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CSU und Flüchtlingspolitik
"Das Thema Obergrenze ist für uns essenziell"

Die CSU werde weiter darauf beharren, dass es eine Obergrenze beim Zuzug von Flüchtlingen nach Deutschland gebe, sagte der Vorsitzender der Jungen Union Bayer, Hans Reichhart, im DLF. Es müsse eine Garantie dafür geben, "dass nicht mehr als 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschland kommen". Diese Forderung werde die CSU am Schluss auch durchsetzen.

Hans Reichhart im Gespräch mit Reinhard Bieck |
    Der Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern, Hans Reichhart, spricht am 08.10.2016 auf der Landesversammlung in Penzberg.
    Der Landesvorsitzende der Jungen Union Bayern, Hans Reichhart. (dpa / Andreas Gebert)
    Reinhard Bieck: Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten in Seeon. Wie beurteilt das jemand, der eine Ebene tiefer Politik macht? Hans Reichhart, Mitglied der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und Vorsitzender der bayerischen Jungen Union, guten Abend!
    Hans Reichhart: Guten Abend, Herr Bieck!
    Bieck: Die Frauen und Männer um Gerda Hasselfeldt, sind das für Sie vielleicht doch so ein bisschen die Exoten, die im Hauptstadtbetrieb den bayerischen Boden unter den Füßen verloren haben?
    Reichhart: Nein, die gehören genauso zur CSU wie die Europaabgeordneten. Die bilden eine Einheit, und wir wissen ganz genau, dass wir nur dann schlagkräftig auch als CSU sind, wenn alle Ebenen, auch die kommunale noch dazu, an einem Strang ziehen. Und deswegen gibt es bei uns keine Exoten, sondern es gibt einfach nur Kämpfer im Sinne einer Sache, und da gehören alle zusammen.
    Bieck: Na ja, aber in einer gemeinsamen Fraktion mit Merkels CDU muss man ja Kompromisse machen. Was ist denn nun die eigentliche CSU? Die Lautsprecher in München oder die, ich sag mal, Realpolitiker in Berlin?
    "Die Berliner, die beneide ich wirklich nicht"
    Reichhart: Ich glaube, es gehört beides zur CSU. Es gehören die Kollegen in München dazu, die ganz stark an der Basis verwurzelt sind, die viele CSU-Kreisvorsitzende sind, die viel mit den Ortsvorsitzenden wirklich vor Ort unterwegs sind. Und es gehören genauso die Berliner dazu, die Kompromisse schließen müssen und die ich wirklich nicht beneide. Denn wir tun uns in München leicht, wir haben eine absolute Mehrheit, wir können allein regieren. In Berlin müssen Kompromisse gesucht werden, in Berlin wird man auch anders angegangen, anders hinterfragt. Und deswegen, es gehört beides dazu und ist beides, glaube ich, auch wichtig. Und ich glaube, in einer wirklich guten Abstimmung miteinander kommen dann auch Positionen heraus, die für alle tragbar sind und hinter denen alle stehen.
    Bieck: Offen gestanden, kann ich Horst Seehofer nicht so richtig verstehen. Einerseits hat er heute gesagt, es gibt keine unüberbrückbaren Gräben zwischen CSU und CDU, Ausnahme die Obergrenze. Die will er aber, koste es was es wolle, durchsetzen. Er lässt es notfalls sogar auf einen Bruch der Koalition ankommen. Also einerseits Brücken, dann wieder Bruch – blicken Sie da durch?
    "Wir als CSU werden sie am Schluss auch durchsetzen"
    Reichhart: Ja, klar. Die Obergrenze ist ein Thema, das für uns essenziell ist. Wir haben in Bayern den Flüchtlingsansturm letztes Jahr bewältigt, wir waren so der Puffer von ganz Deutschland. Wir haben vieles abgefangen, während andere Bundesländer zugemacht haben, gesagt haben, sie können niemanden mehr aufnehmen, waren wir in Bayern die, die Plätze geschaffen haben. In Bayern musste niemand auf der Straße übernachten und gar nichts. Und deswegen ist für uns die Obergrenze so essenziell, weil wir sagen, wenn wir Leute bei uns aufnehmen, dann wollen wir auch, dass das funktioniert, dann wollen wir denen die Hilfe zugutekommen lassen, die wichtig ist. Und deswegen ist die Obergrenze für uns so wichtig. Ich sehe auch diese Obergrenze nicht als den Hemmschuh. Wir haben bei der Bundeskanzlerin schon verschiedene Szenarien erlebt. Sie hat im letzten TV-Duell vor der letzten Bundestagswahl erklärt, mit ihr würde es keine Maut geben. Sie stand in einem Koalitionsvertrag, wird jetzt dann kommen, noch mal im Bundeskabinett sein, und deswegen ist es nicht unüberbrückbar. Nur, wir als CSU sind halt in dieser Position hart und engagiert und werden sie am Schluss auch durchsetzen.
    Bieck: Also auch die CDU ist ja inzwischen dafür, den Flüchtlingszuzug zu begrenzen. Sie halten da immer an diesem Wort Obergrenze fest. Ist das denn wirklich mehr als ein Schlagwort, um sich zu profilieren? Könnte man da nicht auch mal einen Kompromiss machen und einfach auf die Formulierung verzichten?
    "Die Bundeskanzlerin ist nicht bereit, hier auf den Kompromiss zu gehen"
    Reichhart: Wenn die CDU sagt, sie will eine Begrenzung auf 200.000, machen wir das genauso. Wir werden dann nicht am Schluss sagen, es muss das Wort Obergrenze sein, sondern wir brauchen einfach die Garantie, dass nicht mehr als 200.000 Menschen pro Jahr nach Deutschland kommen. Wie das dann gewährleistet ist, ob es dann Obergrenze heißt, Begrenzung oder dergleichen, da sind wir ganz offen dafür. Nur ist ja die CDU ja nicht bereit, jedenfalls die Bundeskanzlerin nicht bereit, hier auf den Kompromiss zu gehen, denn sie lehnt ja auch eine Begrenzung so in der Art, wie wir es uns vorstellen auch ab, und deswegen, ob das jetzt Obergrenze, Begrenzung oder Maximum oder wie auch immer heißt, wäre für uns insoweit relativ. Aber die CDU selbst müsste halt den Schritt gehen, dass sie sagen, okay, wir akzeptieren diese Zahl, die für die CSU einfach so wichtig ist.
    Bieck: Kommen wir mal auf die Großwetterlage. Dieses Jahr wird der Bundestag gewählt, 2018 der bayerische Landtag. Stimmt der Eindruck, dass Seehofer das Abschneiden der CSU in Bayern, sprich die Verteidigung der absoluten Mehrheit, wichtiger ist als das Wohl der gesamten Union im Bund?
    Reichhart: Nein. Für uns gehört beides zusammen. Für uns gehört zusammen, dass wir in Berlin stark sind, denn ohne ein starkes Berlin tun wir uns auch in München schwer. Dass für uns als CSU selbstverständlich die absolute Mehrheit in München das Wesentliche ist, das ist so der Markenkern unserer Politik, unserer Partei, ist doch selbstverständlich. Aber dazu gehört auch eine starke CSU in Berlin, und deswegen kann man beide Wahlen nicht separat betrachten. Deswegen werden wir mit hundert Prozent in den jetzigen Wahlkampf für die Bundestagswahlen gehen und dann mit derselben Kraft noch mal in die Landtagswahl.
    Bieck: Ja, aber Entschuldigung, Seehofer hat heute gesagt, notfalls opfert er Berlin, wenn er die Obergrenze nicht durch kriegt.
    "Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit"
    Reichhart: Er hat gesagt, er geht im Notfall in die Opposition in Berlin, und das macht, glaube ich, einen Unterschied, ob ich Berlin opfere, also sage, ich mach nicht in der Bundesregierung mit oder ich ziehe mich aus der bundespolitischen Arbeit zurück. Das ist nicht unser Anspruch. Aber es für uns ganz klar, und wenn Sie die weiteren Umfragen auch, die heute veröffentlicht wurden, sich anschauen, dann hält auch der weit überwiegende Teil unserer Anhänger das für wichtig, dass wir sagen, ohne Obergrenze keine Regierung ist der richtige Weg. Und es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, weil das ist jetzt unser Mantra das letzte Jahr über gewesen, und wir würden ja jede Glaubwürdigkeit verlieren, wenn wir jetzt sagen würden, ja, ja, nach der Wahl, was interessiert mich das Geschwätz von gestern. Das kann nicht die Politik der CSU sein, und dafür wären wir auch nicht gewählt worden.
    Bieck: Wo Sie gerade Umfragen ansprechen, heute ist eine Umfrage veröffentlicht worden, wonach die Mehrheit der CSU-Mitglieder, wohlgemerkt, der CSU-Mitglieder, eher hinter Merkel und ihrer Politik steht als hinter der von Seehofer.
    Reichhart: Nun, es wurden ja die Beliebtheitswerte abgefragt beider Politiker. Und wie gesagt, wir haben heute zwei verschiedene Umfragen bekommen. Eine Umfrage, die ganz klar sagt, dass die weit überwiegende Mehrheit unserer Anhänger sagt, wenn keine Obergrenze da ist, dann tretet bitte in die Opposition ein. Und andererseits diese Beliebtheitsumfrage – ich glaube, das ist die Quadratur des Kreises, die wir derzeit schaffen müssen, dass wir beides unter einen Hut bekommen. Einerseits eine harte inhaltliche Linie, andererseits aber auch sagen, ja, wir wollen versuchen, mit der Bundeskanzlerin zusammen in die Wahlen, in den Wahlkampf zu ziehen und auch in die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit in Berlin zu ziehen. Und das wird so die Hauptaufgabe sein, dass wir sagen, inhaltlich ganz klare Positionierung, aber auch im Personellen dann, sofern diese Präsidiumssitzung am 6. Februar stattfindet, mit der Bundeskanzlerin als Spitzenkandidatin.
    "So etwas, wie es letztes Jahr war, darf nicht mehr passieren"
    Bieck: Was Sie Quadratur des Kreises nennen, ich sag mal, das ist ein Rechenexempel, bringt die Distanzierung von der CDU den Bayern mehr Stimmen, als sie das Image des Streithansels kostet. Wie denken Sie darüber?
    Reichhart: Ich glaube, es geht da weniger um Streithansel, sondern es geht einfach darum, dass wir die Sorgen, die Nöte vor Ort aufnehmen, dass wir eine ganz klare Stimmung bei uns in der Bevölkerung haben, die sagt, so etwas, wie es letztes Jahr war, darf nicht mehr passieren. Und es wird nicht mehr passieren.
    Bieck: Über die Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten sprach ich mit Hans Reichhart, Mitglied der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und Vorsitzender der Jungen Union in Bayern. Ich danke Ihnen!
    Reichhart: Ich sag auch Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.