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CSU-Politiker Franz Josef Strauß
Polarisierend und geachtet

Kaum ein bundesdeutscher Politiker hat die öffentliche Meinung so polarisiert wie Franz Josef Strauß: Für die einen war er das Urbild eines gestandenen Konservativen, befähigt zu den höchsten Staatsämtern, andere sahen in ihm eine Gefahr für die Demokratie der Bonner Republik. Heute vor 100 Jahren wurde Franz Josef Strauß geboren.

Von Wolfgang Stenke | 06.09.2015
    Der CSU-Vorsitzende und Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag Franz Josef Strauß am Rednerpult anlässlich des CDU-Parteitages in Hannover im Mai 1976.
    Franz Josef Strauß 1976 auf einem Parteitag in Hannover. (picture alliance / dpa / Gerhard Rauchwetter)
    "Also diese Überfallfragen liebe ich nicht. Bitte lassen Sie das! Jetzt darf ich Ihnen einmal sagen, was Sie mir telegrafisch oder fernschriftlich an Themen genannt haben! Da haben Sie genau was anderes genannt."
    Angriffslustig war er, umstritten und polemisch.
    "Und das beweist doch, dass Sie die Absicht haben, hier eine Show zu veranstalten. (...) Und da können Sie mich nicht dafür einspannen."
    Franz Josef Strauß: ein politisches Naturtalent, nicht wegzudenken aus der Geschichte der Bonner Republik. Mit seinem Namen sind Skandale wie die "Spiegel"-Affäre verknüpft, aber auch der Aufstieg Bayerns zur erfolgreichen Wirtschaftsregion.
    Geboren wurde Strauß am 6. September 1915 in München als Sohn einer Metzgerfamilie. Ein Mann aus der Generation der Kriegsteilnehmer, die Deutschland nach 1945 wieder aufgebaut hat. Schon in der ersten Legislaturperiode saß er im Bundestag.
    "Ich bin seit 1949 in Bonn, einer wichtigen Stadt Nordrhein-Westfalens, über 29 Jahre politisch tätig gewesen. Mich können Sie nicht stoppen, ich bin da!"
    Seine politische Karriere begann der studierte Altphilologe und Historiker 1945 als Landrat in Schongau, eingesetzt von der amerikanischen Besatzungsmacht. Später wurde er Generalsekretär der CSU. Im Bundestag gehörte der CSU-Abgeordnete zu den Parlamentariern, die die großen Debatten um Westorientierung und Wiederbewaffnung der jungen Bundesrepublik prägten. - Strauß 1952: "Die verhängnisvolle These, die manchmal auch in der SPD angeklungen ist: 'Zuerst Einheit, dann Europa!' wird von uns beantwortet mit der klaren Parole: 'Über die Einheit Europas zur Wiedervereinigung Deutschlands!'"
    Nebenaußenpolitik von der Münchner Staatskanzlei aus
    1956 bekam Franz Josef Strauß, zunächst Bundesminister für besondere Aufgaben, dann Atomminister, das Verteidigungsressort. Der hektische Aufbau der Bundeswehr führte zu Skandalen in Beschaffungsfragen: Schützenpanzer HS 30, FIBAG-Affäre, schließlich das Desaster mit dem Kampfflugzeug Starfighter F-104-G, von dem 269 Exemplare abstürzten. Korruptionsvorwürfe gegen Strauß und die CSU wurden laut, die freilich nie bewiesen werden konnten. Kritisiert wurde der Minister auch wegen seiner Bestrebungen, die Bundeswehr mit Atomwaffen auszustatten. Und so schoss Rudolf Augsteins Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gegen Strauß aus allen Rohren. Im Oktober 1962 kam es zum Eklat: "Bundeswehr-Strategie: Bedingt abwehrbereit".
    In dieser Titelgeschichte berichtete der "Spiegel" über Ausbildungs- und Ausrüstungsmängel der Bundeswehr. Ein Juraprofessor, zugleich Reserveoffizier, erstattete Anzeige, Kanzler Adenauer erblickte in der "Spiegel"-Story gar "einen Abgrund von Landesverrat". In einer Nacht- und Nebelaktion durchsuchten Polizisten die Redaktionsräume. "Spiegel"-Herausgeber Augstein kam in Untersuchungshaft. Conrad Ahlers, einer der Autoren des Artikels, wurde in Spanien festgenommen, nachdem Minister Strauß höchstpersönlich per Telefon interveniert hatte. An dem Anschlag auf die Pressefreiheit zerbrach Adenauers Koalitionskabinett. Strauß, der im Parlament wahrheitswidrig erklärt hatte, er sei an der Aktion gegen den "Spiegel" nicht beteiligt gewesen, musste Ende November 1962 seinen Rücktritt erklären. "Ich werde auch in Zukunft, gleichgültig, wo ich stehe, derselben politischen Sache dienen."
    Erst 1966, in der ersten Großen Koalition unter Kiesinger (CDU) und Brandt (SPD), war der CSU-Politiker wieder ministrabel - im Finanzressort. Ab 1969, nach Bildung der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP, wurde Strauß zum großen Polarisierer: Er bekämpfte die Ostpolitik von Brandt und Scheel entschieden. Im Bund waren mit dieser Taktik Wahlen nicht zu gewinnen - in Bayern schon. 1978 wurde Strauß in München Ministerpräsident. Zwei Jahre später ging er als Kanzlerkandidat von CDU/CSU gegen Helmut Schmidt ins Rennen. Strauß verlor. Dass der Bayer sich trotzdem für den besseren Politiker hielt, lässt sich an der Nebenaußenpolitik ablesen, die er von der Münchner Staatskanzlei aus betrieb: Treffen mit lateinamerikanischen Diktatoren, Reisen zu Honecker und Gorbatschow, schließlich der durch Strauß vermittelte Milliardenkredit, der die DDR 1983 vor dem Staatsbankrott bewahrte... Vor dieser Dynamik zogen auch viele Gegner von Strauß den Hut. Und das nicht erst, als er am 3. Oktober 1988 in Regensburg starb.