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"Da kandidieren auch welche, die nur um ihrer selbst willen kandidieren"

Bei der Wahl zu den stellvertretenden FDP-Parteivorsitzenden seien Köpfe dabei, die sich "anscheinend unentbehrlich" fühlten, sagt Jürgen Koppelin (FDP). Seine Partei müsse im Bundestagswahlkampf vor allem um Nichtwähler kämpfen, sagt der Bundestagsabgeordnete.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Gerd Breker | 08.03.2013
    Gerd Breker: Die FDP vor ihrem Bundesparteitag am Wochenende in heller Aufregung. Zu gemischt sind die Umfragen: mal drin, mal draußen. Die Bundestagswahl wird wieder einmal zur Zitterpartie mit vielfältigen Konsequenzen. Eines ist gewiss: Nach dem Überraschungserfolg in Niedersachsen sitzt der umstrittene Parteivorsitzende Rösler fest im Sattel. Sein Spitzenkandidat Brüderle wird wohl Spitzenkandidat der Partei und der Rest ist erst einmal offen, wird zum Tauschgeschäft der Landesverbände.
    Am Telefon sind wir nun verbunden mit Jürgen Koppelin, er ist haushaltspolitischer Sprecher der FDP und, Herr Koppelin, wenn Sie mir verzeihen, ein FDP-Urgestein. Guten Tag!

    Jürgen Koppelin: Guten Tag! Ich grüße Sie.

    Breker: Herr Koppelin, wer nicht kämpft, der hat schon verloren. Sie persönlich sind davon überzeugt, die FDP schafft den Wiedereinzug in den Bundestag?

    Koppelin: Ja natürlich, denn die letzten drei Landtagswahlen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, haben es ja gezeigt, dass wir sehr gute Ergebnisse einfahren können. Und wenn eben davon gesprochen wurde, was Meinungsforscher über Herrn Rösler sagen - also wissen Sie, ich gucke auf diese Meinungsforscher überhaupt nicht mehr, weil die meisten Zahlen in den letzten eineinhalb Jahren überhaupt nie gestimmt haben. Herr Rösler sollte sich davon nicht irremachen lassen.

    Breker: Das Spitzenduo Rösler/Brüderle steht. Wer muss da personell noch hinzukommen?

    Koppelin: Na ja, wir werden eine Wahl haben zum Präsidium der Partei, und da sind ja schon eben von Ihnen Namen genannt worden, und da muss jeder, der kandidiert, sich selbst überlegen, was kann er einbringen, um zum Erfolg der FDP bei der Bundestagswahl beizutragen. Nun hat natürlich, das gebe ich dann zu, der eine oder andere auch in unserer Partei den Eindruck, da kandidieren auch welche, die nur um ihrer selbst willen kandidieren, sie fühlen sich anscheinend unentbehrlich. Das gibt es aber in jeder Partei und da wird der Parteitag dann entscheiden.

    Breker: Oberstes Gebot, Herr Koppelin, ist: Alle versammeln sich hinter Rösler und Brüderle?

    Koppelin: Na ich will mal Folgendes sagen: Ich bin ja ein großer Fan von Western-Filmen. Im Fluss - das sehen Sie bei Western-Filmen - sollte man nicht die Pferde wechseln.

    Breker: Herr Koppelin, wenn wir auf die Inhalte der FDP schauen: Die Wirtschaftspartei will Lohnuntergrenzen. Irritiert das nicht?

    Koppelin: Nein, überhaupt nicht. Also mich jedenfalls nicht. Den einen oder anderen mag das irritieren, auch in meiner Partei. Natürlich, ich weiß, dass unsere Freunde in Baden-Württemberg oder so immer Probleme mit dem Thema Mindestlohn hatten. Wir in Schleswig-Holstein - ich bin ja da Ehrenvorsitzender im Landesverband Schleswig-Holstein der FDP -, wir haben seit vielen Jahren Mindestlohn gefordert, allerdings nicht flächendeckend, das muss man sagen, sondern regional bezogen. Denn natürlich kann man in Schleswig-Holstein bei mir an der Westküste nicht einen Mindestlohn zahlen, den man vielleicht in Stuttgart zahlen könnte. Aber es kann nicht sein, dass teilweise Leute wirklich zu geringstem Lohn arbeiten müssen und der Staat gibt noch etwas dazu. Das kann nicht sein. Das ist auch einfach, ich sage jetzt mal, unanständig.

    Breker: Herr Koppelin, ist denn aus Ihrer Sicht die FDP eigentlich programmatisch noch eindeutig definierbar aufgestellt?

    Koppelin: Ich glaube, für die Öffentlichkeit leider manchmal nicht. In der Partei selbst, in der Bundestagsfraktion, würde ich sagen, ja. Und jetzt kommt es darauf an, dass die FDP auch in den nächsten Wochen ihre Kompetenz zeigt. Bei Bürgerrechten ist das ganz klar, da steht Frau Leutheusser-Schnarrenberger dafür, das ist bekannt. Aber wir müssen, oder die Partei, die für Finanz- und Wirtschaftspolitik mal gewählt wurde, 2009 bei der Bundestagswahl, die muss diese Kompetenz nach draußen bei den Wählern wieder zeigen, und das kann sie auch. Zum Beispiel, indem man sagt, wohin steuert denn der Euro. Die Menschen sind ja verunsichert. Ist unser Geld noch sicher, fragen sich viele, und die Politik gibt darauf keine Antworten. Aber ich könnte genauso sagen, was viele Bürger fragen, auch bei Veranstaltungen, komme ich eines Tages mit meiner Rente noch aus. Das sind alles Dinge, worauf die FDP eine Antwort geben muss, und die FDP muss auch eine Antwort darauf geben, was ist mit der Macht der Banken. Ich bin der Auffassung, und meine Landespartei auch in Schleswig-Holstein, leider noch nicht jeder in der Bundespartei, dass wir die Macht der Banken einschränken müssen, ja dass einige Banken, die vielleicht zu groß sind, geteilt werden müssen, damit sie nicht zu mächtig werden. Denn geht eine Bank Pleite, was wir ja alles schon erlebt haben, dann steht plötzlich der Steuerzahler dafür gerade, und das darf einfach nicht sein.

    Breker: Herr Koppelin, die FDP hat auch intern ein strukturelles Problem. Von zweistellig auf einstellig, wenn überhaupt die FDP es schafft, noch mal in den Bundestag zu kommen. Da muss, da wird dann wahrscheinlich auch intern der Spruch gelten, wer nicht kämpft, hat schon verloren, und mit harten Bandagen gekämpft werden.

    Koppelin: Natürlich! Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Das haben Sie ja selbst bei einem Sender mit Einschaltquoten, weil Sie müssen ja auch kämpfen um Einschaltquoten. Da sind wir also ähnlich.
    Nein, ich denke mal anders gesagt: Die FDP wird vor allem um Nichtwähler, bisherige Nichtwähler kämpfen müssen, denn es hat ja keinen Zweck: Wenn wir die Bundestagswahl zusammen mit der Union, mit der guten Politik, sage ich auch mal, mit der Bundeskanzlerin, wenn wir diese Bundestagswahl gemeinsam, CDU/CSU und FDP, gewinnen wollen, dann muss sich die FDP vor allem um die Nichtwähler kümmern, denn es hat keinen Zweck, dass die FDP sich vielleicht um CDU-Wähler bemüht, nach dem Motto, wählt diesmal die FDP. Dann reicht es immer noch nicht, sondern wir müssen uns um die Nichtwähler kümmern, und da sehe ich eine gute Chance.

    Ich sehe eine gute Chance vor allem dann, wenn die FDP sich zum Ziel setzt, schwierige Politik den Menschen zu erklären und zu zeigen, warum Politik so kompliziert ist, aber dass die Menschen es verstehen. Das wäre eine ganz, ganz große Aufgabe für alle Parteien, aber ich glaube, die FDP hat hier in diesem Bereich die größte Chance und daraus könnte sie aus dem Nichtwählerpotenzial dann gewinnen.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung von Jürgen Koppelin, er ist der Ehrenvorsitzende der FDP in Schleswig-Holstein. Herr Koppelin, danke!

    Koppelin: Ja bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.