Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

CSU-Politiker Frieser
Union stand "wirklich niemals tatsächlich auf dem Spiel"

Es gebe in einer fachlichen Frage einen erheblichen, sogar existenziellen Dissens, doch das habe nichts mit der Frage der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft zu tun: "Das war immer etwas, was eher von außen an uns herangetragen wurde", sagte der CSU-Politiker Michael Frieser im Dlf.

Michael Frieser im Gespräch mit Jasper Barenberg | 02.07.2018
    Der CSU-Innenpolitiker Michael Frieser.
    CSU-Innenpolitiker Michael Frieser sieht im Streit mit der Union einen "existenziellen Dissens", aber das habe "noch nichts mit der Frage einer Regierungskrise" zu tun. (pa/dpa/Kappeler)
    Jasper Barenberg: Am Telefon mitgehört hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Frieser. Schönen guten Tag, Herr Frieser.
    Michael Frieser: Einen wunderschönen guten Tag.
    Barenberg: Herr Frieser, der Kollege Klaus Remme hat gerade gesagt, das wird eine hitzige Atmosphäre, erkennbar und erwartbar in der gemeinsamen Fraktionssitzung. Ist das auch das, was Sie erwarten?
    Frieser: Nein. Ich glaube, dass die Kollegen sich alle der Verantwortung bewusst sind auf der einen Seite, dass aber auch wirklich niemals die Frage der Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU tatsächlich auf dem Spiel stand. Das war immer etwas, was eher von außen an uns herangetragen wurde.
    Es ist klar: Es gibt in einer fachlichen Frage einen ganz erheblichen, aus unserer Sichtweise sogar existenziellen Dissens. Aber das hat noch nichts mit der Frage einer Regierungskrise oder mit der Frage der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft zu tun. Und genauso ernsthaft, glaube ich, werden die Kollegen nachher an die Sache herangehen. Wir erwarten natürlich von den Spitzengremien, die sich heute um 17 Uhr treffen, dass die tatsächlich auch eine Bewegung aufeinander zumachen - bei all diesen Fragen, die wir ja nun wirklich haben. Das darf man nicht vergessen. Wir haben ein Arbeitstreffen in Brüssel gehabt. Wir haben einen Gipfel gehabt. Wir haben bilaterale Vereinbarungen. Das ist alles wirklich toll, vielleicht zu spät, aber das sind wirklich, finde ich, die richtigen Ansätze. Und das jetzt mit der Position der CSU in Einklang zu bringen, das ist kein Hexenwerk, sondern …
    "Heute hat niemand tatsächlich Sitzungen abgesagt"
    Barenberg: Herr Frieser, wenn ich vielleicht die eine oder andere Frage noch loswerden dürfte in dieser angespannten Situation. Sie haben gesagt, von Regierungskrise kann gar keine Rede sein. Nun haben wir erlebt, dass die Fraktionen getrennt voneinander getagt haben. Heute stand das wieder zur Debatte. Das kann man auch ganz anders einschätzen. Meine Frage an Sie jetzt, was Horst Seehofer angeht und wie er sich in eine Sackgasse manövriert hat. Haben Sie denn schon überlegt, wer statt ihm künftig Innenminister sein wird?
    Frieser: Sie werden Verständnis haben, dass wir uns mit einer solchen Frage natürlich nicht beschäftigen, weil wir gestern Abend ja gerade Horst Seehofer nach acht Stunden Diskussion gebeten haben, von diesem Gedanken des Rücktritts Abstand zu nehmen und das noch mal in die Waagschale mit einer Diskussion mit der CDU zu werfen.
    Wenn ich das noch schnell sagen darf? Heute hat niemand von der CDU und von der CSU tatsächlich die Sitzungen abgesagt. Wer das auch immer war, es stand nie zur Rede, dass es tatsächlich keine gemeinsame Sitzung gab. Wir haben hier eine Aufgabe und die versuchen wir zu erfüllen, und deshalb war es auch der Sinn, Horst Seehofer zu bitten, das noch mal gemeinsam jetzt mit der Parteivorsitzenden und mit deren Spitzenleuten zu besprechen.
    "Kontrolle an Grenzen wieder zurückgewinnen"
    Barenberg: Herr Frieser, nun hat Horst Seehofer ja selber drei Möglichkeiten skizziert in der Sitzung gestern, und die anderen Möglichkeiten waren zum einen, die CSU beugt sich dem Kurs Angela Merkels. Dann steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Oder er bleibt hart, ordnet die Zurückweisungen an und wird dann mutmaßlich entlassen und gefährdet den Fortbestand der Koalition. Wenn Sie sagen, bei dem Rücktritt sind wir noch nicht, was von diesen beiden anderen Optionen wäre denn Ihre?
    Frieser: Ich glaube schon, dass der Ausgangspunkt unseres wirklich schwierigen Problems, in dem wir uns befinden, jene Anordnung aus den Septembertagen des Jahres 2015 ist, als man sagte, es wird im Grunde keiner an den Grenzen kontrolliert. Wir müssen zurück - und so sieht es ja auch die Gipfelresolution, wo drinsteht, auch interne Maßnahmen an den jeweiligen Binnengrenzen müssen tatsächlich möglich sein. Dieses aufeinander Zubewegen, ohne dass der eine wirklich mit einem Gewaltmarsch antwortet. Aber irgendwann muss klar sein, wir müssen auch die Kontrolle an Grenzen wieder zurückgewinnen, und da gilt es, sich aufeinander zuzubewegen.
    "Da muss sich die CSU nicht äußern"
    Barenberg: Sie sind als CSU bereit, einen Schritt auf die Kanzlerin zuzugehen?
    Frieser: Wir sind in dem Moment, in dem die Kanzlerin auch das wirklich, was sie ja toll erreicht hat, wenn sie das auch in nationale, in interne Maßnahmen, wie es im Papier des Gipfels steht, wenn sie das auch wirklich umsetzt. Dann, glaube ich, ist ein Weg aufeinander zu möglich, und da muss sich die CSU nicht äußern. Unser Ansatzpunkt bleibt der: Wir müssen auch an den Binnengrenzen Kontrolle zurückgewinnen.
    Barenberg: Aber das hat die Kanzlerin ja nun eindeutig klar und wiederholt ausgeschlossen. Wo sehen Sie da die Möglichkeit für einen Kompromiss?
    Frieser: Sie hat wiederholt ausgeschlossen, unilaterale, das heißt eigene, absolut unabgestimmte Maßnahmen der Zurückweisung an den Grenzen. Das eine ist ja nun mal, überhaupt erst mal an den Grenzen zu kontrollieren und zu schauen, wer dort hinkommt, und der Vorschlag von Horst Seehofer zu sagen, diejenigen, die hier wirklich rechtsgültig des Landes bereits verwiesen wurden, weil sie in zwei Rechtszügen bereits abgelehnt wurden, da muss man doch an der Grenze auch mal sagen können: Entschuldige, aber Du kannst hier auch nicht mehr hinein. Das ist etwas, was in wirklich nicht wenigen Fällen tatsächlich passiert. Ich glaube, es muss an dieser Stelle ein aufeinander Zubewegen möglich sein.
    "In Einzelfragen darf man unterschiedlicher Auffassung sein"
    Barenberg: Und es wird dann Horst Seehofers Job sein, wenn ich Sie richtig verstehe, dass er Vereinbarungen treffen soll mit anderen EU-Partnern, damit diese Zurückweisungen dann nicht geschehen an der Grenze?
    Frieser: Ja, natürlich! Es muss doch auch klar sein, was mit den Menschen, die nach Deutschland nicht mehr hinein dürfen, was dann in diesem Land, aus dem sie sich gerade herbewegen auf europäischem Boden, was mit denen eigentlich passiert. Da ist schon sinnvoll, dass man tatsächlich bilaterale Abkommen schließt, die man übrigens früher nicht als europäische Lösung gesehen hat. Jetzt mittlerweile ist uns klar: Auch das ist Teil einer europäischen Lösung, wenn Länder miteinander über die Frage von menschlichen Schicksalen sich tatsächlich verständigen. Insgesamt werden die Maßnahmen zu einem Katalog zusammengebunden, aber in Einzelfragen darf man unterschiedlicher Auffassung sein. Aber das kann nicht sein, dass daraus kein Kompromiss möglich ist.
    "Personalisiere in meiner Person diesen Punkt"
    Barenberg: Herr Frieser, wenn Horst Seehofer dabei bleibt - und es steht ja in seinem Ermessen -, am Ende zu sagen, der Kompromiss reicht nicht, es wurde wieder nichts erreicht in dem Gespräch, wie das schon das ganze Wochenende war, und er die Regierung verlässt, was ist dann eigentlich mit den anderen CSU-Ministern im Kabinett?
    Frieser: Auch eine gute Frage! Soweit sind wir aber noch lange nicht. Die entscheidende Botschaft, die ich dankenswerterweise - das ist ja ein sehr mutiger, ein sehr opferbereiter Schritt des Bundesinnenministers und Parteivorsitzenden, der sagt, wenn das an mir liegt, dann bin ich auch der Auffassung, dass ich mich vom Spielfeld nehmen kann. Und damit gerade den Druck von allen anderen, gerade den Druck wegnimmt und sagt, es geht hier nicht um die Frage Fraktionsgemeinschaft und es geht nicht um die Frage Regierungskrise, sondern ich personalisiere in meiner Person diesen Punkt und gegebenenfalls kann dann ein neuer vielleicht einen anderen Kompromiss aushandeln.
    Barenberg: Das ist für Sie vorstellbar, dass ein neuer dann den Job übernimmt mit dem gleichen Problem, dass es den Konflikt über Zurückweisungen ja oder nein unverändert dann gibt?
    Frieser: Ich glaube nicht, dass es ihn dann unverändert geben wird.
    "Bereit, sein Amt zur Verfügung zu stellen - was ich sehr nobel finde"
    Barenberg: Warum sollte Horst Seehofer dann zurücktreten, wenn es ihn nicht mehr gibt?
    Frieser: Weil die Voraussetzungen, die man dort diskutiert, natürlich dann schon ganz wesentlich sein können, auch gegebenenfalls für einen anderen, der in dieser Verantwortung steht. Deshalb, wie es immer der Fall ist: Politik wird durch Personen gemacht, und die gehen in unterschiedlicher Art und Weise an Vorgänge und an Prozesse und an Abstimmungen heran. Das hat schon sehr oft auch in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland für etwas Entlastung beigetragen, und das ist ja genau die Absicht von Horst Seehofer, dass er sagt, diese aufgeheizte Stimmung, vielleicht auch an den Personen festgemacht, die will er nicht mit dieser Sachfrage verknüpfen, und ist deshalb sogar bereit, sein Amt zur Verfügung zu stellen, was ich sehr nobel finde.
    Hoffnungen richten sich auf Gespräch um 17 Uhr
    Barenberg: Dann verstehe ich Sie richtig: Das ist gar nicht ernst gemeint, die Rücktrittsforderung?
    Frieser: Natürlich ist sie ernst gemeint. Das hat doch was mit Nachdruck zu tun, zu sagen: Wenn wir in einer Frage, in einer so sachlichen Dissensfrage tatsächlich weit voneinander weg sind, dass man dann sagt, übrigens bin ich bereit, gerade um diese Frage zu lösen sogar meine Funktion mit in die Waagschale zu werfen.
    Barenberg: Aber das war ja meine Frage, Herr Frieser. Herr Seehofer entscheidet dann gegebenenfalls, der Kompromiss reicht mir nicht, ich habe mein politisches Schicksal daran gebunden, und tritt zurück. Was passiert mit dem nächsten CSU-Politiker, der das Amt des Innenministers dann bekleidet? Er wird doch vor dem gleichen Problem stehen.
    Frieser: Sie als Journalist dürfen natürlich sehr viele Wenn-Fragen stellen. Ich muss als derjenige, der pragmatisch versucht, Politik zu organisieren, immer darauf warten zu sagen, unsere Hoffnungen richten sich im Augenblick auf dieses Gespräch um 17 Uhr. Da bin ich guter Hoffnung, dass es wirklich auch Signale gibt, dass man sich aufeinander zubewegt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.