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CSU-Parteitag

Sanders: Für den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ist der CSU-Parteitag ein Familientreffen. CSU-Parteitage sind zwar oft gemütlich, aber wenn es kracht, dann richtig. Heute stellt sich Edmund Stoiber der Wiederwahl als Parteivorsitzender; einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Als ‚schwarzes Schaf‘ in der CSU-Familie könnte allerdings der bayerische Ex-Justizminister Sauter in Erscheinung treten und für reichlich Aufregung sorgen. Ich bin jetzt verbunden mit Erwin Huber. Er ist Staatsminister in Bayern und Leiter der Staatskanzlei. Guten Morgen Herr Huber.

    Huber: Guten Morgen.

    Sanders: Wird es denn heute zu einem Familienkrach kommen?

    Huber: Ich sehe das nicht. Wenn der Kollege Sauter bei der Wahl antritt, werden die Delegierten in geheimer Wahl entscheiden. Es gibt keinen Anlass für einen Krach oder für eine Auseinandersetzung. Es wird auch heute die sachliche inhaltliche Arbeit im Vordergrund stehen und es wird der Parteivorsitzende Edmund Stoiber in einer Grundsatzrede die wichtigen großen Themen, also wie Bildungspolitik, Steuerpolitik, Gesundheitsreform und Rentenreform, die großen entscheidenden Fragen am Beginn eines neuen Jahrhunderts klar und deutlich und konzeptionell ansprechen.

    Sanders: Herr Huber, Edmund Stoiber – wir haben es schon gehört – steht heute zur Wiederwahl an; Sie haben es gerade auch gesagt. Hat Edmund Stoiber die Affäre um Sauter und den damit verbundenen Skandal um die Landesimmobilien-Gesellschaft LWS – hat diese Affäre ihm geschadet? Wird er so ein gutes Ergebnis bekommen wie in den Vorjahren?

    Huber: Ach, wissen Sie: Letztes Mal im Januar ist er gewählt worden mit 93 %. Das war ein sehr gutes Ergebnis. Das kann immer etwas schwanken, aber es ist eines klar: Edmund Stoiber ist völlig unumstritten der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident. Und jeder in der CSU weiß, was wir ihm verdanken, seiner Persönlichkeit, seiner politischen Kraft und seiner Aussage. Und deshalb meine ich, wird das Wahlergebnis auch eine klare Bestätigung für Edmund Stoiber bringen.

    Sanders: Edmund Stoiber war ja mit den Geschäften der LWS befasst, das ist nicht neu. Erst hat er gesagt, er habe nicht allzu viel damit zu tun gehabt - das ist mittlerweile ja nun korrigiert worden. Glauben Sie, dass Edmund Stoiber Fehler gemacht hat im Umgang mit dem LWS-Skandal, im Umgang mit Sauter?

    Huber: Er hat ja selber gesagt: Im Nachhinein würde man manches anders machen. Aber insgesamt ist es so, dass natürlich die Hauptverantwortung für die großen Verluste, die bedauernswerten Verluste für die LWS natürlich bei der Geschäftsführung und beim Aufsichtsrat lagen, aber nicht beim Ministerpräsidenten, der punktuell an einzelnen Entscheidungen eingebunden war aber nicht in das superlative Geschäft. Im übrigen ist das in Bayern kein Thema mehr. Seit vielen Wochen steht auch noch kaum etwas davon in den Zeitungen. Durch die Personalentscheidungen – Rücktritt oder Entlassung des Aufsichtsratsvorsitzenden und Einbindung des neuen Aufsichtsrates – konzentriert sich jetzt alles, dort die Dinge zu regeln und zu ordnen. Wir in Bayern kümmern uns darum, was die Menschen bewegt: Arbeitsplätze, Hitec-Offensive und die großen Fragen der großen Politik.

    Sanders: Herr Huber, auch Sie stehen im Kreuzfeuer der Kritik, wenigstens bei der Opposition in Bayern. Ihnen wird vorgeworfen, als damaliger Landesfinanzminister - und damit auch zuständig für die Bayerische Landesbank - die Milliardenverluste der Bayerischen Landesbank mit verantworten zu müssen.

    Huber: Ja, wer das behauptet, der hat keine Ahnung von den Vorgängen. Natürlich hat die Bayerische Landesbank, wie alle anderen Banken, die in Asien vertreten sind, Verluste durch die Finanzkrise in Asien hinnehmen müssen. Aber es lag kein Absichtsverschulden vor, das hat auch keiner im Grunde konkret behaupten können. Das ist eben so, dass in der Politik gelegentlich Rundschläge erfolgen, und dann steht man auf einmal irgendwo in der Kritik. Aber an der Sache ist nichts dran. Das beunruhigt mich auch in keiner Weise.

    Sanders: Herr Huber, erlauben Sie mir folgende abstrakte Frage zu stellen: Ab wann muss denn ein Politiker – Ihrer Meinung nach – Konsequenzen ziehen aus Vorfällen, die zu seinem Verantwortungsbereich gehören, die er aber nicht eigenhändig begangen hat?

    Huber: Aus meiner Sicht dann, wenn er politische Verantwortung trägt in dem Maße, dass durch Strukturen, die er geschaffen hat oder langfristig hingenommen hat, solche Fehlentwicklungen zwangsläufig eingetreten sind. Das ist im Einzelfall zu entscheiden. Ich glaube, dass man diese Frage ganz abstrakt und allgemein gültig für alle Zeiten nicht beantworten kann.

    Sanders: Herr Huber, glauben Sie, dass die verschiedenen Affären – wie immer man das auch bezeichnen möchte – dem Bild der CSU in der Öffentlichkeit geschadet haben?

    Huber: Also, dass wir nicht glücklich sind über negative Schlagzeilen, das ist klar. Dass das einige Zeit auch den Blick von der Politik und von den Sachentscheidungen abgelenkt hat, ist leider auch der Fall. Das heißt, es hat uns Bild nicht gestärkt. In der Zwischenzeit ist es aber so, dass – jedenfalls in Bayern – die Bevölkerung der Meinung ist: Das, was dazu zu sagen war, ist gesagt. Nun geht es wieder darum Politik für die Menschen zu machen. Das heißt also: Wir haben im Grunde diese Sache überwunden und sind jetzt in der konkreten Sachpolitik.

    Sanders: Wie würden Sie denn im Moment das Verhältnis zwischen Ihrer Schwesterpartei CDU und CSU bezeichnen?

    Huber: Das Verhältnis ist gut. Es wird ja heute der CSU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble zu Gast sein. Gestern waren die Ministerpräsidenten Teufel und Müller da. Wir haben ein sehr konstruktives und vertrauensvolles Arbeitsverhältnis. Und die große Geschlossenheit zwischen CDU und CSU war ja auch maßgebend, dass wir dieses erste Jahr in Berlin als Opposition in der Bundespolitik sehr gut bewältigt haben – mit Wahlerfolgen, die niemand erwartet hätte bei der Europawahl und einigen Landtagswahlen, die die CDU stärkten. Das führe ich auch darauf zurück, dass wir geschlossen und ganz intensiv eine klare Linie von CDU und CSU geschrieben haben.

    Sanders: Nun ja, Geschlossenheit mag auf der einen Seite sein. Auf der anderen Seite gibt es – wenigstens im Detail – Unterschiedlichkeiten, Stichpunkt ‚Steuerreform‘. Die CDU zeigte sich da von dem CSU-Papier sehr irritiert.

    Huber: Das kommt manches Mal im Leben vor, dass es Überraschungsmomente gibt. Wir haben es relativ sehr schnell konzipiert durch den bayerischen Finanzminister und in die Debatte eingebracht. Aber in der Grundlinie sehe ich auch Übereinstimmung. Das Ganze geht ja zurück auf die Petersberger Beschlüsse, auf einen klaren Steuertarif, auf eine deutliche Nettoentlastung – und es entwickelt diese Grundsätze etwas weiter. Auf jeden Fall sind CDU und CSU auch einig, dass es eine solche grade Nettoentlastung geben muss für alle Steuerzahler, dass es eine Sonderentlastung für kleine und mittlere Unternehmen geben soll und dass wir rasch die Unternehmenssteuerreform brauchen. Und damit unterscheiden wir uns hinsichtlich der Gemeinsamkeit klar von Rot/Grün, die nicht in der Lage sind, etwas beschlussfähig auf den Tisch zu bringen. Das heißt: Wenn es da und dort im Detail Diskussionen gibt, ist das der Normalfall. Aber in der Grundrichtung stimmen wir überein. Und das ist ein großer Fortschritt.

    Sanders: Auf der anderen Seite kritisiert besonders die Regierungskoalition, dass Sie diese Nettoentlastung teilweise mit Krediten finanzieren wollen. Und das missfällt selbst Ihrem Parteikollegen, dem ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel.

    Huber: Wir setzen darauf, dass eine deutliche Entlastung in zwei Schritten, also rd. 50 Milliarden, einen gewaltigen Schub in die Wirtschaft bringt, so dass auf mittlere Sicht dies Ganze sich selber finanziert. Wenn vorübergehend Steuerausfälle entstehen, dann werden sie ausgeglichen durch die späteren Mehreinnahmen. Das ist auch die Erfahrung, die man in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und anderen Ländern mit solchen Steuerprogrammen gemacht hat. Entweder man hat den Mut zu einer Steuerreform - dann wird man diese Ergebnisse haben -, wenn man aber den Mut nicht hat, wird man die positiven Folgen nicht bekommen. Und ich glaube, dass auch der frühere Finanzminister Theo Waigel in der Grundkonzeption einer solchen Politik zustimmt, da dies ja in Petersberg von ihm selber auch mit vorgeschlagen wurde. Im Detail wird es immer kleine Differenzen geben.

    Sanders: Herr Huber, wird - nach all dem, was in den vergangenen Monaten geschehen ist - Edmund Stoiber der nächste Kanzlerkandidat sein?

    Huber: Wenn Sie mich das zu Beginn des Jahres 2002 fragen, werde ich Ihnen dann eine klare Antwort geben, denn dann entscheiden wir.

    Sanders: Vielleicht treffen wir uns dann wieder. Herr Huber, ich danke schön für das Gespräch. Das war Erwin Huber, Staatsminister in Bayern und Leiter der Staatskanzlei.