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CSU-Innenexperte Uhl gegen Untersuchungsausschuss zu Rechtsterror

Ein Untersuchungsausschuss im Bundestag sei ein "Kampfinstrument der Opposition", sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU). Zur Aufklärung des Fehlverhaltens beim Umgang mit der Zwickauer Terrorzelle eigne er sich nicht. Das müssten die Länder übernehmen.

Hans-Peter Uhl im Gespräch mit Dirk Müller | 13.01.2012
    Dirk Müller: Viele Fragen oder so gut wie alle Fragen, wie die Opposition jedenfalls sagt, sind noch ungeklärt um die Machenschaften der Zwickauer Terrorzelle. Diese vielen Fragezeichen beziehen sich aber auch genauso auf die Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsorgane, oder besser der nicht vorhandenen Zusammenarbeit. Was haben die Landesverfassungsämter versäumt, was der Bundesverfassungsschutz, was die Polizei? So sollte es doch ein Leichtes sein, sich in Berlin politisch auf das weitere Vorgehen zu einigen. Ist es aber nicht! Die Grünen kritisieren die SPD, die Liberalen die Grünen, und mittendrin rangiert offenbar die Union, die auch nicht so richtig weiß, was sie will. Gibt es nun einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages? Und zum Zweiten: Wie soll die geplante Bund-Länder-Kommission arbeiten, wo auch alle Fäden zusammenlaufen sollen? Heute wollen die Fraktionen im Bundestag darüber entscheiden. -Bei uns am Telefon ist nun der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl. Guten Morgen.

    Hans-Peter Uhl: Guten Morgen, Herr Müller.

    Müller: Herr Uhl, wissen Sie denn inzwischen, was die Union will?

    Uhl: Wir wollen Aufklärung. Wir wollen, dass dieser Zustand, dass man unterstellen könnte, dass die Sicherheitsbehörden in Deutschland auf dem rechten Auge blind sind, dass dieser Zustand auf jeden Fall beendet wird. Dazu braucht man Transparenz, Aufklärung über alles, was passiert ist in den letzten zehn Jahren bei den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder.

    Müller: Und das heißt in der parlamentarischen Praxis ein Untersuchungsausschuss?

    Uhl: Das könnte heißen ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss, wenn die Dinge anders lägen. Wenn es sich um klassisches Bundesverhalten handeln würde, wo das Bundesparlament, der Bundestag, die Bundesregierung überwacht, alle Akten beizieht, Zeugen vernimmt, wie in einem Strafverfahren monatelang sich in die Details vergräbt. Aber so liegt der Fall ja gerade nicht. Es ist ja ein Fall, bei dem möglicherweise im Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern insbesondere auf Länderseite Informationsversagen festzustellen ist. Und das ist genau ein Thema, das die Landesparlamente zu entscheiden und zu kontrollieren haben und nicht das Bundesparlament.

    Müller: Das heißt, Sie wollen sich heraushalten?

    Uhl: Ich halte bei allem Aufklärungsverlangen das Instrument des Untersuchungsausschusses in diesem Fall für falsch. Es ist nämlich auch ein Kampfinstrument der Opposition gegen die Regierenden. Ich selbst war ja Vorsitzender des Visa-Untersuchungsausschusses, wo wir das Fehlverhalten durch massenhaften Visa-Missbrauch kontrolliert haben. Das ist der richtige Auftrag für einen Untersuchungsausschuss. Aber hier weiß ja die SPD gar nicht, ob sie auf der Ankläger- oder auf der Verteidigerseite steht, denn das Fehlverhalten war ja vor zehn Jahren vor allem in Thüringen, in Sachsen unter der politischen Verantwortung von SPD-Ministern festzustellen.

    Müller: Ist das nicht auch einmal Abwechslung im parlamentarischen Betrieb, wenn die SPD - Sie haben gerade das Beispiel genannt - nicht so richtig weiß, auf welcher Seite sie steht, weil es, wie Sie auch fordern, um Aufklärung geht?

    Uhl: Eben, und wir wollen doch Aufklärung. Wir wollen das Vertrauen sozusagen wiederherstellen durch Aufklärung, das Vertrauen in die Sicherheitsbehörden. Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind. Und in einem Untersuchungsausschuss, da sind natürlich auch Show-Elemente der Opposition gegen die Regierenden enthalten, und wer ist hier Regierung, wer ist hier Opposition, wenn es darum geht, in Ländern unter ganz anderer Verantwortung Dinge aufzuklären.

    Müller: Aber die jetzige Verantwortung auch im Bund ist ja klar verteilt. Deshalb verstehe ich nicht so ganz, warum Sie sich fragen, wer ist Regierung, wer ist Opposition.

    Uhl: Im Bund ist das klar, aber um die jetzige Bundesregierung geht es ja gar nicht. Es geht ja um die Landesregierungen von vor zehn Jahren.

    Müller: Aber die jetzige Bundesregierung hat ja auch nicht den Euro eingeführt.

    Uhl: Ja, aber wir machen ja auch keinen Untersuchungsausschuss über den Euro.

    Müller: Ja, gut. Aber sie muss sich mit den aktuellen Problemen befassen.

    Uhl: Ja natürlich, und das werden wir ja auch tun. Ich halte es auch für richtig, was die Innenminister der Länder und des Bundes beschlossen haben, eine gemeinsame Bund-Länder-Kommission, also zwei aus den Ländern, zwei aus dem Bund. Sie müssen auch eines sehen: Die Aktenherausgabe aus den Ländern an den Bundestag ist hoch umstritten. Ob der Bund das Recht hat, Akten aus einem Justizministerium von Thüringen oder aus einem Innenministerium von Sachsen an den Bundestag herauszugeben, das ist umstritten. Da gibt es eine Fülle von denkbaren Streitigkeiten, die dann in Karlsruhe vor dem Verfassungsgericht ausgetragen werden müssten. Alles Dinge, die nicht gerade vertrauensbildend sind.

    Müller: Es könnte aber, Herr Uhl, jetzt auch in Deutschland möglich sein, wenn Sie das Beispiel gerade nennen, dass auch die Länder etwas freiwillig tun und freiwillig nach Berlin schicken, dieses ganze Paket mit den Informationen.

    Uhl: Im Augenblick sollte man gar keine Pakete schicken. Im Augenblick ist der Generalbundesanwalt zusammen mit 400 Bundeskriminalbeamten und Landeskriminalbeamten dabei, diese schrecklichen zehn Morde aufzuklären und zu klären, wer wusste davon, hat die NPD etwas gewusst, wer war beteiligt an den Raubüberfällen auf Banken. Das hat absoluten Vorrang. Und danach erst, wenn diese Akten sozusagen geschlossen sind, wenn die Sachverhalte aufgeklärt sind durch den Generalbundesanwalt, kann man daran denken, dass Parlamentarier sich über diese Akten hermachen.

    Müller: Reden wir noch einmal über diesen möglichen Ausschuss, dieser Untersuchungsausschuss, der von der Opposition ja gefordert wird, und Sie haben die SPD genannt, die unterstützt ja auch ausdrücklich die Bund-Länder-Kommission. Die Sozialdemokraten wollen offenbar, beides miteinander zu verzahnen. Wäre das nicht ein tragfähiger Kompromiss, der nicht nur in Richtung parteipolitisches Geschachere geht?

    Uhl: Darüber wird heute diskutiert und auch nächste Woche. Heute wird nichts entschieden. Die Frage, ob es einen Untersuchungsausschuss gibt, ist parlamentarisches Minderheitenrecht. Wenn die SPD den Linken und den Grünen zur Mehrheit verhilft, wird es einen Untersuchungsausschuss geben, da können wir gar nichts daran ändern. Dann geht es nur um die Frage, was hat der zu klären? Natürlich zunächst mal das Verhalten von Bundesbehörden.

    Müller: Also der Bundesverfassungsschutz wird ja auch in irgendeiner Form - wir wissen das ja nicht so genau - involviert sein.

    Uhl: Da hört man ja aus dem Bundesverfassungsschutz, dass er nicht so informiert wurde von den Ländern, dass er den Fall hätte an sich ziehen müssen oder können.

    Müller: Das würde aber jeder sagen, der nun den Bundesverfassungsschutz führt und sich versucht, aus der Schusslinie zu bringen.

    Uhl: So ist es. Deswegen werden wir die Länderakten beiziehen müssen, und dann stellt sich sofort die Frage, müssen die Länder ihre Akten herausgeben, wenn ja, wann. Dann sind wir in der Abhängigkeit des Generalbundesanwaltes und so weiter und so fort. Also Sie sehen, dass bei allem Aufklärungsbemühen - und ich kenne niemand im Bundestag, egal welcher Couleur, der nicht aufklären will, weil für uns alle ist es unerträglich, den Vorwurf ertragen zu müssen, wir seien auf dem rechten Auge blind. Das darf nicht sitzen bleiben. Jeder will aufklären. Aber wir müssen das richtige Aufklärungsinstrument auswählen, um daraus keine Show zu machen, sondern wirklich Transparenz reinzubringen.

    Müller: Sie haben ja eben im Interview auch gesagt, Herr Uhl, das ist ein Kampfinstrument der Opposition. Jetzt könnte man unter parlamentarischen Gesichtspunkten ja auch sagen, auch unter demokratischen Gesichtspunkten, das ist eine Kontrollinstitution, ein Kontrollinstrument. Ist das nicht so?

    Uhl: Natürlich, es ist beides. Es ist ein Kontrollinstrument, aber auch ein Kampfinstrument der Opposition. Sie kann sozusagen Regierungsmitglieder und Beamte wie bei einem Gericht, einem Strafgericht zitieren, vernehmen, unter Eid aussagen lassen, um so der Wahrheit näherzukommen. Aber noch einmal: Das mögliche Fehlverhalten hat nicht im Bund stattgefunden, sondern eher in den Ländern, und dies vor zehn Jahren und dies unter der politischen Verantwortung von SPD-Innenministern, -Justizministern, sowohl auf Bundes- wie auf Länderseite.

    Müller: Um das jetzt, Herr Uhl, noch einmal zu versuchen zu subsumieren. Unter dem Strich habe ich Sie richtig verstanden: Der Untersuchungsausschuss ist Minderheitenrecht, er wird kommen, aber gegen den Widerstand der Union?

    Uhl: Er wird kommen, aber wir müssen darauf achten, dass der Prüfungsgegenstand nicht dazu führt, dass wir einen veritablen Streit zwischen Bund und Ländern bekommen, statt Transparenz und Aufklärung.

    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Uhl: Bitte schön, Herr Müller. Auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.