Stefan Heinlein: Das Schwarze-Peter-Spiel um die Kongo-Mission scheint zu Ende. Wie eine heiße Kartoffel wurde wochenlang die Verantwortung für die Führung des riskanten Einsatzes hin- und hergeschoben. Nun beugte sich die Bundesregierung offenbar dem wachsenden internationalen Druck. So viel scheint klar: Deutschland und Frankreich werden gemeinsam den Großteil der geplanten 1500 Soldaten stellen. Die zeitliche Begrenzung des Einsatzes auf vier Monate und die Konzentration auf die Hauptstadt Kinshasa sollen das Risiko für die Bundeswehr begrenzen. Dennoch: Auch in den Regierungsfraktionen wächst das Unbehagen.
Bei mir am Telefon ist nun der Verteidigungsexperte der Union, Thomas Kossendey. Guten Tag Herr Kossendey!
Thomas Kossendey: Ja, guten Tag!
Heinlein: Eine wichtige strategische Aufgabe – wir haben Angela Merkel gerade gehört. Teilen Sie die Meinung der Kanzlerin?
Kossendey: Ja. Der letzte EU-Gipfel hat das ja sehr deutlich gezeigt, dass Afrika auch eine ganz wichtige Aufgabe für Europa ist. Wenn Europa diese Aufgabe ernst nimmt, müssen wir insbesondere den Ländern in Afrika, die sich auf dem Wege zur Demokratie nach vorne bewegen, Unterstützung geben.
Heinlein: Werden die deutschen Sicherheitsinteressen jetzt also nicht nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch in Zentralafrika?
Kossendey: Es sind nicht nur deutsche, es sind europäische Interessen, die im Kongo auf dem Spiel stehen. Die demokratische Republik Kongo ist eigentlich auch wegen der Größe und wegen des Reichtums an Rohstoffen ein zentrales Land in Afrika. Die Entwicklung dort, die sich seit 40 Jahren zum ersten Mal Richtung demokratische Wahlen entwickelt, die kann uns nicht egal sein. Da müssen wir helfen, insbesondere wenn wir darum gefragt werden. Wir müssen auch aufpassen, dass sich in einem instabilen Kongo nicht eines Tages Rückzugsgebiete für international agierende terroristische Gruppen etablieren oder – eigentlich auch ein ganz wichtiger Aspekt – dass die Rohstoffe, die im Kongo gefördert werden, nicht nur einer kleinen Clique zugute kommen, sondern letztendlich auch zum Reichtum der Bevölkerung beitragen. All das sind Dinge, die aus europäischer Sicht nicht unwichtig sind.
Heinlein: Aber welchen Sinn, Herr Kossendey, macht es denn, 1500 Soldaten in ein Land zu schicken, das fast so groß ist wie ganz Westeuropa?
Kossendey: Diese Frage hören wir öfter. Dazu muss man wissen, dass jetzt schon 17.000 UN-Soldaten im Kongo sind, auch übrigens mit deutscher Unterstützung, auch übrigens mit deutschem Geld bezahlt, um dort diesen Demokratisierungsprozess seit Jahren zu stabilisieren. Zusätzlich zu diesen 17.000 werden 1500 Soldaten aus Europa erbeten, die den etwas kritischeren Prozess um die Wahlen herum beschützen sollen und die bei eventuellen Unruhen dafür sorgen sollen, dass die Wahlbeobachter, aber auch zum Beispiel deutsche Staatsbürger gefahrlos das Land schnell verlassen können.
Heinlein: Bleibt es denn bei diesen vier Monaten in jedem Fall, denn viele Militärs befürchten ja "einmal Kongo, immer Kongo"?
Kossendey: Das ist in der Tat eine Sorge, die man ernst nehmen muss, und genau das wird ein Thema sein, das wir mit dem Verteidigungsminister, aber auch mit der Bundeskanzlerin zu besprechen haben. Wir werden von Seiten der Bundeswehr nicht in der Lage sein, ein Engagement über vier Monate hinaus im Kongo zu organisieren. Dazu sind die Belastungen, die wir an anderen Orten der Welt übernommen haben, zu groß, und dazu ist letztendlich auch die Ausrüstung der Bundeswehr nicht so, dass wir uns das ohne weiteres leisten können. Wir sind ja jetzt schon am Überlegen, ob wir die Soldaten vielleicht am besten auf dem Wasser oder in Gabun stationieren, um dann nur im Ernstfall eingreifen zu können, um Hilfe leisten zu können.
Heinlein: Ist dieser Einsatz schlecht vorbereitet?
Kossendey: Nein, das kann man sicher nicht sagen, im Gegenteil. Mich hat ein bisschen geärgert, dass wir zweieinhalb Monate lang öffentlich diskutiert haben, welche Soldaten da hingehen, welches Land wie viele Soldaten stellt. Schauen Sie, das hat sicher auch damit zu tun, dass diese europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik jetzt in einem Stadium des Anfangs überhaupt ist, und da knirscht es noch manchmal. Das wird auf Dauer sicher besser werden, aber das ist nun mal der erste größere Einsatz, an dem sich das europäische Zusammenspiel erproben muss. Dass das nicht immer alles 110-prozentig klappt, liegt auf der Hand. Deswegen ist auch der Abstimmungsprozess so außergewöhnlich lange gewesen.
Heinlein: Sie klingen jetzt sehr positiv, Herr Kossendey. Sie befürworten diesen Einsatz der Bundeswehr. In Ihrer Fraktion und auch bei Ihrem Koalitionspartner der SPD gibt es ja sehr kritische Stimmen. Wir haben Johannes Kahrs gehört. Wie groß sind denn die Zweifel in Ihrer Fraktion der Union, was diesen Einsatz betrifft?
Kossendey: Glauben Sie nur nicht, dass ich optimistisch in diesen Einsatz reingehe und mich darüber freue, dass unsere Soldaten wieder ein Betätigungsfeld in fremden Welten finden. Nein, wir haben alle Sorgen, und ich sage Ihnen, gerade wir im Verteidigungsausschuss, die wir den Soldaten praktisch am nächsten sind von den politisch Agierenden hier in Berlin, wir machen uns große Sorgen, wie dieser Einsatz vorbereitet wird, ob die Soldaten diesen Einsatz wirklich meistern können. Von daher haben wir alle Sorgen. Die einen haben vielleicht mehr Sorgen, weil sie weniger Informationen haben, aber bei uns ist das, glaube ich, im Verteidigungsausschuss ausgewogen. Von daher ist trotz unserer Sorgen, trotz unserer kritischen Nachfragen im Augenblick die große Mehrheit der Mitglieder im Verteidigungsausschuss der Meinung, dass wir das tun sollten, und ich glaube wir können auch die Mehrheit im Plenum davon überzeugen, und zwar eine Mehrheit, die größer ist als nur das Bündnis zwischen SPD und CDU.
Heinlein: Also die notwendige Mehrheit, die braucht es ja im Bundestag, für diesen Einsatz sehen Sie in keinem Fall in Gefahr?
Kossendey: Nein. Nach all dem, was ich bis jetzt von den Kolleginnen und Kollegen weiß, sehe ich sie nicht in Gefahr. Allerdings will ich gerne hinzufügen, dass wir auf viele Fragen, die wir im Augenblick noch haben, die das Detail des Einsatzes angehen, noch Antworten haben müssen. Dazu gehört sicher auch die Frage des Exits nach vier Monaten.
Heinlein: Das war der Verteidigungsexperte der Union, Thomas Kossendey, heute Mittag hier im Deutschlandfunk. Herr Kossendey, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Kossendey: Danke auch.
Bei mir am Telefon ist nun der Verteidigungsexperte der Union, Thomas Kossendey. Guten Tag Herr Kossendey!
Thomas Kossendey: Ja, guten Tag!
Heinlein: Eine wichtige strategische Aufgabe – wir haben Angela Merkel gerade gehört. Teilen Sie die Meinung der Kanzlerin?
Kossendey: Ja. Der letzte EU-Gipfel hat das ja sehr deutlich gezeigt, dass Afrika auch eine ganz wichtige Aufgabe für Europa ist. Wenn Europa diese Aufgabe ernst nimmt, müssen wir insbesondere den Ländern in Afrika, die sich auf dem Wege zur Demokratie nach vorne bewegen, Unterstützung geben.
Heinlein: Werden die deutschen Sicherheitsinteressen jetzt also nicht nur am Hindukusch verteidigt, sondern auch in Zentralafrika?
Kossendey: Es sind nicht nur deutsche, es sind europäische Interessen, die im Kongo auf dem Spiel stehen. Die demokratische Republik Kongo ist eigentlich auch wegen der Größe und wegen des Reichtums an Rohstoffen ein zentrales Land in Afrika. Die Entwicklung dort, die sich seit 40 Jahren zum ersten Mal Richtung demokratische Wahlen entwickelt, die kann uns nicht egal sein. Da müssen wir helfen, insbesondere wenn wir darum gefragt werden. Wir müssen auch aufpassen, dass sich in einem instabilen Kongo nicht eines Tages Rückzugsgebiete für international agierende terroristische Gruppen etablieren oder – eigentlich auch ein ganz wichtiger Aspekt – dass die Rohstoffe, die im Kongo gefördert werden, nicht nur einer kleinen Clique zugute kommen, sondern letztendlich auch zum Reichtum der Bevölkerung beitragen. All das sind Dinge, die aus europäischer Sicht nicht unwichtig sind.
Heinlein: Aber welchen Sinn, Herr Kossendey, macht es denn, 1500 Soldaten in ein Land zu schicken, das fast so groß ist wie ganz Westeuropa?
Kossendey: Diese Frage hören wir öfter. Dazu muss man wissen, dass jetzt schon 17.000 UN-Soldaten im Kongo sind, auch übrigens mit deutscher Unterstützung, auch übrigens mit deutschem Geld bezahlt, um dort diesen Demokratisierungsprozess seit Jahren zu stabilisieren. Zusätzlich zu diesen 17.000 werden 1500 Soldaten aus Europa erbeten, die den etwas kritischeren Prozess um die Wahlen herum beschützen sollen und die bei eventuellen Unruhen dafür sorgen sollen, dass die Wahlbeobachter, aber auch zum Beispiel deutsche Staatsbürger gefahrlos das Land schnell verlassen können.
Heinlein: Bleibt es denn bei diesen vier Monaten in jedem Fall, denn viele Militärs befürchten ja "einmal Kongo, immer Kongo"?
Kossendey: Das ist in der Tat eine Sorge, die man ernst nehmen muss, und genau das wird ein Thema sein, das wir mit dem Verteidigungsminister, aber auch mit der Bundeskanzlerin zu besprechen haben. Wir werden von Seiten der Bundeswehr nicht in der Lage sein, ein Engagement über vier Monate hinaus im Kongo zu organisieren. Dazu sind die Belastungen, die wir an anderen Orten der Welt übernommen haben, zu groß, und dazu ist letztendlich auch die Ausrüstung der Bundeswehr nicht so, dass wir uns das ohne weiteres leisten können. Wir sind ja jetzt schon am Überlegen, ob wir die Soldaten vielleicht am besten auf dem Wasser oder in Gabun stationieren, um dann nur im Ernstfall eingreifen zu können, um Hilfe leisten zu können.
Heinlein: Ist dieser Einsatz schlecht vorbereitet?
Kossendey: Nein, das kann man sicher nicht sagen, im Gegenteil. Mich hat ein bisschen geärgert, dass wir zweieinhalb Monate lang öffentlich diskutiert haben, welche Soldaten da hingehen, welches Land wie viele Soldaten stellt. Schauen Sie, das hat sicher auch damit zu tun, dass diese europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik jetzt in einem Stadium des Anfangs überhaupt ist, und da knirscht es noch manchmal. Das wird auf Dauer sicher besser werden, aber das ist nun mal der erste größere Einsatz, an dem sich das europäische Zusammenspiel erproben muss. Dass das nicht immer alles 110-prozentig klappt, liegt auf der Hand. Deswegen ist auch der Abstimmungsprozess so außergewöhnlich lange gewesen.
Heinlein: Sie klingen jetzt sehr positiv, Herr Kossendey. Sie befürworten diesen Einsatz der Bundeswehr. In Ihrer Fraktion und auch bei Ihrem Koalitionspartner der SPD gibt es ja sehr kritische Stimmen. Wir haben Johannes Kahrs gehört. Wie groß sind denn die Zweifel in Ihrer Fraktion der Union, was diesen Einsatz betrifft?
Kossendey: Glauben Sie nur nicht, dass ich optimistisch in diesen Einsatz reingehe und mich darüber freue, dass unsere Soldaten wieder ein Betätigungsfeld in fremden Welten finden. Nein, wir haben alle Sorgen, und ich sage Ihnen, gerade wir im Verteidigungsausschuss, die wir den Soldaten praktisch am nächsten sind von den politisch Agierenden hier in Berlin, wir machen uns große Sorgen, wie dieser Einsatz vorbereitet wird, ob die Soldaten diesen Einsatz wirklich meistern können. Von daher haben wir alle Sorgen. Die einen haben vielleicht mehr Sorgen, weil sie weniger Informationen haben, aber bei uns ist das, glaube ich, im Verteidigungsausschuss ausgewogen. Von daher ist trotz unserer Sorgen, trotz unserer kritischen Nachfragen im Augenblick die große Mehrheit der Mitglieder im Verteidigungsausschuss der Meinung, dass wir das tun sollten, und ich glaube wir können auch die Mehrheit im Plenum davon überzeugen, und zwar eine Mehrheit, die größer ist als nur das Bündnis zwischen SPD und CDU.
Heinlein: Also die notwendige Mehrheit, die braucht es ja im Bundestag, für diesen Einsatz sehen Sie in keinem Fall in Gefahr?
Kossendey: Nein. Nach all dem, was ich bis jetzt von den Kolleginnen und Kollegen weiß, sehe ich sie nicht in Gefahr. Allerdings will ich gerne hinzufügen, dass wir auf viele Fragen, die wir im Augenblick noch haben, die das Detail des Einsatzes angehen, noch Antworten haben müssen. Dazu gehört sicher auch die Frage des Exits nach vier Monaten.
Heinlein: Das war der Verteidigungsexperte der Union, Thomas Kossendey, heute Mittag hier im Deutschlandfunk. Herr Kossendey, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.
Kossendey: Danke auch.