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Daddel-Wanzen im Wohnzimmer

Die neue Spielekonsole Xbox One hat es in sich – vor allem Mikrofone und Kameras. Wie Hersteller Microsoft damit ohne zu fragen in etliche Wohnzimmer hineinlauschen und -schauen könnte, erläutert IT-Journalist Peter Welchering im Interview.

25.05.2013
    Manfred Kloiber: Microsoft hat in dieser Woche die neue Spielekonsole Xbox One vorgestellt. Branchenbeobachter sagen, dass die Spielekonsole statt "Xbox One" besser "Multmediacenter one" heißen sollte, warum eigentlich, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Weil diese Spielekonsole Xbox eine wirklich echte Mulitmediazentrale ist. Damit kann eben nicht nur gespielt werden, damit kann ferngesehen werden, da können Kinofilme geschaut werden. Es lassen sich sogar Videokonferenzen mit der Xbox abhalten. Aber natürlich auch Onlinespiele – via Internet spielen – oder eben klassische Videospiele. Nur nach dem Debakel mit dem Multimedia-PC fürs Wohnzimmer vor einigen Jahren haben sich die Microsoft-Manager einfach nicht mehr getraut, hier von einer Multimedia-Konsole zu sprechen. Und deshalb ist es dann bei der Spielekonsole Xbox geblieben.

    Kloiber: Sehr kontrovers ist ja die Kinect-Technik der Xbox insbesondere von den Datenschützern diskutiert worden. Einige Kritiker sprachen sogar davon, dass sich die Spieler mit der Xbox eine Überwachungskamera, quasi eine Wanze ins Wohnzimmer holen. Was hat es damit auf sich?

    Welchering: Die Xbox-Kamera ist hochauflösend, die ist sehr gut. Die kann den ganzen Raum ausleuchten. Sie ist zunächst für die Gestensteuerung, für die Spiele gedacht. Dann ist auch ein Teil von Kinect eben die Sprachsteuerung. Und da fangen dann die Probleme an. Die Xbox ist nämlich auch im Ruhezustand nie wirklich völlig ausgeschaltet. Beispielsweise soll sie mit dem Sprachbefehl "Xbox ein" dann gestartet werden, die Daddelkiste. Und alles, was eben die Mikrofone der Xboxen, was die Kameras aufnehmen, das kann dann eben rein technisch gesehen an beliebige Server geschickt werden und da ausgewertet werden. Also so ein Wohnzimmer kann dann überwacht werden. Denn die Xbox hat eine Internetprotokoll-Adresse, hängt am Netz. Und somit ist sie angreifbar, somit kann sie zur Wanze im Zimmer werden.

    Kloiber: Anfang April hat ja Microsoft einen Patenantrag gestellt, um sich ein Verfahren zur Nutzerzählung schützen zu lassen. Als Erfinder werden die Kinect- beziehungsweise Xbox-Entwickler angegeben. Gibt es da einen Zusammenhang?

    Welchering: Ja, weil sich das mit der Kinect-Software und mit der Xbox prima umsetzen lässt. Denn Microsoft will einen Sensor – also eine Kamera oder ein anderes Aufnahmegerät – tatsächlich patentieren lassen, das dann feststellt, wie viele Menschen in einem Raum einen Film anschauen oder ein Spiel spielen. Und der Effekt dabei, wenn das beispielsweise über die Xbox läuft oder über andere: Wenn die Kamera dann feststellt, dass, sagen wir mal sechs Menschen im Raum sind, aber für den Film oder das Spiel nur zwei oder drei Nutzer lizenziert sind, dann wird das Endgerät abgeschaltet. Also die Xbox tut dann nichts mehr, der Fernseher bleibt dunkel. Der Film kann nicht angeschaut werden, das Spiel kann dann nicht gespielt werden – und zwar so lange, bis die notwendigen Lizenz online gekauft ist. Und das hat natürlich dann auch eine Weiterentwicklungskomponente. Denn damit kann man natürlich dann auch einfach Räume ausspionieren.

    Kloiber: Wie handhaben das denn die Microsoft-Konkurrenten auf dem Spielemarkt?

    Welchering: Da muss man ganz genau hingucken, welche Konkurrenten. Denn Tablets und Smartphones machen den Spielekonsolen ganz schön harte Konkurrenz. Und die sind natürlich auch mit Kameras und mit Mikrofonen ausgestattet. Also die können auch die Umbebung aufnehmen. Die können das auch an beliebige Server übertragen. Und bei den Spielekonsolen: Die haben alle Kameras. Mit Kinect geht Microsoft allerdings in den Features ein bisschen weiter als die Konkurrenz – vor allen Dingen als Sony mit seinem "Move" auf der Playstation. Aber Kinect kann auch auf Playstations implementiert werden. Das ist bisher von Hackern gemacht worden. Mal schauen, wie sich das weiterentwickeln wird, ob da wirklich ein Geschäftsmodell bei rauskommt. Und man muss sehen, dass Sony sehr stark auf die Social-Media-Anbindung bei der Playstation 4 setzt, die ja auch noch in diesem Jahr rauskommen soll. Und diese Schnittstellen für die Social-Media-Anbindung machen eben dann auch die IP-Adressen der Playstation angreifbar. Nintendo ist da zurzeit noch ein bisschen abgehängt – auch bei den Verkaufszahlen. Aber Nintendo will bei der Gestensteuerung gegenüber Kinect ganz dringend aufholen, das haben sie angekündigt. Und damit handeln die sich im Prinzip dasselbe Datenschutzproblem ein. Und dieses Datenschutzproblem ist übrigens gar nicht neu. Denn jeder Smart-TV-Besitzer holt sich mit seinem Smart-TV auch eine Überwachungskamera ins Wohnzimmer.

    Kloiber: Die Smart-TVs, die auch Sendungen aufzeichnen können, verkaufen sich hier in Deutschland ja ganz gut. Gegenwärtig gehen die Marktforscher von sieben Millionen verkauften Geräten aus. Braucht man da die Xbox überhaupt noch?

    Welchering: Die Xbox braucht man sicherlich nicht zum Fernsehen. Sie braucht man auch nicht für interaktive TV-Angebote. Und deshalb wird die Xbox, die zum Weihnachtsgeschäft in Deutschland rauskommen soll, es bei uns ein bisschen schwerer haben als in den USA. Aber die Entwicklung hängt da auch von der Möglichkeit ab, wie es aussehen wird, Videospiele über das Smart-TV zu spielen. Das wollen die Hersteller von Smart-TVs unbedingt realisieren – allen voran Samsung. Aber das Angebot ist da bisher noch ein bisschen dünner – auch aufgrund der etwas undurchsichtigen und zersplitterten Kabel-TV-Anbieterlandschaft. Wenn sich da nichts tut, dann kann sich die Xbox ganz gute Marktnischen erobern.

    Kloiber: Herr Welchering, gibt es denn eigentlich schon Prognosen, wer von der Entwicklung stärker profitieren wird, die Smart-TV-Anbieter oder die Hersteller von Spielekonsolen?

    Welchering: Es gibt die ganz klare Aussage von Marktforschern: Die Hersteller von Antiviren- und Schutzsoftware profitieren am meisten. Denn die haben sowohl den Smart-TV-Markt erkannt als auch den Markt der Spielekonsolen. Und die zeichnen zurzeit ganz düstere Angriffszenarien von Hackern, die da ins Wohnzimmer eindringen, von Geheimdiensten, die da etwas ausspionieren wollen. Und so wollen die einfach ihre Sicherheitssoftware an den Mann bringen.

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