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Dabeisein ist alles

Das baltische Land glänzt mit soliden Wirtschaftsdaten und hofft, möglichst bald die einheimische Währung Lats durch den Euro ersetzen zu können. Er gilt trotz der europäischen Schuldenkrise als Garant für Stabilität und Wachstum.

Von Sabine Adler | 04.03.2013
    Lettland ist Nummer 18. Nach Estland, der Nummer 17, will es zur Eurozone gehören. Beherzt, anders als Polen, Ungarn oder Litauen, die noch warten müssen oder wollen.
    So viel Lob wie der lettische Nationalbank-Chef der Eurozone spendete, hat darin lange keiner mehr gehört. Ilmārs Rimšēvičs:

    "Die Eurozone ist ein stabiles, großes Schiff und alles mit diesem Schiff ist in Ordnung, Lettland möchte mit an Bord."

    Natürlich befürchten auch die Letten, dass Italien nach der Wahl in eine neue Krise schlittert, dass sie wie die Esten, die den Euro bereits haben, für Griechenland und vielleicht Italien mitzahlen müssen, all das kann die Entschlossenheit aber nicht wirklich dämpfen. Lettland will den Euro, damit die günstigen Zinsen und in einem Europa der - vielleicht - zwei Geschwindigkeiten zu den schnellen gehören. Außerdem hat es den großen Nachbarn Russland an seiner Seite, erklärt der lettische Politologe Ivars Ijabs.

    "Der vernünftige Teil der Bevölkerung Lettlands sieht es so, dass die Einführung des Euro
    eine wichtige Stütze unserer wirtschaftlichen Stabilität sein könnte. Wir haben diese problematische Beziehung mit unserem östlichen Nachbarn. Die Einführung wird immer auch als eine geopolitische Frage gesehen. Wir sollten mit diesen zwei Millionen Menschen zu einer großen Struktur gehören, um mehr Stabilität, mehr Sicherheit zu kriegen."

    Seit 2005 ist der Lats an den Euro gebunden. Das kleine baltische Land wollte die Gemeinschaftswährung schon 2008, doch damals kollabierte die völlig überhitzte Wirtschaft, brach um 17 Prozent ein. Inzwischen produziert Lettland wettbewerbsfähig und exportiert, Holz zum Beispiel. Es erfüllt die Maastricht-Kriterien. 42 Prozent Staatsverschuldung, die meisten EU-Länder haben über 90 Prozent, ein Haushaltsdefizit von 1,5 Prozent, erlaubt sind drei, und eine Inflationsrate von zwei Prozent. Deswegen soll jetzt der Weg geradlinig in die Eurozone führen. Andris Vilks, der Finanzminister, warb in Brüssel für sein Land.

    "Lettland ist anders als früher. Unsere Finanzpolitik ist diszipliniert, sie erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen, wir haben den Fiskalpakt ratifiziert. Unser Haushalt ist für drei Jahre im Voraus aufgestellt, künftige Regierungen können das nicht ignorieren."

    Heute unterzeichnen in Riga der Premier, Finanzminister und Notenbankchef den Antrag, morgen bringt der Finanzminister die Schreiben höchstpersönlich zur Europäischen Zentralbank und Kommission nach Brüssel, und dann heißt es warten. Bis Juli, wenn hoffentlich auch das Europäische Parlament zustimmt. Ernsthafte Einwände wird es vermutlich nicht geben, denn in der Eurozone freut man sich über jeden, der die Währung schätzt und sie haben will. Zumal viele, die man gern dabei hätte, wie Schweden oder Polen, zögern, nicht zuletzt, weil deren Bevölkerung dagegen ist.

    Die Letten sind unentschieden, aber sie werden jetzt nicht gefragt, denn, so die Regierung, das wurden sie schon 2003, als sie über die EU-Mitgliedschaft abstimmten. Überhaupt geht Riga mit dem Wahlvolk wenig zimperlich um und macht sich dessen Leidensfähigkeit aus Sowjetzeiten zunutze, als die Bürger aus- und stillhielten. Die Anti-Krisen-Maßnahmen wirkten - anders als Griechenland – hart und schnell. Kürzung der Staatsausgaben um 17 Prozent, Entlassung der Staatsbediensteten 30 Prozent, Senkung der Gehälter um 40 Prozent gesenkt. Das Ergebnis: Die Arbeitslosigkeit stieg von sechs auf 19 Prozent. Es gab kaum Proteste auf der Straße, dafür eine Abstimmung mit den Füßen, erinnert der Politologe Ivars Ijabs.
    "Wir haben in diesen Jahren 100 000 Leute verloren. Die sind nach Irland und Großbritannien gegangen, Das sind Leute, die Lettland verloren hat."

    Nach der Rosskur legte die Wirtschaft letztes Jahr um fünf Prozent zu, der Nothilfekredit wird drei Jahre früher als geplant zurückgezahlt, Mehrwert- und Einkommenssteuern fallen wieder.

    "Der Euro diente uns dabei als das Licht, an dem wir uns orientiert haben, um die Maastricht-Kriterien zu erfüllen und 2014 bereit zu sein für den Beitritt zur Eurozone."

    Die blumigen Worte des Nationalbankchefs lösen bei so manchem Letten vermutlich Bitterkeit aus. Bei denen, die aus Angst zu verarmen, weggegangen sind.