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Dämme als Regenmacher

Umwelt. - Immer wieder brechen nach starken Regenfällen Staudämme. Die Frage ist, ob es einen Zusammenhang zwischen Stausee und Starkregenfällen gibt. Eine Untersuchung, die jetzt in der Online-Zeitschrift "Eos" der Amerikanischen Geophysikalischen Union veröffentlich worden ist, legt diesen Zusammenhang nahe.

Von Dagmar Röhrlich | 23.12.2009
    Der Satirezeitschrift Onion - zu deutsch Zwiebel - war es 2007 eine "Reportage" wert: Darin weihten die Bewohner von Folsom, Nordkalifornien, in einer feierlichen Zeremonie eine Gedenkstätte ein: die "Vorsorgliche Gedenkstätte zu Ehren der Opfer, die der drohende Falsom-Dammbruch fordern wird". Das ist eine Säule mit Platz für bis zu 2000 Namen - falls sich diese absehbare Katastrophe zu Zeiten des alljährlichen Jazzfestivals ereignen sollte. Der Hintergrund: Seit seinem Bau 1955 macht der Folsom-Damm bei Sacramento immer wieder Schlagzeilen:

    "Von seiner Planung her sollte der Folsom-Damm eine Flut fassen können, die - statistisch gesehen - alle 500 Jahre auftreten kann. Aber seit den 60er-Jahren brachten Starkregenfälle den Stausee immer wieder an seine Grenze. Nun hat man nachgerechnet und festgestellt, dass der Damm nur für eine 70-Jahres-Flut gut ist. In der Gegend sind die Regenmengen also stark gestiegen, wodurch die Hochwasserprobleme gewachsen sind. Deshalb haben wir untersucht, ob ein Zusammenhang mit dem Stausee besteht."

    Faisal Houssain von der Tennessee Technological University und seine Kollegen nahmen sich dafür nicht nur den Folsom-Damm vor, sondern große Dammbauten aus aller Welt. Das Ergebnis:

    "Wir sehen einen Trend, wonach große Dämme durchaus unter bestimmten Voraussetzungen Starkregenfälle begünstigen können. Und zwar werden solche Ereignisse häufiger und katastrophaler, weil aus den Staubecken reichlich Wasser verdunstet. Das Hochwasserrisiko steigt und zwar in Wüsten und Halbwüsten."

    Verstärkt wird der Effekt, wenn das Wasser der Stauseen für die Bewässerung genutzt wird, denn dann steigt die Verdunstung sogar weiträumig an.Wenn nach dem Dammbau neue Felder oder Plantagen angelegt werden, steigt das Hochwasserrisiko weiter. Der landwirtschaftlich genutzte Boden nimmt meist weniger Regenwasser auf. Und Städte in der Nähe spielen auch eine Rolle, weil über ihnen starke Luftkonvektionen entstehen:

    "Das führt zu schweren Niederschlägen, und das sehen wir in Südafrika ebenso wie in Südspanien, Teilen Indiens und den USA - dort überall sind in der Region um die Stauseen die Starkregenfälle häufiger geworden."

    Außerdem setzen sich am Grund der Stauseen im Lauf der Zeit dicke Sedimentschichten ab, die das Aufnahmevermögen des Sees empfindlich vermindern können:

    "Lake Mead, oder der Hoover-Damm, soll deshalb allein in den ersten 30 Jahren nach Inbetriebnahme ein Drittel ihrer Speicherkapazität verloren haben. Mit jedem Jahr kann ein Stausee weniger Wasser fassen, das ist ganz natürlich. Wenn dann noch verstärkte Regenfälle dazukommen, wird die Lage Jahr für Jahr schwieriger, man muss die Hochwassertore immer häufiger öffnen. Für die Städte stromabwärts bedeutet das, dass das Hochwasserrisiko, vor dem sie eigentlich durch den Staudamm geschützt werden sollten, wieder steigt."
    Alle diese Effekte würden bei der Planung von Stauseen derzeit noch nicht berücksichtigt, erklärt Faisal Houssain.

    "Wir sind nun aber im 21. Jahrhundert und sollten einen besseren Ansatz wählen. Bei den existierenden Dämmen in Wüsten und Halbwüsten könnten wir beispielsweise den Wasserstand in den Stauseen senken, um für Extremereignisse mehr 'Luft' zu bekommen. Bei neuen Dämmen müssen die Effekte des Stausees auf das lokale und regionale Klima simuliert und in die Planung mit einbezogen werden. Außerdem müssen Bewässerung und Landnutzung so abgestimmt werden, dass sie das Ganze nicht noch verschlimmern."
    Beim Folsom-Damm, der als einer der gefährdetsten in den USA gilt, wird derzeit die Staumauer derzeit erhöht und die Anlagen zur Hochwasserentlastung verbessert. 2015 sollen die Arbeiten beendet sein.