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Dänische Grenzkontrollen
Wenn die Kontrollen bleiben, "ist es das Ende von Schengen"

Das Ziel dänischer Politik sei es, dass möglichst wenige Asylbewerber ins Land kommen, sagte der dänische Europaabgeordnete Jens Rohde (ALDE) im Deutschlandfunk. Das zeigten sowohl die Grenzkontrollen als auch die viel diskutierte Maßnahme, Flüchtlingen ihre Wertsachen wegnehmen zu wollen.

Jens Rohde im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.01.2016
    Am dänisch-deutschen Grenzübergang Ellund führt die dänische Polizei auf der A7 Passkontrollen durch.
    Die Grenzkontrollen hätten den Zweck, Flüchtlinge von Dänemark fernzuhalten, so der dänische Europaabgeordnete Jens Rohde. (dpa / picture alliance / Benjamin Nolte)
    Solange es sich bei den Kontrollen an der deutsch-dänischen Grenze um zehn oder 20 Tage handle, seien diese Maßnahmen kein Problem. Sollten sie aber dauerhaft eingerichtet werden und intensivere Grenzkontrollen aufgebaut werden, sei dies das Ende von Schengen, sagte Jens Rohde im DLF. Rohde, der der dänischen Opposition angehört, kritisierte die Aussagen seiner Regierung zu den Kontrollen an der Grenze zu Deutschland als widersprüchlich, da die Maßnahmen einerseits temporär angelegt seien, aber andererseits 400 Soldaten zur Sicherung der Grenzen ausgebildet werden sollten.
    Skandinavischer Geist existiert nicht mehr
    Zudem sei die Stimmung zwischen Schweden und Dänemark "eiskalt". Der frühere skandinavische brüderliche Geist existiere nicht mehr. Als Grund für den Konflikt nannte er die unterschiedliche Flüchtlingspolitik der beiden Länder. Dänemark werfe Schweden vor, mit seiner offenen Flüchtlingspolitik die Probleme selbst verschuldet zu haben.
    Den Vorschlag, Flüchtlingen ihre Wertsachen wegnehmen zu wollen, könne man nur bedauern, sagte Rohde. Es gehe darum, ein Bild zu kreieren, das Flüchtlinge davon abhalte, nach Dänemark zu kommen.

    Das komplette Interview:
    Tobias Armbrüster: Grenzkontrollen in der EU sollten eigentlich der Vergangenheit angehören, das war das große Versprechen des Abkommens von Schengen, keine Schlagbäume, keine Passkontrollen, grenzenloses Reisen in Europa. Seit einigen Wochen bröckelt dieses Gebilde aber - zahlreiche Länder haben Grenzkontrollen wieder eingeführt, in den vergangenen Tagen hat Schweden nachgezogen, und gestern nun auch Dänemark. An der Grenze zu Deutschland müssen sich Reisende jetzt wieder auf Ausweiskontrollen gefasst machen. Am Telefon ist Jens Rohde, Europa-Abgeordneter der dänischen sozialliberalen Partei. Schönen guten Morgen!
    Jens Rohde: Guten Morgen, Herr Armbruster!
    Armbrüster: Herr Rohde, ist Ihr Land mit daran beteiligt, ein Grab zu schaufeln für das Schengen-Abkommen?
    Rohde: Das kann man wohl jetzt nicht ganz so beantworten, denn solange es sich um zehn oder 20 Tage handelt, damit man noch Kontrolle mit den Einreisenden in eine neue Situation ... Solange es sich nur um so eine temporäre und eine begrenzte Veranstaltung handelt, dann wird es wohl gehen, aber klar, wenn es länger dauert und wenn es mehr intensive Grenzkontrolle, wenn das aufgebaut wird, dann ist es natürlich das Ende des Schengen. Das wird sich weiter verschieben in Europa.
    "Nicht ganz klar, was unsere Regierung genau mit der Grenzkontrolle erreichen will"
    Armbrüster: Was soll diese zehntägige Probezeit denn bringen? Was soll sich in diesen zehn Tagen Grenzkontrolle zeigen?
    Rohde: Das kommt ja dadurch, dass Schweden jetzt eine Veranstaltung gemacht hat, aber es ist mir, muss ich leider sagen, nicht ganz klar, was unsere Regierung genau mit der Grenzkontrolle erreichen will, denn erst sagt unser Prämier, es sei alleine begrenzt und temporär, aber dieselbe Regierung spricht auch von 400 Leuten von unserer Bundeswehr, die ausgebildet werden sollen und der Polizei, die bei der Kontrolle mithelfen soll. Dann sind wir ja längst über zehn oder 20 Tage. Ganz offenbar ist das Ziel, möglichst wenig Asylbewerber in Dänemark.
    Armbrüster: Herr Rohde, wir sollte das vielleicht an dieser Stelle kurz klarstellen: Ihre Partei sitzt in Kopenhagen nicht mit in der Regierung, sondern Sie sind in der Opposition. Vielleicht können Sie uns trotzdem erklären, Sie haben das erwähnt, Schweden hat sozusagen vorgelegt, Dänemark hat jetzt nachgezogen mit diesen Grenzkontrollen. Wie sehr stimmt sich denn die Regierung von Dänemark mit der von Schweden in dieser ganzen Angelegenheit ab?
    Rohde: Es gab ja früher so einen skandinavischen brüderlichen Geist, und der existiert überhaupt nicht mehr. Es ist nicht mein Eindruck, dass man hier miteinander redet, weil sonst wäre das nie dazu gekommen - die Luft zwischen Dänemark und Schweden ist eiskalt, und deswegen ist es ja hier so gekommen, und das muss man bedauern. Ich muss aber erst mal sagen, ich war ja 22 Jahre in dieser Partei und habe mich neulich von der Regierungspartei verabschiedet.
    "Schweden hat ganz lange eine andere Flüchtlingspolitik als Dänemark gehabt"
    Armbrüster: Woher kommt denn diese Eiszeit zwischen Schweden und Dänemark, von der Sie da gerade sprechen?
    Rohde: Die kommt dadurch, dass Schweden ganz lange eine ganz andere Politik zu den Flüchtlingen gehabt hat als Dänemark, und als die Flüchtlingsströme zunahmen, ist es dann zu einem Konflikt geworden, denn Schweden kann nicht mehr verkraften, sagen die, und das kann man schon verstehen, und in Dänemark hat man dann von der Regierungsseite gesagt, ja, Schweden hat ja selber sein Problem erstellt, wegen dieser langjährigen offenen Politik, und deswegen hat man von der dänischen Seite die Flüchtlinge durchreisen lassen, und da hat Schweden dann gesagt, ihr müsst auch in Dänemark eure Verantwortung übernehmen, und wir können nicht alle Flüchtlinge hier in Schweden einreisen lassen. Dann hat man in Dänemark gesagt, na ja, das ist jetzt euer Problem, weil ihr so eine Politik so lange geführt habt, und das ist es zu einem Konflikt geworden, und dann hat Schweden einseitig diese Idee, Identitätskontrolle eingeführt.
    Armbrüster: Herr Rohde, wir hören jetzt aus Dänemark schon seit einiger Zeit, dass sich Ihr Land als besonders hart in der Flüchtlingspolitik präsentieren will. Da wurde in den vergangenen Monaten auch schon mal der Vorschlag diskutiert – wir haben ja darüber berichtet –, Flüchtlingen ihre Wertsachen abzunehmen, um damit ihre Versorgung in Dänemark zu finanzieren. Was ist der Grund für diesen harten Kurs gegenüber Flüchtlingen in Dänemark?
    Rohde: Das muss man die Regierung fragen, weil das ist ja genau der Grund oder einer der Gründe, dass ich mich vor Weihnachten von der Partei verabschiedet habe, weil, das kann man ja nur bedauern, und ich finde es traurig, dass man solche Veranstaltungen macht, aber ich denke, dass es darum geht, dass man ein Bild kreieren möchte, wo man sagt, guck mal hier, kommt nicht nach Dänemark, weil es wird euch nicht gutgehen hier, ihr sollt lieber da bleiben, wo ihr seid oder wenigstens in Deutschland oder in andere Länder einreisen und nicht nach Dänemark.
    Armbrüster: Die dänische Regierung hat gestern wieder Grenzkontrollen eingeführt an der Grenze zu Deutschland. Wir haben darüber gesprochen mit Jens Rohde, Europa-Abgeordneter ist er der dänischen sozialliberalen Partei. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen, Herr Rohde!
    Rohde: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.