Friedbert Meurer: In der letzten Woche war es genau zwei Jahre her, dass in New York die Investmentbank Lehman Brothers Pleite ging. Von da an nahm das weitere Unheil seinen Lauf. Beinahe wäre zur deutschen Lehman-Bank die HRE-Bank geworden. Sie hatte sich völlig verspekuliert und wäre Pleite gegangen, wenn sie nicht verstaatlicht worden wäre. Das Kapitel ist noch nicht zugeschlagen; der Staat muss nämlich weiter über den Bankenrettungsfonds SoFFin Gelder an die HRE-Bank pumpten, auch und gerade in Form von Garantien. Aus dem Institut erfährt man aber etwas ganz anderes, nämlich: Es werden munter Boni gezahlt.
Es gibt eine ganze Anzahl von Reaktionen mit Empörung darüber, dass die Boni bezahlt werden, und darüber will ich mich unterhalten mit Wolfgang Gerke. Er ist Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Guten Morgen, Herr Professor Gerke.
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Wenn Sie im Aufsichtsrat der HRE-Bank beziehungsweise auch im SoFFin sitzen würden, hätten Sie die Hand hochgehoben für die Boni?
Gerke: Nein, das hätte ich nicht. Das ist sehr unsensibel, was da läuft. Der Steuerzahler garantiert im Moment die Arbeitsplätze, die wären ja längst verloren gegangen, und da kann man nicht davon ausgehen, dass diese Boni-Zahlungen in der Öffentlichkeit akzeptiert werden, denn es sind Halteprämien für Mitarbeiter in einer Bank, die ihre Existenzberechtigung verspielt hat, und da muss man wirklich sagen verspielt, im wahrsten Sinne des Wortes verzockt hat, und da kann man nicht noch Erfolgsprämien zahlen, zumal kein Erfolg da ist, denn man hat für das Jahr ja 2,2 Milliarden Verlust geschrieben, wie Sie ja auch gerade in Ihrem Beitrag genannt haben.
Meurer: In dem Beitrag haben wir ja auch gehört, vor einigen Monaten ist es dem damaligen Vorsitzenden Wieandt noch sozusagen untersagt worden, die Prämien zu bezahlen. Unter der neuen Chefin, Frau Better, wird jetzt gezahlt. Haben Sie eine Erklärung, was da abgelaufen ist in den letzten Monaten?
Gerke: Ich kann mir vorstellen, dass Frau Better darauf hingewiesen hat, dass die Bank in Schwierigkeiten kommen könnte, wenn die besten Mitarbeiter gehen, dass man auch Verpflichtungen hier hat, die man glaubt, erfüllen zu müssen. Man muss sich aber die Alternative vorstellen. Die Alternative ist ja, dass die Bank in Insolvenz geraten wäre, und da kann man nicht handeln wie bei anderen Banken, die normal ihre Gewinne erwirtschaften.
Meurer: Was ist denn an dem Argument, Herr Gerke, dran, dass man Halteprämien an Mitarbeiter bezahlen muss, hoch qualifizierte Leute, die, wenn sie Prämien und Boni nicht bekämen, die HRE-Bank verlassen und sich ein anderes Institut suchen?
Gerke: Es ist sicherlich für jemanden, der eine sehr gute Leistung bringt, verständlich, dass er bei einer Bank, die so in Schieflage geraten ist, sich auch nach Alternativen umschaut, und wenn er die bekommt, dass er die dann nutzt. Insofern kann man dieses Argument nicht ganz wegschieben, dass eine Gefahr besteht, dass gerade die besten Leute gehen. Aber man muss ja auch mal überlegen: So eine Schieflage ist ja nicht nur die Verantwortung von einer einzelnen Person. Es ist doch Wahnsinn, dass so eine Bank 142 Milliarden Garantien braucht, um überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen. Das ist auch eine Leistung vieler, die daran mitgewirkt haben, die nicht gewarnt haben, und die sollen jetzt noch eine Erfolgsprämie dafür bekommen, dass sie weiter bereit sind, die Bank zu sanieren. Da stimmen irgendwie die Verhältnismäßigkeiten nicht.
Meurer: "Der Spiegel" nennt die HRE-Bank eine Zombiebank. Ist das schon ehrenrührig für einen Top-Mann oder –Frau, für diese Bank zu arbeiten?
Gerke: Nein, das kann man so nicht sagen. Ehrenrührig ist das, was passiert ist, aber natürlich arbeitet man bei einer Bank mit einer hundsmiserablen Reputation und das werden auch die Mitarbeiter zu spüren bekommen, wenn sie im privaten Gespräch in der Kneipe erzählen, wo sie beschäftigt sind. Nun gibt es auch andere Banken, die sehr stark an Ruf verloren haben; nur das, was bei der HRE passiert ist, das ist natürlich wirklich der größte Gau, den wir beobachten können, in Deutschland.
Meurer: Der größte Gau deswegen, weniger, vermute ich, wegen der 25 Millionen Euro, sondern weil der Staat mittlerweile mit 140 Milliarden Euro garantiert, direkte Kapitalspritzen, wenn jetzt noch mal eine neue dazu kommt, zehn Milliarden Euro. Ist die HRE-Bank ein Fass ohne Boden?
Gerke: Es ist eine Bank, die ihre Existenzberechtigung nicht mehr hat, und sicherlich war es richtig, dass man die Bank kurzfristig gerettet hat. Die Folgen am Kapitalmarkt wären dramatischer Natur gewesen, für Versorgungswerke, also unsere betriebliche Altersvorsorge, für Lebensversicherer und viele andere. Aber im Nachhinein muss man sagen, vielleicht hätte man die Alternative stärker prüfen müssen, wenigstens heute stärker prüfen.
Meurer: Die wäre was gewesen?
Gerke: Die Bank nicht zu retten, sondern die Kunden der Bank zu retten und die Bank zu schließen. Jetzt wird mit allen Mitteln versucht, den gesunden Teil als Bank weiterzuführen. Den hätte man ja auch verkaufen können.
Meurer: Da wurde damals gesagt, die HRE-Bank steht für Pfandbriefe und das braucht einfach unser System, denn man löst eine Kettenreaktion aus, wenn man die Bank aufgelöst hätte.
Gerke: Ja, das ist vom Grundgedanken her nicht verkehrt. Aber die Kettenreaktion wäre ja jetzt nicht mehr eingetreten, wenn man demonstriert hätte, dass man den Pfandbrief nicht in Gefahr führt, dass man die Schuldverschreibungen auch der HRE bedient, dass man aber der HRE selber eben doch das Signal gibt, wer so zockt, der hat seine Existenzberechtigung verspielt, der wird – und das Wort nenne ich ganz bewusst, was Herr Steinbrück damals etwas voreilig in den Mund genommen hat – abgewickelt.
Meurer: Lässt sich die Bank jetzt noch abwickeln?
Gerke: Ja, es ließe sich natürlich noch abwickeln. Aber nachdem man so weit gegangen ist, kommt natürlich auch die Überlegung, bringt das jetzt noch was. Aber machbar ist das natürlich, klar. Das ist ja auch irgendwo sicherlich auch im Hinterkopf des Staates, dass er sagt, so schnell wie möglich die Teile, die man am Markt veräußern kann, dann auch in die Privatwirtschaft zurückzuführen. Aber vorher hat man mit der Riesen-Bad-Bank ganz andere Sorgen. Man muss sich vorstellen, dass in so eine Bad Bank dann zwischen 185 und 195 Milliarden Euro hineinwandern werden.
Meurer: Da wir hier über schwindelerregende Summen reden, Herr Gerke, wie viel muss der Steuerzahler am Ende blechen?
Gerke: Das ist eine Frage, da wäre ich froh, ich könnte diese beantworten. Ich möchte da keine Zahl nennen, denn da ist zu viel Spekulation dann dahinter, dazu muss man die Interna besser kennen, muss wissen, was man für die Dinge, die jetzt keinen Marktpreis haben, am Markt in den nächsten Jahren noch bekommen kann. Ich glaube, da ist kaum einer richtig in der Lage, die Zahl zu treffen.
Meurer: Das war Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München, zu den neuen Schlagzeilen, die die HRE-Bank verursacht. Danke, Herr Gerke, und auf Wiederhören.
Gerke: Schönen Tag, Herr Meurer.
Es gibt eine ganze Anzahl von Reaktionen mit Empörung darüber, dass die Boni bezahlt werden, und darüber will ich mich unterhalten mit Wolfgang Gerke. Er ist Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München. Guten Morgen, Herr Professor Gerke.
Wolfgang Gerke: Guten Morgen, Herr Meurer!
Meurer: Wenn Sie im Aufsichtsrat der HRE-Bank beziehungsweise auch im SoFFin sitzen würden, hätten Sie die Hand hochgehoben für die Boni?
Gerke: Nein, das hätte ich nicht. Das ist sehr unsensibel, was da läuft. Der Steuerzahler garantiert im Moment die Arbeitsplätze, die wären ja längst verloren gegangen, und da kann man nicht davon ausgehen, dass diese Boni-Zahlungen in der Öffentlichkeit akzeptiert werden, denn es sind Halteprämien für Mitarbeiter in einer Bank, die ihre Existenzberechtigung verspielt hat, und da muss man wirklich sagen verspielt, im wahrsten Sinne des Wortes verzockt hat, und da kann man nicht noch Erfolgsprämien zahlen, zumal kein Erfolg da ist, denn man hat für das Jahr ja 2,2 Milliarden Verlust geschrieben, wie Sie ja auch gerade in Ihrem Beitrag genannt haben.
Meurer: In dem Beitrag haben wir ja auch gehört, vor einigen Monaten ist es dem damaligen Vorsitzenden Wieandt noch sozusagen untersagt worden, die Prämien zu bezahlen. Unter der neuen Chefin, Frau Better, wird jetzt gezahlt. Haben Sie eine Erklärung, was da abgelaufen ist in den letzten Monaten?
Gerke: Ich kann mir vorstellen, dass Frau Better darauf hingewiesen hat, dass die Bank in Schwierigkeiten kommen könnte, wenn die besten Mitarbeiter gehen, dass man auch Verpflichtungen hier hat, die man glaubt, erfüllen zu müssen. Man muss sich aber die Alternative vorstellen. Die Alternative ist ja, dass die Bank in Insolvenz geraten wäre, und da kann man nicht handeln wie bei anderen Banken, die normal ihre Gewinne erwirtschaften.
Meurer: Was ist denn an dem Argument, Herr Gerke, dran, dass man Halteprämien an Mitarbeiter bezahlen muss, hoch qualifizierte Leute, die, wenn sie Prämien und Boni nicht bekämen, die HRE-Bank verlassen und sich ein anderes Institut suchen?
Gerke: Es ist sicherlich für jemanden, der eine sehr gute Leistung bringt, verständlich, dass er bei einer Bank, die so in Schieflage geraten ist, sich auch nach Alternativen umschaut, und wenn er die bekommt, dass er die dann nutzt. Insofern kann man dieses Argument nicht ganz wegschieben, dass eine Gefahr besteht, dass gerade die besten Leute gehen. Aber man muss ja auch mal überlegen: So eine Schieflage ist ja nicht nur die Verantwortung von einer einzelnen Person. Es ist doch Wahnsinn, dass so eine Bank 142 Milliarden Garantien braucht, um überhaupt einigermaßen über die Runden zu kommen. Das ist auch eine Leistung vieler, die daran mitgewirkt haben, die nicht gewarnt haben, und die sollen jetzt noch eine Erfolgsprämie dafür bekommen, dass sie weiter bereit sind, die Bank zu sanieren. Da stimmen irgendwie die Verhältnismäßigkeiten nicht.
Meurer: "Der Spiegel" nennt die HRE-Bank eine Zombiebank. Ist das schon ehrenrührig für einen Top-Mann oder –Frau, für diese Bank zu arbeiten?
Gerke: Nein, das kann man so nicht sagen. Ehrenrührig ist das, was passiert ist, aber natürlich arbeitet man bei einer Bank mit einer hundsmiserablen Reputation und das werden auch die Mitarbeiter zu spüren bekommen, wenn sie im privaten Gespräch in der Kneipe erzählen, wo sie beschäftigt sind. Nun gibt es auch andere Banken, die sehr stark an Ruf verloren haben; nur das, was bei der HRE passiert ist, das ist natürlich wirklich der größte Gau, den wir beobachten können, in Deutschland.
Meurer: Der größte Gau deswegen, weniger, vermute ich, wegen der 25 Millionen Euro, sondern weil der Staat mittlerweile mit 140 Milliarden Euro garantiert, direkte Kapitalspritzen, wenn jetzt noch mal eine neue dazu kommt, zehn Milliarden Euro. Ist die HRE-Bank ein Fass ohne Boden?
Gerke: Es ist eine Bank, die ihre Existenzberechtigung nicht mehr hat, und sicherlich war es richtig, dass man die Bank kurzfristig gerettet hat. Die Folgen am Kapitalmarkt wären dramatischer Natur gewesen, für Versorgungswerke, also unsere betriebliche Altersvorsorge, für Lebensversicherer und viele andere. Aber im Nachhinein muss man sagen, vielleicht hätte man die Alternative stärker prüfen müssen, wenigstens heute stärker prüfen.
Meurer: Die wäre was gewesen?
Gerke: Die Bank nicht zu retten, sondern die Kunden der Bank zu retten und die Bank zu schließen. Jetzt wird mit allen Mitteln versucht, den gesunden Teil als Bank weiterzuführen. Den hätte man ja auch verkaufen können.
Meurer: Da wurde damals gesagt, die HRE-Bank steht für Pfandbriefe und das braucht einfach unser System, denn man löst eine Kettenreaktion aus, wenn man die Bank aufgelöst hätte.
Gerke: Ja, das ist vom Grundgedanken her nicht verkehrt. Aber die Kettenreaktion wäre ja jetzt nicht mehr eingetreten, wenn man demonstriert hätte, dass man den Pfandbrief nicht in Gefahr führt, dass man die Schuldverschreibungen auch der HRE bedient, dass man aber der HRE selber eben doch das Signal gibt, wer so zockt, der hat seine Existenzberechtigung verspielt, der wird – und das Wort nenne ich ganz bewusst, was Herr Steinbrück damals etwas voreilig in den Mund genommen hat – abgewickelt.
Meurer: Lässt sich die Bank jetzt noch abwickeln?
Gerke: Ja, es ließe sich natürlich noch abwickeln. Aber nachdem man so weit gegangen ist, kommt natürlich auch die Überlegung, bringt das jetzt noch was. Aber machbar ist das natürlich, klar. Das ist ja auch irgendwo sicherlich auch im Hinterkopf des Staates, dass er sagt, so schnell wie möglich die Teile, die man am Markt veräußern kann, dann auch in die Privatwirtschaft zurückzuführen. Aber vorher hat man mit der Riesen-Bad-Bank ganz andere Sorgen. Man muss sich vorstellen, dass in so eine Bad Bank dann zwischen 185 und 195 Milliarden Euro hineinwandern werden.
Meurer: Da wir hier über schwindelerregende Summen reden, Herr Gerke, wie viel muss der Steuerzahler am Ende blechen?
Gerke: Das ist eine Frage, da wäre ich froh, ich könnte diese beantworten. Ich möchte da keine Zahl nennen, denn da ist zu viel Spekulation dann dahinter, dazu muss man die Interna besser kennen, muss wissen, was man für die Dinge, die jetzt keinen Marktpreis haben, am Markt in den nächsten Jahren noch bekommen kann. Ich glaube, da ist kaum einer richtig in der Lage, die Zahl zu treffen.
Meurer: Das war Professor Wolfgang Gerke, Präsident des Bayerischen Finanzzentrums in München, zu den neuen Schlagzeilen, die die HRE-Bank verursacht. Danke, Herr Gerke, und auf Wiederhören.
Gerke: Schönen Tag, Herr Meurer.