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'...da wird ein Sturm durch die Arbeitsämter fegen, der sich gewaschen hat.'

Kapern: Am Telefon ist nun Peter Dreßen von der SPD, Mitglied im Ausschuss für Arbeitsmarkt und Sozialordnung des Bundestags. Guten Tag, Herr Dreßen.

    Dreßen: Guten Tag, Herr Kapern.

    Kapern: Herr Dreßen, die Nürnberger Bundesanstalt, ein kapitaler Sanierungsfall?

    Dreßen: Ja also, wenn das Missverhältnis, das jetzt da zutage kommt stimmt, dann ist wirklich eine Generalsanierung angesagt. Aber wie gesagt, ich möchte auch erst mal abwarten, was die Prüfungen ergeben. Aber wenn das so wäre, wie das jetzt von Rechnungsprüfungshof festgestellt ist, dann wäre das wirklich eine Katastrophe.

    Kapern: Nun sagen die Prüfer, die Ergebnisse spiegeln die Verhältnisse in allen Arbeitsämtern realistisch wieder.

    Dreßen: Deswegen sage ich ja, ich unterstütze da natürlich auch den Bundesarbeitsminister, der sagt, es muss eine schonungslose Aufklärung her, denn die Arbeitslosen und vor allen Dingen auch die Arbeitgeber dürfen so etwas erwarten, dass sie tatsächlich vom Arbeitsamt real bedient werden. Aber in der Praxis höre ich sehr oft, dass die Firmen sagen, es hat gar keinen Wert, dass man beim Arbeitsamt anruft, man kriegt ja doch nichts. Und deswegen ist es ganz gut, dass hier mal zusätzlicher Wind durch die Amtsstuben weht. Hinzu kommt ja das neue Job-Aktiv-Gesetz, was ja sicherlich auch dazu geführt hätte, aber wie gesagt: ich halte es für eine Katastrophe, wenn das zutreffen würde, was sich da ankündigt.

    Kapern: Ich möchte es mal etwas sarkastisch ausdrücken, Herr Dreßen: das Job-Aktiv-Gesetz sieht ja vor, dass mehr Arbeitsvermittler eingestellt werden, das heißt mehr Leute, die Statistiken türken.

    Dreßen: Nein, die sollen die größte Vermittlungsoffensive in Gang setzen, die wir jetzt vom Bundestag beschlossen haben.

    Kapern: Aber da wird ja nichts vermittelt, wie wir gerade gelernt haben.

    Dreßen: Nun, dann muss es in der Zukunft eben wieder zu Vermittlungen kommen. Das ist ja gerade das Ziel, dass wenn man das überprüft man hinterher die Fehler feststellt und dann natürlich auch handelt, dass so was nicht vorkommen kann.

    Kapern: Sie haben eben berichtet, was Sie häufig von Arbeitgebern hören, dass es überhaupt keinen Sinn mehr mache, mit dem Arbeitsamt zu reden. Die Aktivitäten der SPD und die Aktivitäten des Arbeitsministers Riester jetzt nach dem Bericht der Rechnungsprüfer am Ende der Legislaturperiode, kommt das nicht schrecklich spät?

    Dreßen: Nun, wir haben jetzt seit zwei Tagen dieses Ergebnis auf dem Tisch. Das konnte sich doch niemand vorstellen, dass so etwas passiert, das müssen Sie auch mal zur Kenntnis nehmen, dass man da ja jetzt überrascht ist über das, was vom Rechnungsprüfungshof auf den Tisch gelegt wird. Deswegen meine ich, dass das erst mal intern abgeklärt werden muss und wenn es zutrifft, was der Rechnungsprüfungshof festgestellt hat, das kann ich Ihnen sagen, dann wird da ein Sturm durch die Arbeitsämter fegen, der sich gewaschen hat.

    Kapern: Werden da Köpfe rollen?

    Dreßen: Das vermute ich dann auch, ja.

    Kapern: Wessen?

    Dreßen: Ja nun, die die verantwortlich dafür waren. Das muss man jetzt erst mal abklären, wer so was zulassen konnte, wenn diese Manipulationen so stimmen, wie sie da dargelegt worden sind, dann muss man natürlich handeln. Das darf dann also vor Landesarbeitspräsidenten und vor den Präsidenten der Arbeitsämter keinen Halt machen.

    Kapern: Also da steht möglicherweise sogar Bernhard Jagoda zur Disposition?

    Dreßen: Ja wenn das so zutrifft selbstverständlich. Denn das heißt ja, dass er das nicht im Griff hat und er ist ja immerhin der oberste Chef dieser Behörde.

    Kapern: In diesem Rechnungsprüferbericht heißt es auch, dass die 20 Milliarden Euro für die Arbeitsmarktpolitik, die da jährlich ausgegeben werden, nur einen überaus geringen Nutzen haben. Muss man daraus nicht die Konsequenz ziehen, dass ABM und ähnliche Maßnahmen schlichtweg eingestampft gehören?

    Dreßen: ABM brauchen Sie eigentlich nur in den neuen Ländern. Ich sage immer, dass wir mit ABM in den alten Ländern sehr zurückhaltend sein sollten. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass von den 20 Milliarden über die Hälfte in Weiterbildungsmaßnahmen gehen. Man darf jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Das heißt, wir brauchen die Weiterbildungsmaßnahmen, wir brauchen selbstverständlich Eingliederungszuschüsse für Leute, die es etwas schwer haben auf dem Arbeitsmarkt. Da brauchen wir diese Instrumente und deswegen darf man das Kind nicht mit dem Bad ausschütten, aber ich gebe Ihnen recht, ABM und SAM ist ja etwas, was wir in unserem Ausschuss auch täglich diskutieren, aber man kommt in den neuen Ländern ohne diese Maßnahmen zur Zeit noch nicht aus.

    Kapern: Herr Dreßen, was halten Sie von der Idee, wenn wir alle Arbeitsämter abschließen, dichtmachen und stattdessen den ganzen Sektor privatisieren?

    Dreßen: Da halte ich nun wirklich absolut nichts davon. Denn wenn Sie es privatisieren, dann muss ja wahrscheinlich der Arbeitslose diese ganze Vermittlung bezahlen oder irgendjemand anders muss es bezahlen. Deshalb halte ich es schon für wichtig, dass Arbeitsvermittlung kostenlos ist. Wenn Sie das privatisieren fallen ja Gebühren an und dann ist wieder derjenige, der mehr Geld hat im Vorteil, also davon halte ich nicht sehr viel. Wir müssen das Arbeitsamt wieder in den Stand versetzen, dass es wieder tatsächlich ihre Aufgaben gerecht wahrnimmt.

    Kapern: Peter Dreßen war das von der SPD, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeitsmarkt und Sozialordnung heute Mittag im Deutschlandfunk. Herr Dreßen, Danke und auf Wiederhören.

    Dreßen: Bittesehr, Herr Kapern.