dem nächsten Jahr eine Debatte über die weitere Ausrichtung Europas geben, und da gehören die Vorschläge mit dazu. Und das Grundsignal ist Effizienz auf allen Ebenen. Wenn die EU-Kommission und Europa den Mitgliedsstaaten Vorgaben macht, sie sollen bitte effizienter werden, sie sollen sparsamer werden, dann muss Europa mit gutem Beispiel vorangehen. Und das zweite große Signal der CSU ist, wir wollen Vielfalt in Europa und keinen Einheitsbrei, das heißt echten Föderalismus.

    Simon: Das heißt, es müsste sich im Zweifelsfall erst mal die Kanzlerin für diese Forderungen einsetzen. Sie, Herr Weber, wissen ja, dass der Vorschlag der Halbierung oder Reduzierung der Kommission alt ist. Das gab es schon im Nizza-Vertrag, damals haben die kleinen EU-Länder sich erfolgreich gewehrt, vorne ran Bayerns Nachbar Österreich. Das gab es dann auch im Lissabonner Vertrag von vor drei Jahren. Da haben es die Staats- und Regierungschefs ausgesetzt. Das heißt, das ganze Ding ist im Prinzip nicht durchsetzbar, weil ja immer alle zustimmen müssen und die Kleinen sind dagegen. Deswegen die Frage: Geht es der CSU bei dieser Kommissionsverkleinerung nur um eine Schlagzeile? Oder wie wollen Sie es durchsetzen?

    Weber: Nein. Wir dürfen aber doch Diskussionen um die Weiterentwicklung der europäischen Ebene nicht damit beginnen, so nach dem Motto, was dürfen wir überhaupt diskutieren, was ist überhaupt machbar. Sondern wir müssen doch die Frage stellen, was ist richtig. Und wenn heute 27 und zukünftig, wenn Kroatien beitritt, 28, vielleicht noch mehr Kommissare um einen Tisch herumsitzen, dann leuchtet jedem einzelnen Bürger ein, dass das nicht der effizienteste Ansatz ist. Die Bundesregierung hat 16 Mitglieder, die bayrische Staatsregierung hat elf Staatsminister. Und wir haben auf europäischer Ebene 28 Kommissare. Da mussten sogar Portfolios geschaffen werden extra, also Themen, Zuständigkeiten geschaffen werden, damit die überhaupt sozusagen einen Titel hatten. Und das leuchtet jedem, auch in Brüssel, wenn wir ehrlich sind, vielen ein, dass wir da mehr Effizienz brauchen. Vielleicht wäre sogar in der weiteren Debatte über diese Frage der Größe der Kommission auch interessant, mal einen Gedanken aufzugreifen, den Wolfgang Schäuble eingebracht hat, nämlich: Warum sollten wir nicht die EU-Kommission zukünftig als europäische Regierung definieren? Und da ist es wie in Berlin, wäre es dann ähnlich, dass ein dann gewählter Kommissionspräsident eigenständig seine Regierung zusammenstellen kann. Dann hätte man auch die Diskussion weg von wegen kleine, große Staaten. Wir hätten dann mehr politische Partizipation auf europäischer Ebene.

    Simon: Aber diese Diskussion, kleine, große Staaten ist ja ganz real. Denn auch in der CSU geht ja niemand davon aus, dass Deutschland da rotieren würde. Das würden ja nur die kleinen. Und Sie kriegen doch hautnah mit als stellvertretender Fraktionsvorsitzender in der EVP die Sorgen Ihrer Kollegen, sagen wir mal aus Österreich, Belgien, Niederlanden oder Malta, um nur ein paar kleine Länder zu nennen, nämlich dann keine eigene Stimme mehr zu haben und so unter die Räder zu kommen, wie das jetzt schon bei, sag ich mal, Entscheidungen der Staats- und Regierungschefs ist. Da ist es ja de facto schon so, dass Deutschland und Frankreich und Großbritannien und vielleicht ein oder andere Mal der andere noch mitredet, die anderen aber nicht mehr. Dieselbe Situation auch in der Behörde in Brüssel? Das können Sie doch nachvollziehen?

    Weber: Das stimmt. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Deutschland ist auf europäischer Ebene das größte Land, derzeit sowieso mit der Euro-Rettung ein sehr dominantes Land. Und deshalb ist Zurückhaltung und auch die Fragestellung, dass wir die Kleinen mitkommen lassen, absolut nachvollziehbar. Aber ganz ehrlich gesagt, auch ein Malteser versteht, dass Deutschland, Frankreich, Italien eine andere Rolle in der EU spielen, als das Malta spielt. Also das ist jetzt keine Sensation auch für die kleinen Staaten. Wir müssen einen Ausgleich hinbringen. Und entscheidend ist, ob man vielleicht neue Wege geht. Ich habe den Vorschlag gemacht, ob man das wirklich als eine Regierung denkt, wo der Kommissionspräsident Vorschläge macht. Wissen Sie, in Deutschland ist eine Bundesregierung ohne einen Minister aus NRW oder ohne einen Minister aus Bayern, egal wer regiert, auch nicht denkbar. Das heißt, die großen Länder sind da natürlich immer vertreten.

    Simon: Aber sie sind in der Länderkammer alle dabei. Und genau so eine zweite Kammer haben wir nicht.

    Weber: Die haben wir schon, nämlich im Ministerrat. Jedes Gesetz in Europa, das beschlossen wird, geht durch das Europäische Parlament, wo die Abgeordneten sitzen. Und durch den Ministerrat, wo jedes Land am Tisch sitzt und wo jedes Land auch in der doppelten Mehrheit eine Stimme hat. Also insofern ist das schon vernünftig. Übrigens könnte man auch darüber nachdenken, ob man eigentlich, wie wir das in Deutschland haben, mit dem Prinzip des Staatssekretärs. Ob man vielleicht auch einen maltesischen Kollegen dann als Vizekommissar, als Staatssekretär sozusagen etabliert in einem Dossier. Es geht uns um Effizienz auf der europäischen Ebene. Und da muss jedem einleuchten, dass, wenn wir jetzt schon 28 Kommissare bald haben, dass das so nicht weitergehen kann.

    Simon: Aber dass das schwer durchsetzbar ist, das wissen Sie auch?

    Weber: Da ist jetzt vieles von dem, was auf der Tagesordnung steht, schwer durchsetzbar. Zum Beispiel glauben wir als CSU eben, weil wir ein Stück weit wieder für die Subsidiarität, für den Föderalismus werben in Europa. Genauso, wie wir das übrigens in Deutschland über Jahrzehnte hinweg als CSU, als Bayern gemacht haben, werben wir in Europa darüber, jetzt auch mal darüber nachzudenken, ob man nicht manche Kompetenzen auch mal wieder zurückverlagern könnte von der europäischen Ebene. Um Ihnen ein konkretes Beispiel zu nennen: Die Frage, ob in Bayern gentechnikveränderte Lebensmittel angebaut werden oder Saatgut ausgebracht wird, muss nicht europaweit zentral entschieden werden. Das kann auch in Bayern, in Sachsen, in Oberösterreich eigenständig in den dortigen Ländern entschieden werden. Und da gibt es Themenfelder, wo man mehr Föderalismus zulassen können wieder und ein Stück vielleicht auch Rückverlagerung. Und es gibt aber natürlich auch Themenfelder, wo wir mehr Europa brauchen.

    Simon: Herr Weber, erklären Sie mir nur, warum muss in einem Jahr, wo in Bayern ja einiges los ist, jetzt zuletzt auch, es kommen Wahlen auf Sie zu, es gibt Arbeit im Bund, da gibt es auch Wahlen, in der Regierung auch ist die CSU aktiv – warum bringen Sie jetzt das Thema Europa nach vorne? Hat das auch was mit Ablenken von Themen hier zu Hause zu tun?

    Weber: In keinster Weise. Bayern braucht sich ja weiß Gott nicht verstecken. Wir zahlen in diesem Jahr eine Milliarde Euro Schulden zurück. Das macht sonst kein einziges Bundesland, geschweige denn in Europa andere Länder. Das heißt, wir hätten überhaupt keine Notwendigkeit, von den bayrischen Erfolgen abzulenken, aber Europa wird im Wahlkampf, sowohl auf Bundesebene als auch dann ein Jahr später bei der Europa-Wahl ein zentrales Wahlkampfthema sein. Vor allem diktiert durch die negativen Jahre jetzt mit der Krisenbewältigung. Und da möchte die CSU jetzt bei der Landesgruppensitzung in Kreuth schon das Signal ausbringen, jetzt diskutieren wir nicht nur die Krisen, das Krisenmanagement, der Euro-Rettungskurs ist richtig, den die Kanzlerin geht. Aber wir sollten nicht nur diesen Weg, diese Frage diskutieren, sondern jetzt die Weiterentwicklung Europas diskutieren. Genauso, wie das die CDU auf ihrem Parteitag gemacht hat, macht das jetzt die CSU-Landesgruppe auch. Ich glaube, dass das konstruktive Beiträge sind, die wir jetzt einbringen, zum Beispiel auch bei der Europawahl die Abgeordneten direkt zu wählen, wie wir das vom Bundestag auch kennen. Europa ein Gesicht zu geben und damit mehr Verankerung zu geben. Da müssen wir dran arbeiten, weil die Distanz eindeutig zugenommen hat die letzten Jahre.

    Simon: Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber. Herr Weber, vielen Dank für das Gespräch!

    Weber: Ich bedanke mich.

    Simon: Wiederhören!

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