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CSU-Politiker: Islam "hat keinen Beitrag zu unseren Werten geleistet"

Die Debatte um die Äußerungen von Bundespräsident Wulff zum Islam dauert an. Manfred Weber, Vorsitzender der CSU-Zukunftskommission, versteht dessen Äußerungen als eine Situationsbeschreibung. Gleichwohl sehe er nicht, dass der Islam zu den Werten Deutschlands beigetragen habe.

Manfred Weber im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 05.10.2010
    O-Ton Christian Wulff: Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.

    Dirk-Oliver Heckmann: So weit Bundespräsident Christian Wulff am Sonntag in Bremen aus Anlass des 20. Jahrestages der deutschen Einheit. – Die Erwartungen waren riesig gewesen an seine erste programmatische Rede als Bundespräsident. Gemessen daran hat Wulff nach Ansicht selbst seiner politischen Gegner eine gute Figur abgegeben. Vor allem sein Satz zum Islam wurde allenthalben als wichtiges Signal betrachtet. Aber was folgt daraus ganz praktisch? Dazu hat Wulff nicht sehr viel gesagt und daher ist die Diskussion eröffnet. – Am Telefon ist jetzt Manfred Weber, er ist der Vorsitzende der CSU-Zukunftskommission (früher hieß die mal Grundsatzkommission) und zugleich ist er stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Guten Morgen, Herr Weber.

    Manfred Weber: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Der Islam gehört zu Deutschland, genauso wie das Christentum und das Judentum. Grundsätzlich gefragt: Gehen Sie da mit?

    Weber: Zunächst ist das für mich Situationsbeschreibung. Natürlich ist der Islam heute Teil der Gesellschaft in Deutschland, und das nimmt ja auch jeder wahr. Die entscheidende Frage ist aber nicht, ob wir sozusagen Situationen beschreiben, sondern die entscheidende Frage für unser Land ist: Was prägt dieses Land, was ist grundlegend für dieses Land? Und da muss ich schon klar sagen, dass die Prägung, die wir heute in dem Land haben, die Werte, die dieses Land heute ausmachen, dass die heute auf Grundlage des christlich-jüdischen Erbes und der Aufklärung – das sind die beiden wichtigen Wurzeln – entstanden sind.

    Der Islam, so wie wir ihn heute in Deutschland haben, hat zumindest bisher – was historisch in Zukunft kommen wird, wissen wir nicht – keinen Beitrag zu unseren Werten geleistet, zu dem, was unser Land heute ausmacht, und das ist eigentlich das Zentrale, wenn es um die Frage der Identität für unser Land geht.

    Heckmann: Das heißt, die Rede von der deutsch-christlichen Leitkultur, die ist für Sie alles andere als passé?

    Weber: Absolut, ganz klar. Ich glaube, dass das die Menschen auch erwarten, dass wir beschreiben, was Identität eines Landes ausmacht. Übrigens wenn wir diese christlich-jüdischen und eben die Aufklärungswurzeln unseres Landes beschreiben, dann ist ein Teil davon, ein Wert, der daraus entstanden ist, eben diese Vielfalt, eben diese Toleranz, eben die Glaubensfreiheit. Das ist eines der Prinzipien, sozusagen entstanden aus diesen Wurzeln heraus, das, worauf wir heute basieren.

    Heckmann: Also hat sich der Bundespräsident missverständlich ausgedrückt, wie Ihr CSU-Kollege Norbert Geis gesagt hat, der meinte, wenn er denn eine Gleichsetzung zwischen Islam und Christentum und Judentum gemeint haben sollte, dann wäre die falsch und realitätsfern.

    Weber: Wenn er das so gemeint haben sollte, dann ja. Ich würde ihm zugestehen, dem Bundespräsidenten, dass er mit der Beschreibung, dass der Islam Teil der Gesellschaft ist, eben Sachstandsbeschreibung vorgenommen hat, und das ist richtig und das ist auch wichtig, das wahrzunehmen. Aber wie gesagt, die Menschen fordern heute – das ist übrigens auch ein europaweites Phänomen -, dass die Menschen auch in anderen Teilen Europas nach Identität suchen, nach dem, was ein Land eigentlich ausmacht, die Gesellschaft eigentlich ausmacht.

    Wir erleben ja in Ungarn, in Schweden, in den Niederlanden, in vielen Bereichen Europas eben diese Entwicklungen, Niederlande Stichwort Wilders, und wenn man diese Entwicklungen sich vergegenwärtigt, dann müssen wir auch als Konservative, als bürgerlich-konservative Kraft in Deutschland, als Union auch klar sagen, natürlich ist es Teil der Gesellschaft, der Islam, aber prägend für unser Land ist die christlich-jüdische und die Aufklärung.

    Heckmann: Und damit ist der Islam eine Religion zweiter Klasse in Deutschland?

    Weber: Nein, nein! Aber er muss sich dem ein Stück weit stellen, was dieses Land ausmacht. Wir haben im Islam natürlich Tendenzen, die die Frage Gleichberechtigung von Mann und Frau ein Stück weit relativieren, und das darf einfach nicht akzeptiert werden – Punkt! Das ist das, was wir als Maßstab anwenden. Wenn wir nur beschreiben, was in diesem Land alles existiert, dann fiele uns viel ein. Entscheidend ist, welcher Maßstab und was prägt eben Deutschland.

    Ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass es bei vielen dieser Fragen ja gar nicht um Einfluss des Staates auf Religion geht, weil natürlich ist doch sonnenklar in unserem Land, dass wir Religionsfreiheit haben und dass jeder seine Religion ausleben darf. Übrigens sind mir als Christen Moslems, die einen Glauben haben, die einen Bezug zu Gott haben, in der Debatte lieber, als viele Atheisten, die wir mittlerweile im Land haben. Ich glaube, dass Gottesbezug was Wertvolles ist und Einstellung zum Glauben auch was Wertvolles ist. Das steht außer Frage, diese Aspekte der Glaubensfreiheit.

    Heckmann: Aber ist es nicht sehr ignorant – Pardon, Herr Weber – zu sagen, wie Sie es gerade eben gemacht haben, dass der Islam hier in Deutschland keinen Beitrag bisher geleistet habe? Das hört sich ja so ein bisschen an wie Thilo Sarrazin, der sagte, dass die Türken in Deutschland keinen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland beigetragen haben.

    Weber: Das mache ich mir nicht zueigen und ich warne auch vor Verallgemeinerungen. Es gibt nicht den Moslem, es gibt auch nicht den Türken, und deswegen bringen uns Verallgemeinerungen nicht weiter.

    Heckmann: Aber Sie sagten, dass der Islam keinen Beitrag bisher in Deutschland geleistet hat?

    Weber: Die Frage darf erlaubt sein, was gehört zu unseren Werten, und die sind bei uns in Deutschland im Grundgesetz fixiert. Was zählt zu unseren Werten in unserem Land? Eben zum Beispiel Gleichberechtigung von Mann und Frau. Diese Werte sind über Jahrhunderte gewachsen, eben aus diesen Wurzeln heraus gespeist, und da darf man schon die Frage stellen, ob der Islam bisher zu den Werten einen Beitrag geleistet hat. Das hat er bisher nicht gemacht, ohne wie gesagt den Menschen zu nahe zu treten und dem Glauben zu nahe zu treten. Die kulturelle Prägung unseres Landes, das was unser Zusammenleben heute ausmacht, ist gespeist aus dem Judentum, aus dem Christentum und aus der Aufklärung.

    Heckmann: Was müsste der Islam denn für einen Beitrag leisten?

    Weber: Wenn Sie die Menschen heute in unserem Land fragen, dann werden viele von denen antworten, von den Werten, die unser Land heute prägt, dazu gehört die Toleranz und die Religionsfreiheit, ist unser Land heute gut aufgestellt. Wir sind eine Gesellschaft, die bei den Werten mit sich im Reinen ist. Wir haben heute keine gesellschaftlichen großen Spannungen. Im Gegenteil! Es sind eher extreme Strömungen im Islam, die dann Spannungen hereintragen, weil sie ihr Kind zum Beispiel nicht zum Sportunterricht gehen lassen, weil es dann ein Kopftuch ablegen müsste, und so weiter. Da kommen eher Spannungen in die Gesellschaft herein.

    Heckmann: Würden Sie von den Moslems, die in Deutschland leben, auch erwarten, dass sie sich beispielsweise für den Bau von Kirchen in der Türkei einsetzen?

    Weber: Auge um Auge, Zahn um Zahn, das ist nicht meine These. Ich glaube, nur weil die Türkei Kirchen nicht akzeptiert, sollten wir nicht Moscheen ablehnen. Weil wir ein tolerantes Land sind, sind wir auch dafür, dass Moscheen gebaut werden und dass auch der Glaube des Islam gelebt wird. Das steht außer Frage. Aber natürlich ist richtig: Wir würden uns als Europäer wünschen, dass die Türkei, die ja Mitglied werden will in der Europäischen Union, auch dafür sorgt, dass dort auch Glauben praktiziert werden kann in allen Facetten.

    Heckmann: Der Islam gehört zu Deutschland, hat der Bundespräsident gesagt. Wäre eine konkrete Folgerung daraus nicht, dass die Kreuze in den Schulklassen verschwinden müssen, wie es die Integrationsministerin von Niedersachsen, Aygül Özkan von der CDU, gefordert hatte?

    Weber: Nein! Wir erleben, wenn wir eben auf diese Entwicklungen mit Wilders und mit den ganzen rechten Parteien schauen, bei den Menschen eine Sehnsucht nach Identität, und die muss man aufgreifen, die muss man ernst nehmen. Deswegen darf ein Land, das christlich-jüdisch geprägt ist, seine Identität – und dazu zählt auch das Kreuz in der Öffentlichkeit – nicht über Bord werfen. Die Frage, das im Schulbereich zu lassen, hat was damit zu tun, den Kindern die Identität des Landes weiterzugeben. Das ist kein Bekehrungssymbol in der Schule, sondern das ist ein Symbol, um den Menschen, um den Kindern auch zu zeigen, wo unsere Werte, wo dieses Land herkommt.

    Heckmann: Gut. – Eine andere konkrete Folge könnte sein, dass man muslimische Gemeinschaften in Zukunft als Körperschaften des öffentlichen Rechtes anerkennt und ihnen auch die Steuervorteile gewährt, die den christlichen Kirchen und den jüdischen Gemeinden gewährt werden.

    Weber: Exakt, und dazu kann man die Moslems nur auffordern. Sie sollten die Strukturen nutzen, die ihnen dieses Land gibt. Jede Glaubensgemeinschaft ist in diesem Land, in Deutschland gleichgestellt. Da gibt es keine Privilegierung von Juden, von Christen, von anderen. Deswegen kann man da nur auffordern, organisiert euch, macht Strukturen, bildet Strukturen, wie wir sie in diesem Land für richtig halten, wie sie im Staats-Kirchen-Verhältnis in Deutschland über Jahrhunderte entstanden sind, und dann könnt ihr genauso partizipieren und genauso teilnehmen, wie wir das für andere Glaubensgemeinschaften im säkularen Deutschland praktizieren.

    Das wäre sicher ein Riesenvorteil, weil dann zum Beispiel Thomas de Maizière bei Gesprächen über Integration endlich Ansprechpartner hätte im Islam, die wirklich für die Moslems in Deutschland reden würden, die wirklich die Mehrheit der Moslems dort vertreten würden. Heute haben wir zig Organisationen, wo man gar nicht richtig weiß, erreicht man die Menschen überhaupt. Also insofern ja, macht das, nutzt diese Möglichkeiten, das ist ein Beleg dafür, dass unser Land niemandem zum Glauben zwingen will, oder irgendwie etwas vorgeben will. Wir leben in einem säkularen Land und das ist eines eben der Prinzipien, der tollen Werte, die unser Land aufgrund des Christentums entwickelt hat.

    Heckmann: Herr Weber, der Bundespräsident hat dazu aufgerufen, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fair und ergebnisoffen zu führen. Damit steht er im krassen Gegensatz zur Position der Union, denn die lehnt ja eine Vollmitgliedschaft der Türkei ab.

    Weber: Ja. Die derzeitige Beschlussfassung hat der Bundespräsident umschrieben, dass ergebnisoffene Verhandlungen geführt werden. Wir als CSU sagen dazu, dass bei der Frage der Aufnahme der Türkei eigentlich dahinter steht die Grundfrage, wo endet eigentlich mal Europa. Wir haben enorme Erweiterungsschritte gemacht die letzten Jahre und wir glauben, dass es notwendig ist, eine Debatte zu führen, wann endet diese Europäische Union mal. Das kann man am Beispiel der Ukraine führen, die kann man aber auch am Beispiel der Türkei führen.

    Heckmann: Das heißt, Sie weisen den Appell des Bundespräsidenten zurück?

    Weber: Wir sagen als CSU klar, dass die Türkei nicht Mitglied der Europäischen Union werden kann, weil sie vom Empfinden der Menschen her eher zum Mittleren Osten gehört als zur Europäischen Union, und das muss berücksichtigt werden.

    Heckmann: Hat Wulff also die Position der Union verlassen?

    Weber: Wulff ist Bundespräsident und da steht ihm zu, die Positionen Deutschlands zu formulieren. Das ist auch derzeit die Position mit dem ergebnisoffenen Verhandeln der deutschen Bundesregierung, weil die FDP die Aufnahme der Türkei ja will. Also insofern steht ihm das zu. Das hindert uns aber nicht daran, in Deutschland eine Debatte zu führen, wie es mit der Türkei weitergeht.

    Heckmann: Live hier im Deutschlandfunk Manfred Weber, der Vorsitzende der CSU-Zukunftskommission und stellvertretender Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament. Herr Weber, danke Ihnen für das Gespräch!

    Weber: Ich bedanke mich.