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CSU fordert flexiblere Arbeitszeiten für Eltern

Ab Montag trifft sich die CSU in Wildbad Kreuth zur politischen Kursbestimmung. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt spricht im Interview über die familienpolitischen Werte ihrer Partei - und plädiert für eine Elternteilzeit für die Kindererziehung.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Katharina Hamberger | 06.01.2013
    Katharina Hamberger: Frau Hasselfeldt, die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag in Wildbad Kreuth steht kurz bevor. Sie stellen dort auch die Weichen für das kommende Jahr, das ja auch durchaus spannend wird für die CSU, weil – sie wählen im Bund und sie wählen in Bayern. Ein großes Thema, über das Sie auch in Wildbad Kreuth sprechen werden, ist Europa und der Euro. Ist das Ihrer Meinung nach der beste Weg, mit so einem abstrakten Thema in das Wahljahr zu gehen?

    Gerda Hasselfeldt: Die Staatsschuldenkrise in Europa hat uns alle, die Bevölkerung und uns in der Politik, in den vergangenen Monaten stark in Anspruch genommen und beschäftigt. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, wir haben Solidarität in Europa gezeigt, aber auch deutlich gemacht: Hilfen gibt es nur dann und nur so lange, wie auch die Bedingungen und die Auflagen erfüllt werden, die von der Troika gesetzt werden. Das heißt, wir sind nicht den Weg gegangen, der von Rot-Grün und einigen anderen Euroländern auch vorgeschlagen wurde, in eine Schuldenunion, sondern wir sind den Weg gegangen in eine Stabilitätsunion.

    Hamberger: Sie sind aber auch nicht den Weg der "roten Linien" gegangen, den Herr Seehofer vorgeschlagen hatte oder unbedingt wollte. Ist denn diese Politik auch vorbei?

    Hasselfeldt: Diese roten Linien sagten immer: Hilfen nur dann, wenn Bedingungen erfüllt werden, wenn Auflagen erfüllt werden. Und das haben wir eingehalten. Wir sind nicht über den Rahmen gegangen, den wir uns gesetzt haben. Wir haben die deutschen Steuerzahler nicht überfordert, und das war uns in der CSU ein großes Anliegen.

    Hamberger: Wenn Sie sagen, wir haben die deutschen Steuerzahler nicht überfordert: Es könnte ja sein, dass in diesem Jahr doch noch einiges auf den deutschen Steuerzahler zukommt. Wer wird denn derjenige sein, der ihnen sagen muss, wie viel er zahlen muss?

    Hasselfeldt: Das ist nicht absehbar, dass auf den deutschen Steuerzahler zusätzliche Belastungen wegen der Staatsschuldenkrise zukommen. Sondern wir haben gerade mit der letzten Griechenlandentscheidung Vorkehrungen dafür getroffen, dass nur die Zinsgewinne für weitere Hilfen verwandt werden. Das heißt also, dass wir mit den Hilfen für Griechenland nicht Gewinne machen wollen. Das ist das, was wir entschieden haben.

    Hamberger: Wenn wir mal beim Steuerzahler beziehungsweise beim Bürger bleiben: Wie wollen Sie das denn schaffen, eben jetzt im kommenden Wahljahr, das abstrakte Thema Europa/Euro den Bürgern näher zu bringen?

    Hasselfeldt: Es ist in der Tat so, dass Europa mehr ist als der Euro. Und das wollen wir in Kreuth auch zum Ausdruck bringen, auch mit einem Papier, das dort zur Abstimmung steht. Wir wollen deutlich machen, dass es auch um die Reformen von Institutionen in Europa geht und um effizientere Strukturen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass wir in jedem europäischen Land, auch in Deutschland, große Anstrengungen unternehmen zum Konsolidieren der öffentlichen Haushalte, und die EU-Kommission und die EU-Institutionen bleiben dabei außen vor. Das geht nicht, und deshalb wollen wir, dass auch dort sehr sparsam mit den Steuergeldern umgegangen wird. Dass beispielsweise auch bei den Verhandlungen, die jetzt anstehen über die mittelfristige Vorausschau, das heißt also über die Haushalte der nächsten Jahre in Europa, ein Deckel gesetzt wird bei einem Prozent des Brutto-Nationaleinkommens. Dass die Zahl der Kommissare reduziert wird, am besten halbiert wird. Und dass Europa sich konzentriert auf das, was wirklich europapolitisch harmonisiert und gemeinsam geregelt werden muss und sich nicht um solche Dinge wie beispielsweise Frauenquote kümmert.

    Hamberger: Haben Sie darüber eigentlich auch mit Ihren EU-Abgeordneten gesprochen, wenn Sie jetzt auch sozusagen in die Europapolitik eingreifen?

    Hasselfeldt: Die Kollegen aus dem Europäischen Parlament werden bei unseren Beratungen in Kreuth mit dabei sein. Das ist eine gute Tradition. Ich finde, es ist ein ganz großes Pfund in der CSU, dass wir in Europa, im Bundestag und im Landtag und in den Kommunen gemeinsam Verantwortung tragen. Und gerade diese enge Bindung Europaparlament und Bundestag wird bei diesen Klausurtagungen immer sehr deutlich. Die Kollegen aus dem Europäischen Parlament sind informiert über unsere Vorschläge, wir diskutieren in Kreuth auch intensiv darüber mit ihnen.

    Hamberger: Haben Sie schon Signale erhalten?

    Hasselfeldt: Von den ersten Gesprächen her sind es positive Signale.

    Hamberger: Wenn wir auch noch mal zurück eben zum Bürger gehen: Sie haben auch vorgeschlagen, dass man Wahlkreise einführen soll für die Europawahl, auch schon für die kommende. Ist das denn tatsächlich ein Mittel, um Europa näher an die Bürger heranzubringen?

    Hasselfeldt: Uns ist es wirklich ein großes Anliegen, Europa nicht als das ferne Europa bei den Bürgern zu sehen, sondern auch den engen persönlichen Kontakt der Europapolitiker mit der Bevölkerung herzustellen. Unsere Europaabgeordneten sind sehr viel im Land unterwegs, aber es ist halt nicht die regionale personelle Verantwortung, wie wir sie bei den direkt gewählten Bundestags- und Landtagsabgeordneten zum Beispiel haben. Und deshalb setzen wir uns dafür ein, dass wir auf europäischer Ebene auch Direktwahlkreise bekommen, um diesen engeren persönlichen Bezug und die persönliche Verantwortung der Europaabgeordneten mit einer Region und deren Bevölkerung herzustellen.

    Hamberger: Ist denn für Sie Europa ein attraktives Thema für den Wahlkampf?

    Hasselfeldt: Ich glaube, dass durch die Diskussionen der letzten Monate und Jahre Europa den Bürgern schon ein Stück näher gekommen ist. Auch die Problematik, dass wir in Europa manches neu regeln müssen, manches mehr gemeinsam regeln müssen, gerade in der Finanzpolitik. Anderes aber auch – vielleicht nicht nur europäisch harmonisieren müssen, sondern in den einzelnen Regionen und Nationalstaaten regeln müssen. Das Interesse an Europa, an der Weitergestaltung Europas, ist meines Erachtens gestiegen.

    Hamberger: Also es ist ein Wahlkampfthema?

    Hasselfeldt: Es ist ein Thema, das die Leute bewegt. Und es ist auch ein Thema, bei dem man deutlich machen kann, dass Rot-Grün andere Vorstellungen hat als wir. Auch wenn die Sozialdemokraten und weite Teile der Grünen bei einigen Entscheidungen der letzten Monate mit uns gestimmt haben, ist das Verlangen von Sozialdemokraten und Grünen und Linken, dass auf europäischer Ebene eine Transferunion oder gar eine Schuldenunion einzurichten. Das ist etwas ganz anderes als das, was wir wollen. Wir wollen eine Stabilitätsunion. Wir wollen, dass jedes Euroland für sich stabil sich entwickelt, einen soliden sparsamen Haushalt fährt und auch für sich selbst die Strukturen so ändert, dass es auch wettbewerbsfähig ist. Dazu gibt es eben diese Auflagen und Bedingungen bei den entsprechenden Hilfen, dazu gibt es heute mehr Überwachungs- und Kontrollmöglichkeiten als das früher der Fall war. Das ist ein mühsamer Weg, aber wir sind auf diesem Weg ein großes Stück weitergekommen. Wenn ich nur an den Fiskalpakt zum Beispiel denke, an dem sich immerhin 25 Staaten mittlerweile beteiligen – Staaten, die in ihren eigenen Verfassungen jetzt nationale Schuldenbremsen eingeführt haben und sich dazu verpflichten: Das wäre vor zwei Jahren noch nicht denkbar gewesen.

    Hamberger: Im Zusammenhang mit der Stabilität von Eurostaaten erwähnen sie auch in ihrer Vorlage für Kreuth das Thema der geordneten Staatsinsolvenz. Das ist ja ein Thema, das immer wieder auftaucht bei ihnen in der CSU. Ist das denn eigentlich im Endeffekt vielleicht nur noch ein Feigenblatt, um die Euro-Skeptiker in der Partei einzufangen?

    Hasselfeldt: Das ist ein Anliegen, das wir seit längerer Zeit schon immer wieder in die Debatte bringen. Und es hat sich herausgestellt, gerade bei der Situation in Griechenland, dass es schon hilfreich gewesen wäre, wenn wir ein solches Verfahren hätten. Wir haben mit der freiwilligen Gläubigerbeteiligung bei Griechenland gesehen, wie schwierig es ist, dies auf freiwilliger Basis herzustellen, wenn es keine Regeln dafür gibt. Es ist dann gelungen. Und ich weiß auch, dass so ein Verfahren für eine geordnete Staateninsolvenz nicht von heute auf morgen einzurichten ist und in einer Zeit, die von Krisen gezeichnet ist, natürlich noch schwieriger ist, so etwas einzurichten. Trotzdem sollten die Arbeiten daran nicht auf die Seite geschoben werden, sondern angegangen werden.

    Hamberger: War es denn im vergangenen Jahr hilfreich, dass immer wieder diese Staatsinsolvenz gefordert wurde für Griechenland, besonders eben aus Ihrer Partei?

    Hasselfeldt: Es hat zumindest nicht geschadet und hat den Blick darauf gerichtet, dass es von Grund her auch notwendig ist und wir sind durch die Entwicklung in Griechenland in unserer Meinung bestärkt worden.

    Hamberger: Wenn wir mal weggehen von Europa und nach Deutschland kommen und den Wahlkampf mal in den Blick nehmen: Welche Themen wollen Sie denn als CSU im Wahlkampf noch setzen? Es ist ja angeblich laut dem Vorsitzenden der Freien Wähler in Bayern so, dass Sie doch nur noch wenig zu bieten hätten. Hubert Aiwanger hat jüngst gesagt: "Die haben kein Thema mehr, da kann man die CSU nur mit den Piraten vergleichen, inhaltlich ist das gleich null." Stimmt das?

    Hasselfeldt: Nun, wir haben sowohl in Bayern als auch im Bundesgebiet eine hervorragende Arbeitsbilanz. Wir haben deshalb keinen Grund, etwas Neues zu erfinden oder mit einem Paukenschlag die Richtung zu ändern, sondern im Gegenteil. Die wirtschaftliche Entwicklung ist in Bayern noch besser als auf Bundesebene, die sozialpolitische Entwicklung, die Situation der Kinderbetreuung – all das kann sich nicht nur sehen lassen, sondern ist hervorragend. Wir haben noch nie so viele Beschäftigte gehabt wie jetzt. Das alles kommt nicht von alleine, sondern hängt auch mit einer richtigen Wirtschaftspolitik, übrigens auch den richtigen Entscheidungen bei der Europolitik und auch einer guten Sozialpolitik zusammen. Das heißt nicht, dass wir uns auf diesen Ergebnissen ausruhen können. Und das heißt schon gar nicht, dass wir übermütig werden dürfen. Sondern das bedeutet, dass wir gut daran tun, auf diesem Weg solide weiter zu arbeiten. Und da gilt es auch zum Beispiel, solchen Vorschlägen, wie die Sozialdemokraten und Grünen sie bringen in Richtung zusätzliche Steuereinnahmen durch Steuererhöhungen, entgegenzuwirken oder auch Umverteilungsorgien entgegen zu wirken. Das schadet der weiteren positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Und von dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung sollen auch alle profitieren. Und deshalb ist uns ein Anliegen, und gerade in der CSU ein Anliegen, auf zwei Punkte noch besonders hinzuweisen, nämlich einmal auf die Notwendigkeit einer Lohnuntergrenze in den Breichen, in denen keine Tarifabschlüsse vorhanden sind. Und zum Zweiten aber auch auf die Problematik der Zeitarbeit hinzuweisen. Hier gibt es einige gute Ansätze in einigen Branchen, aber wenn sich das nicht auf alle Branchen weiter konzentriert, müssen wir auch darüber nachdenken, ob wir nicht eine gesetzliche Regelung brauchen nach dem Motto: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Das heißt also: Positive wirtschaftliche Entwicklung verbunden mit dem Ziel, es muss gerecht zugehen im Land, und alle müssen von dieser positiven wirtschaftlichen Entwicklung profitieren.

    Hamberger: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk mit der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt. Frau Hasselfeldt, wir haben gerade eben über den Wahlkampf gesprochen, über die anstehende Zeit. Wenn man jetzt mal ein Themengebiet herausgreift – ich würde gerne auf die Familienpolitik schauen, weil in der vergangenen Zeit es das Einzige ist, dass man von der CSU im Gedächtnis hat, was die Familienpolitik betrifft: Das Betreuungsgeld. Können denn die Christsozialen auf diesem Gebiet noch etwas anderes bieten?

    Hasselfeldt: Das Betreuungsgeld war für uns ein ganz wichtiger Schritt, weil es dazu führt, dass Wahlfreiheit nicht nur auf dem Papier steht, sondern auch wirklich praktiziert wird. Und zwar Wahlfreiheit dahin gehend, dass diejenigen Eltern, die ihre Kinder unter drei Jahren nicht in einer Kinderkrippe betreuen lassen, sondern das privat organisieren, egal ob sie erwerbstätig sind oder nicht erwerbstätig sind, eben dann monatlich ein Betreuungsgeld erhalten. Und es halt nur gerecht ist, wenn auf der einen Seite 1000 Euro etwa für einen Krippenplatz ausgegeben werden, dass dann auch 150 Euro für die Betreuung zuhause ausgegeben wird. Das alleine kann es aber nicht sein. Die Familien brauchen neben der Betreuungsunterstützung auch eine finanzielle Unterstützung. Und sie brauchen auch die entsprechende Zeit, um Kinder zu erziehen oder vielleicht auch pflegebedürftige Angehörige zu pflegen. Und deshalb müssen wir hier auch noch ein Stück weiter denken. Einmal dahin, dass Unternehmen sich auf diese Situation mehr einstellen müssen. Es kann nicht sein, dass die Familien sich nach den Bedingungen der Arbeitswelt nur richten, sondern es sollte zunehmend so sein, dass auch die Arbeitswelt sich nach den Familien richtet. Und zum Zweiten müssten wir aber auch nachdenken darüber, ob es auch noch gesetzlichen Handlungsbedarf gibt oder Empfehlungen geben kann. Wir denken zum Beispiel daran, dass ähnliche Regelungen, wie wir bei der Altersteilzeit haben vielleicht auch auf die Familienzeit übertragen werden können.

    Hamberger: Wie könnte das aussehen?

    Hasselfeldt: Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass Mütter oder Väter für einen überschaubaren Zeitraum sagen, ich verzichte auf einen Teil meines Gehalts. Und dieser Teil, auf den ich jetzt verzichte, den kann ich später verrechnen für Zeiten, in denen ich mehr für die Familie, für meine Kindererziehung beispielsweise dann zur Verfügung stehe. Das heißt ein Stück weit mehr Flexibilität, was nicht unbedingt mehr kosten muss, weder für den Staat noch für den Arbeitgeber, sondern durchaus von dem Arbeitnehmer selbst finanziert wird, aber mehr Freiheit, mehr Flexibilität und die Zeit dann für die Kinder, wenn sie notwenig ist. Und das ist eben ganz unterschiedlich. Bei den einen ist es in jungen Jahren notwendig, bei anderen eben erst in späteren Jahren.

    Hamberger: Sie wollen das also nicht festlegen auf kurz nach der Elternzeit oder Kindergartenzeit, sondern man kann das auch später dann einsetzen?

    Hasselfeldt: Genau. Es ist, glaube ich, auch ein Trugschluss zu glauben, dass Kinderbetreuung immer nur in den ersten Jahren wichtig ist. Bei manchen Kindern stellt sich die intensivere Betreuungsnotwendigkeit auch in der Pubertät erst ein. Das hängt auch sehr stark von den Bedürfnissen der einzelnen Familien ab. Das ist ganz unterschiedlich, auch natürlich unterschiedlich aufgrund der Situation der Partner.

    Hamberger: Wie wollen Sie die Unternehmen denn dazu bringen, da mit zu ziehen? Im Endeffekt werden die sagen, es gibt jetzt die Elternzeit, es gibt den Anspruch auf einen Kitaplatz, es gibt das Betreuungsgeld Und jetzt sollen wir auch noch eine Elternteilzeit akzeptieren?

    Hasselfeldt: Es ist richtig. Wir haben eine ganze Reihe von sehr guten familienpolitischen Leistungen. Ich glaube, das wird auch gelegentlich immer vergessen, weil man es als selbstverständlich nimmt. Es ist ein großer Strauß von unterschiedlichen familienpolitischen Leistungen. Wir geben auch relativ viel Geld dafür aus. Und trotzdem ist es so, dass wir bei der Geburtenzahl ziemlich am Ende der Skala vergleichbarer Länder stehen. Und meine feste Überzeugung ist, dass der eigentliche Reichtum für einen selbst, für eine Familie, aber auch für die Gesellschaft die Kinder sind. Und deshalb haben wir schon die Aufgabe, immer wieder neu zu überdenken, warum ist es so, dass in Deutschland so wenige Kinder geboren werden. Und da ist nach den neuesten Untersuchungen diese Zeitfrage eine ganz entscheidende. Und da muss man eben überlegen und auch mit allen Betroffenen, auch mit Unternehmern und mit Vertretern von Verbänden diskutieren, was ist der sinnvollste Ansatz, wie können wir junge Familien auch dazu ermuntern, durchaus auch neben einer beruflichen Tätigkeit sich für Kinder zu entscheiden. Und wie können wir dazu beitragen, dass diese Kinder in unserer Gesellschaft auch eine gute Zukunft haben.

    Hamberger: Aber glauben Sie denn wirklich, dass sich junge Frauen besonders dafür entscheiden, Kinder zu bekommen aufgrund einer Elternteilzeit? Am Ende werden sie diejenigen sein, die dann trotzdem vielleicht auf die Arbeit verzichten, eben diese Elternteilzeit machen, weil sie im Endeffekt ja auch weniger verdienen im Durchschnitt als Männer – noch, leider. Glauben Sie denn, dass Sie damit Frauen animieren können?

    Hasselfeldt: Ich glaube, dass es nicht nur um Frauen geht. Wir müssen in der Gesellschaft ein Umdenken auch erreichen, dass Kindererziehung nicht nur eine Angelegenheit von Frauen und Müttern ist, sondern auch eine Angelegenheit von Männern und Vätern.

    Hamberger: Wie wollen Sie da Überzeugungsarbeit leisten?

    Hasselfeldt: Nun, das geht nicht von heute auf morgen, und das kann auch die Politik alleine nicht machen. Aber ich habe schon den Eindruck, wenn ich heute junge Familien ansehe – ich kann auch in meine eigene Familie hineinschauen – und betrachte, wie sich junge Väter auch mit ihren Kindern beschäftigen, dann hat sich da schon vieles geändert. Und ein ganz entscheidender Schritt zu dieser Änderung war die Einführung des Elterngelds mit den Vätermonaten. Das war für die gesellschaftliche Akzeptanz der Väterrolle eine ganz wichtige Entscheidung, auf die ich heute noch stolz bin.

    Hamberger: Die Tatsache, dass Sie jetzt solche Themen mit auf die Agenda setzen und auch sagen, wir müssen die Familien stärken und wir müssen nicht nur gucken, dass man immer nur auf Frauen schaut, sondern dass man sagt, man bringt auch die Männer mehr in die Verantwortung, ist das ein Zeichen von Sinneswandel in der CSU?

    Hasselfeldt: Also ich habe schon immer die Meinung vertreten – sonst wäre ich auch nicht in dieser Partei –, dass wir eine ganz moderne Partei sind, die aber auf einem festen Wertefundament steht. Eine Partei, die nicht nach dem Zeitgeist geht und nicht nach Beliebigkeit entscheidet, sondern ein festes Wertefundament hat. Und zu diesem Wertefundament gehört ein hoher Stellenwert der Familie. Das wurde gelegentlich so interpretiert, dass wir nur an der traditionellen Familie oder an dem, was unter traditionellem Familienbild verstanden wird, festhalten wollen. Das heißt, ein Haupternährer – meistens der Mann – und die Frau macht dann den Haushalt und die Kindererziehung. Das ist schon lange vorbei. Ich selbst habe das auch anders praktiziert. Ich war immer berufstätig, habe zwei Kinder, habe ein tolles Verhältnis zu den beiden Kindern. Unsere Familie lebt wirklich aktiv, trotz der starken beruflichen Beanspruchung. Es ist machbar, und es ist auch in einer CSU-Familie oder gerade da machbar. Das ist meine feste Überzeugung. Und meine Überzeugung ist aber auch, dass wir nicht stehen bleiben dürfen auf dem, was wir erreicht haben, sondern ganz offen die Probleme der jungen Familien heute uns anschauen müssen und dann dafür Sorge tragen müssen, wo sind die Defizite. Und da ist neben der guten finanziellen Ausstattung der Familie, die wir übrigens auch in dieser Legislaturperiode verbessert haben über Kindergeld, Kinderfreibeträge und ähnliches und den Betreuungsmöglichkeiten. Wobei ich neben dem Betreuungsgeld großen Wert auch auf den Kitaausbau lege. Neben diesen beiden finanziellen und strukturellen Betreuungsverbesserungen ist eben auch diese Verbesserung des Zeitmanagements ein wichtiger Aspekt. Und deshalb höre ich auch nicht auf, immer wieder an die Unternehmen zu appellieren, sich auch mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Denn sie brauchen die hoch qualifizierten Mütter auch in ihren Unternehmen als Arbeitskräfte. Und sie bekommen sie aber nur dann, wenn diese auch Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Und sie dürfen auch nicht nur auf die Frauen setzen, sondern eben auch auf die Männer, die dann auch Erziehungstätigkeiten ausüben. Das heißt, es ist ein großes Gemeinschaftswerk notwendig zwischen Verbänden, Politik und Unternehmen, um die Situation im Sinne der jungen Familien zu verbessern. Dazu gehört übrigens auch, dass in Bezug auf befristete Arbeitsverhältnisse nach Möglichkeit ein noch weiterer Rückgang auch erreicht wird, denn gerade junge Familien zwischen 25 und 40 Jahren haben in dieser Phase sehr vieles auf einmal zu bewältigen. Und sie brauchen auch ein Stück Sicherheit für ihre Familienplanung und ihre Lebensplanung. Und da sind Praktikumsverhältnisse, befristete Arbeitsverhältnisse für diejenigen, die ihr Studium zum Beispiel abgeschossen haben, oft eine Hürde zur Familiengründung.

    Hamberger: Ich würde mit Ihnen zum Schluss gerne noch einmal auf die Partei einen Blick werfen, auf die Ausgangslage ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl und vor der Bundestagswahl. Es hat kurz vor dem Jahreswechsel bei Ihnen in der Partei noch mal gescheppert. Der Parteichef hat gewaltig ausgeteilt. Das klingt im Moment nicht danach, als wäre das Verhältnis zwischen Basis und Parteichef perfekt. Welchen Eindruck haben Sie?

    Hasselfeldt: Ich habe den Eindruck, dass das alles ein bisschen überhöht wurde. Und es hat sich ja auch nach wenigen Tagen wieder gelegt. Die Irritationen sind beseitigt. Ich persönlich kann nur davon sprechen, dass mein Verhältnis zum Parteivorsitzenden ein gutes ist, ein vertrauensvolles ist. Und dass unsere Basis hoch motiviert ist, das merkt man bei allen Veranstaltungen. Die Mitglieder und die Anhänger der CSU sind zufrieden mit dem, was geleistet wurde. Sie sehen die Erfolge auf Landesebene und auf Bundesebene und sind hoch motiviert, diese Erfolge nicht infrage zu stellen, sondern sie auszubauen.

    Hamberger: Wenn wir auch mal dahin blicken, mit wem Sie diese Erfolge ausbauen können, also Koalition. Es hat der Parteichef Horst Seehofer jüngst nicht ausgeschossen, dass man eventuell sogar mit Grün koalieren könnte. Sie haben gesagt, Sie sehen keine Basis für eine solche Koalition. Woher kommt denn die andere Wahrnehmung Ihres Parteichefs?

    Hasselfeldt: Der Parteivorsitzende hat im gleichen Interview, das Sie ansprechen, auch gesagt, der Wunschpartner sei die FDP. Da stimme ich ihm auch zu. Wir haben eine gemeinsame erfolgreiche Regierungspolitik in dieser Legislaturperiode mit der FDP, mit diesem Koalitionspartner. Und ich sehe keine Veranlassung, über andere Konstellationen zu spekulieren.

    Hamberger: Sie sagen, Sie hatten eine erfolgreiche Zeit mit der FDP. Sie haben sich aber auch mehrfach sicher geärgert, Thema Betreuungsgeld, Thema Studiengebühren in Bayern. Ist es tatsächlich so erfolgreich gewesen?

    Hasselfeldt: Politik ist in jeder Koalition immer das Bohren dicker Bretter und das Suchen nach Kompromissen, auch verbunden mit zeitaufwendigen Diskussionen, manchmal auch Diskussionen, die man am nächsten Tag nicht mehr so richtig versteht. Das liegt in der Natur der Sache und das macht die politische Arbeit ja auch spannend. Ausschlaggebend ist das Ergebnis. Und das Ergebnis ist ein gutes, auf dem wir uns allerdings nicht ausruhen dürfen, sondern das uns Ansporn geben muss, auch gut weiter zu arbeiten.

    Hamberger: Die momentanen Umfragewerte der FDP sind ja nicht besonders gut. Kann Sie das noch nach unten ziehen?

    Hasselfeldt: Also, wir haben in den vergangenen Jahrzehnten immer Umfragewerte gehabt, die vor der Wahl gerade auch bei der FDP unterhalb von fünf Prozent waren und dann nach den Wahlen hat sich herausgestellt, dass doch ein größerer Anteil der Bevölkerung die FDP gewählt hat. Umfrageergebnisse sind das eine und die Wahlergebnisse sind das andere. Ich orientiere mich an den Wahlergebnissen.

    Hamberger: Frau Hasselfeldt, ich danke Ihnen für das Interview.

    Hasselfeldt: Bitte sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.