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CSU zum Familiennachzug
"Wir sind sehr wohl offen für eine erweiterte Härtefallregel"

Der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer hat sich offen für eine erweiterte Härtefallregelung beim Familiennachzug gezeigt. Insbesondere in schwerwiegenden tragischen Schicksalsfällen solle der Nachzug erlaubt werden, sagte er im Deutschlandfunk.

Stephan Mayer im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 28.12.2017
    Stephan Mayer während seiner Rede zu den Abgeordneten.
    Der CSU-Politiker Stephan Mayer glaubt, dass die Zahlen bei einer Familiennachzug-Härtefallregelung im dreistelligen Bereich bleiben (imago stock&people)
    Jörg Münchenberg: Es kam kurz vor den Sondierungsgesprächen zwar ein bisschen überraschend, aber wohl nicht ganz zufällig: An den Weihnachtstagen hat sich CDU-Ministerpräsident Armin Laschet, CDU, zu Wort gemeldet und für Ausnahmen beim Flüchtlingsnachzug plädiert. Der Vorstoß, er ist jedoch auch in den eigenen Reihen höchst umstritten. Ist eine solche Härtefallregelung nun auch ein gangbarer Weg für die CSU, das habe ich kurz vor der Sendung deren Innenexperten Stephan Mayer gefragt.
    Stephan Mayer: Für die CSU ist das Thema Familiennachzug ein sehr zentrales Thema. Wir sind der Auffassung, dass es auch über das jetzt kommende Jahr hinaus bei der Aussetzung des Familiennachzugs zu den subsidiär Schutzberechtigten bleiben soll, aber wir sind sehr wohl offen für eine erweiterte Härtefallregel, insbesondere wenn es darum geht, in schwerwiegenden tragischen Schicksalsfällen die Familienzusammenführung zu ermöglichen, beispielsweise, wenn einer der Ehepartner schwer oder vielleicht sogar tödlich erkrankt ist. Das sind mit Sicherheit Fälle, bei denen keiner einen Einwand erheben wird, die Familie nicht zusammenführen zu lassen, und deshalb sind wir mit Sicherheit nicht dagegen, dass man hier eine humanitäre Härtefallregel schafft.
    "Gesetzlich sehr gut regelbar"
    Münchenberg: Aber kann man das technisch so sauber dann präzisieren für eine Regelung, wenn man sagt, gleichzeitig bleibt der Nachzug erst mal ausgeschlossen, aber für bestimmte Sonderfälle würden wir das doch erlauben. Also kann man das technisch so sauber fassen? Droht da nicht ständiger Streit?
    Mayer: Das wäre aus meiner Sicht gesetzlich sehr gut regelbar, dass man eben die Aussetzung weiter über den 16. März kommenden Jahres hinaus fortsetzt, aber eben eine großzügigere Härtefallregelung schafft, dies es insbesondere dann auch unbürokratisch den Familienmitgliedern ermöglicht, in Deutschland sich zu vereinigen, insbesondere wenn beispielsweise nachweisbar eine schwerwiegende Erkrankung oder ein sonstiger schwerwiegender Schicksalsschlag vorliegt.
    Ich glaube, dass dies auch gut exekutierbar wäre über die Auslandsvertretungen unseres Landes, also über die Botschaften oder über die Generalkonsulate, wenn dann eben beide Beantragungen des Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung eben dieser Nachweise erbracht wird, dass im konkreten Fall eine sehr schwerwiegende und tragische Härtefallregelung auch greift.
    "Kein Aufweichen unserer Linie"
    Münchenberg: Das heißt aber, die CSU auch weicht hier ihre Linie etwas auf.
    Mayer: Nein, das ist kein Aufweichen unserer Linie. Es bleibt bei der generellen Linie, dass wir weiterhin festhalten wollen an der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten, aber wir sind sehr wohl offen für eine großzügigere Härtefallregelung.
    Münchenberg: Haben Sie irgendwelche Zahlen dazu, mit was für Zuwanderung dann die CSU rechnen würde?
    Mayer: Das lässt sich natürlich verlässlich nicht prognostizieren, aber ich gehe mal davon aus, dass es im kleinen dreistelligen Bereich sich bewegen würde, was da an Fällen im Jahr konkret auch unter diese Härtefallregelung fallen würde.
    Wir sehen aber insgesamt ja, dass wir jetzt knapp 300.000 subsidiär Schutzberechtigte in unserem Land haben, und wir als CSU legen weiterhin nachdrücklich Wert darauf, dass diese 300.000 Personen weiter ausgeschlossen bleiben von dem Familiennachzug, weil ansonsten davon ein sehr bedenkliches und auch falsches Signal ausgehen würde insbesondere in die Richtung der Herkunftsländer dieser Migranten, weil man eben dann davon ausgehen kann, wenn man es nach Deutschland schafft und auch als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt würde, dass man dann seine Kernfamilie nachziehen kann, und dieses Signal wollen wir auf keinen Fall geben.
    Münchenberg: Herr Mayer, nun ist aber schon jetzt absehbar, der SPD wird das alles nicht ausreichen, selbst wenn die Union sich an dieser Stelle leicht bewegen würde im Sinne, was Armin Laschet von der CDU, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hier angedeutet hat. Also das wird der SPD letztlich nicht ausreichen, die sagt, das sind so kleine Zahlen – Sie haben ja gerade von dreistelligen Zahlen gerechnet –, da wird man sich aus SPD-Sicht, die wird sagen, die CDU, die CSU müssen sich beide da mehr bewegen.
    Mayer: Die SPD muss sich natürlich schon die Frage gefallen lassen, weshalb sie vor zwei Jahren mit uns gemeinsam die Aussetzung des Familiennachzugs beschlossen hat, und aus meiner Sicht hat sich an der Richtigkeit und auch an der Notwendigkeit dieser Entscheidung nichts geändert, zumal eben in den letzten zwei Jahren die Anzahl derer, die als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt sind, sogar deutlich gestiegen sind.
    Münchenberg: Aber noch mal zur Klarstellung: Das ist weiterhin für die CSU eine rote Linie, wo man sagen wird, wir müssen die Aussetzung des Familiennachzugs im März unbedingt verlängern, etwas anderes wird es mit uns nicht geben.
    Mayer: Also das ist jetzt auch keine Neuigkeit. Natürlich ist die weitere Aussetzung des Familiennachzugs für die CSU ein sehr zentrales Thema, aber ich möchte auch noch mal ausdrücklich betonen, nicht nur für die CSU, sondern auch für die CDU, weil wir haben uns gemeinsam als Schwesterunionsparteien auf einen Maßnahmenkatalog verständigt, wie wir mit dem Thema Migration, humanitäre Migration umgehen wollen, und es ist die gemeinsame Position von CDU und CSU, dass wir über den März nächsten Jahres hinaus den Familiennachzug von subsidiär schutzberechtigten Personen aussetzen wollen. Gleichwohl halte ich jetzt nichts davon, kurz vor Beginn der Sondierungsgespräche hier rote Linie aufzuzeichnen und Bedingungen zu stellen, die, wenn sie nicht erfüllt werden, dann dazu führen würden, dass die Sondierungsgespräche beendet würden.
    Es ist kein Geheimnis, für uns als Union ist die weitere Aussetzung des Familiennachzugs ein sehr wichtiges Thema und bin der Hoffnung, dass es uns gelingt, die SPD auch von der weiteren Notwendigkeit der Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär schutzberechtigten Personen in den Verhandlungen zu überzeugen.
    Münchenberg: Herr Mayer, nun gibt es ja noch einen weiteren Streitpunkt in Sachen Migration, da geht es um die Begrenzung von Flüchtlingen im Jahr auf 200.000. Nun hat der CDU-Vizechef Thomas Strobl gefordert, die Zahl sogar noch weiter abzusenken. Er hat auf das Jahr 2012 verwiesen. Damals seien nur 65.000 Flüchtlinge gekommen. Ist das eine Sichtweise, der sich auch die CSU anschließen könnte, dass man sagt, eigentlich ist die Zahl von 200.000 auch viel zu hoch?
    Mayer: Es ist aus meiner Sicht auf jeden Fall schon einmal ein sehr großer politischer Erfolg, dass es in diesem Jahr gelungen ist, die Neuzuwanderung an illegaler Migration in unser Land auf unter 200.000 zu begrenzen. Ich möchte auch noch mal in Erinnerung rufen, wo wir herkommen: Noch vor zwei Jahren hatten wir knapp 900.000 illegale Migranten, die im Jahr 2015 nach Deutschland kamen.
    Also es ist, denke ich, schon mal auch aufgrund richtiger Maßnahmen und richtiger Entscheidungen, wie beispielsweise auch die Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze oder auch das EU-Türkei-Abkommen, ein wichtiger erfolgreicher Schritt, dass jetzt unter 200.000 noch in diesem Jahr zu uns gekommen sind.
    Münchenberg: Muss denn die Zahl 200.000 am Ende dann auch, wenn es denn soweit überhaupt kommen sollte, im Koalitionsvertrag stehen?
    Mayer: Die weitere Begrenzung und auch die noch stärkere Kontrolle der Zuwanderung in unser Land wird selbstverständlich auch ein zentrales Anliegen der CDU/CSU sein, und für die CSU insbesondere ist wichtig, dass wir auch mit einer konkreten Zahl untermauern, dass die Aufnahmekapazitäten unseres Landes nicht unbegrenzt sind, und diese Zahl 200.000 ist ja nicht willkürlich gegriffen.
    Wir sind der Überzeugung, dass Deutschland, dass die Kommunen, das unsere Bildungseinrichtungen, dass der Arbeitsmarkt, aber auch der Wohnungsmarkt nicht in der Lage sind, jedes Jahr mehr als 200.000 Zuwanderer zu verkraften, und vor dem Hintergrund würde es mit Sicherheit auch bei den anstehenden Sondierungsgesprächen und dann auch bei den möglichen Koalitionsverhandlungen uns als CSU ein sehr wichtiges Anliegen sein, dass wir auch diese konkrete Zahl in den Koalitionsvertrag schreiben.
    "Es geht auch nicht darum, ob jemand da mit wehenden Fahnen wieder in eine Große Koalition geht"
    Münchenberg: Herr Mayer, eine Frage hätte ich noch zum Schluss: Nun ist es ja nicht mehr lang, bis die Sondierungsgespräche offiziell beginnen. Wie würden Sie denn die Stimmung im Augenblick bei den CSU-Bundestagskollegen beschreiben? Gibt es da eigentlich welche, die so richtig begeistert sind von der Aussicht, möglicherweise wieder erneut mit der SPD zusammen in einer Regierung anzutreten?
    Mayer: Es geht jetzt auch nicht darum, ob jemand da mit wehenden Fahnen jetzt wieder in eine Große Koalition geht. Man muss, glaube ich, jetzt nicht persönlich hellauf begeistert sein, aber man muss das Bestreben haben, und das haben wir als CDU/CSU, dass wir schnellstmöglich für unser Land eine stabile und handlungsfähige Bundesregierung schaffen, und das sind wir den Wählerinnen und Wählern, das sind wir aber auch den Bundesbürgern schuldig, und die Bürger dürfen zu recht erwarten, dass alle demokratischen Parteien das ihre dazutun, schnellstmöglich zu dieser handlungsfähigen Bundesregierung zu kommen, und da geht es nicht darum, ob der Einzelne jetzt emotional hellauf begeistert ist, sondern es geht darum, jetzt das Richtige für das Land zu tun, und das ist aus meiner Sicht jetzt ganz konkret und ernsthaft seriös die Sondierungsgespräche und hoffentlich auch Koalitionsverhandlungen mit der SPD zu führen.
    Münchenberg: Sagt der CSU-Innenexperte Stephan Mayer heute Morgen hier im Deutschlandfunk.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.