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Däubler-Gmelin: "Folter ist verboten – Punkt!"

Herta Däubler-Gmelin, Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, kritisiert die USA: CIA-Folterer laut präsidialem Beschluss nicht juristisch zu belangen, sei nicht die Lösung. Die USA hätten eine Vorbildfunktion - Folterer nicht zu verfolgen sei auf Dauer nicht tragbar.

Herta Däubler-Gmelin im Gespräch mit Friedbert Meurer | 23.04.2009
    Friedbert Meurer: In den letzten Tagen hat es in den USA Kritik gehagelt an einer Entscheidung, die Präsident Barack Obama verkündet hat. Ermittler des Geheimdienstes CIA, die unter George Bush Terrorverdächtige gefoltert haben, sollen strafrechtlich unbehelligt bleiben. Menschenrechtler, aber auch Politiker aus den eigenen Reihen sind empört. Ihnen genügt es nicht, dass Präsident Obama Praktiken wie das berüchtigte "Waterboarding" verbieten will. Sie wollen die Schuldigen vor Gericht ziehen.
    Obama ist in der Zwickmühle und jetzt hat der US-Präsident einen Kompromiss angedeutet, der in etwa so aussieht: Diejenigen, die damals mit entsprechenden Rechtsgutachten Folter gebilligt haben, die könnten juristisch zur Verantwortung gezogen werden, aber eben nicht der kleine CIA-Beamte. – Herta Däubler-Gmelin ist Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, einst war sie Bundesjustizministerin von der SPD. Guten Morgen, Frau Däubler-Gmelin.

    Herta Däubler-Gmelin: Grüß Gott, Herr Meurer!

    Meurer: Wäre das für Sie die Lösung?

    Däubler-Gmelin: Nein. Ich verstehe übrigens sehr gut, dass sich in Amerika eine große Zahl von Menschen aufregen, weil diese ganzen Vorgänge sind ja wirklich ungeheuerlich – übrigens nicht nur für die USA, sondern wenn Sie nach Afrika oder nach Asien fahren, da finden Sie in den letzten Jahren natürlich immer die Stimme, warum sollen wir nicht foltern, wo es doch die Amerikaner auch tun. Aber auch juristisch gesehen ist natürlich Folter als Teil des Völkergewohnheitsrechtes verboten - und durch amerikanisches Recht. Das heißt, eine Nation wie die Amerikaner muss sich schon überlegen, dass sie das dann auch vor Gericht verfolgt.

    Meurer: Aber es gab ja eben diese Rechtsgutachten im Justizministerium, an die haben sich dann CIA-Beamte gehalten, im guten Glauben sozusagen, und der neue Justizminister Holder sagt jetzt, es wäre unfair, wenn man daraus jetzt den Beamten einen Strick drehen würde, weil sie sich daran gehalten haben, was das Justizministerium ihnen sozusagen vorgeschrieben hat.

    Däubler-Gmelin: Na ja, aber das ist natürlich auch mehr ein Vorwand als eine richtige Würdigung und rechtsstaatlich ist es schon gar nicht, weil das Handeln auf Befehl, das reicht ja natürlich nicht mehr aus. Sie erinnern sich: Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg das Nürnberger Tribunal - übrigens sehr, sehr stark beeinflusst durch hervorragende amerikanische Juristen und außerordentlich wirksam für die Entwicklung des Völkerrechtes und auch für die Rechtsstaatlichkeit auf der ganzen Welt -, und die haben damals schon gesagt, nein, nein, das Handeln auf Befehl in solchen Fällen reicht als Rechtfertigung nicht aus.
    Bei uns in Deutschland ist das übrigens ganz klar. Jeder Beamte muss natürlich ganz genau wissen, dass er nach Gesetz und Recht zu verfahren hat, und in solchen Fällen muss er dann Widerspruch einlegen und sagen, ich mache das nicht. Ist übrigens in Amerika auch ein paar Mal geschehen und den Leuten ist überhaupt nichts passiert.

    Meurer: In den USA sagt man allerdings, das was jetzt unter Bush geschehen ist, das sei nicht vergleichbar mit dem, was unter den Nazis geschehen ist. Kann man das vergleichen?

    Däubler-Gmelin: Ob das vergleichbar ist oder nicht, das will ich jetzt gar nicht sagen. Auf jeden Fall ist es strengstens verboten und ich bin zum Beispiel auch sehr froh, dass Sie bei Ihrer Anmoderation jetzt das Wort "Folter" für diese Scheinertränkungen und diese anderen Methoden auch wirklich so benutzt haben. Ich finde es nämlich wirklich traurig, dass man da mit Worten wie "verschärftes Verhör" oder anderen Begriffen einfach darum herumredet, was es ist. Es ist Folter, und Folter ist verboten – Punkt!

    Meurer: Die Amerikaner, die USA haben ja nicht den Internationalen Strafgerichtshof, die Grundlagen dafür ratifiziert. Sie erkennen diesen Strafgerichtshof nicht an. Heißt das, dass es keine völkerrechtlichen Möglichkeiten gibt, dieser Sache auf Grund zu gehen?

    Däubler-Gmelin: Nein, das heißt es nicht, weil die Frage des Folterverbotes, das hängt ja nicht von der Ratifizierung des Internationalen Strafgerichtshofes ab, obwohl es natürlich gut wäre - es gibt ja Anzeichen dafür, dass die Obama-Administration sich von dem wirklich falschen und schrecklichen Kurs der Bush-Administration hier absetzen wird -, sondern das ist auch nach nationalem amerikanischen Recht verboten. Übrigens hat das auch seinen guten Grund, weil schauen Sie, wir können das ja jetzt auch wieder alles nachlesen in der "New York Times". Diese Foltermethoden sind angewandt worden, obwohl die Folterer wussten, dass die entsprechend gequälten Leute nichts mehr zu sagen hatten. Alles das ist nachlesbar.

    Meurer: Wie erleichtert sind Sie, dass Obama diese Memoranden veröffentlicht hat? Dafür hat er ja heftige Kritik einstecken müssen, er würde die nationale Sicherheit preisgeben.

    Däubler-Gmelin: Das ist sehr vernünftig, weil lassen Sie uns nicht vergessen: Die Amerikaner sind eine sehr alte Demokratie. Die haben den Anspruch – das macht ja das alles so schrecklich -, ein richtig großer und vorbildlicher Rechtsstaat zu sein, und die haben eine sehr, sehr lebendige Zivilgesellschaft und die regt sich furchtbar auf. Die Veröffentlichung ist sehr gut, auch die Tatsache, dass es zu einem Untersuchungsausschuss kommen soll, ist sehr gut. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass, sagen wir mal, eine Entscheidung, dass man Folterer nicht weiter verfolgt, auf Dauer auch in den USA nicht tragbar und nicht durchsetzbar ist, obwohl es natürlich völlig richtig ist, dass sie die Verantwortlichen genauso zur Verantwortung ziehen müssen als die, die es ausgeübt haben.

    Meurer: Der Internationale Strafgerichtshof wird wohl nicht greifen. Die USA haben allerdings die UNO-Antifolterkonvention unterschrieben. Ist das damit eine völkerrechtliche Verpflichtung für die USA, Folterer zu sanktionieren?

    Däubler-Gmelin: Natürlich, die gibt es auch. Aber wenn Sie sich daran erinnern: wir alle halten es ja für richtig, dass man den Präsidenten des Sudan, al-Bashir, wegen seiner schrecklichen Verbrechen im Sudan (und zwar in Darfur) mit den vielen, vielen Toten verfolgt. Auch der Sudan hat den Internationalen Strafgerichtshof nicht ratifiziert, ist dem nicht beigetreten. Da haben die Vereinten Nationen gesagt, wir wollen, dass der Internationale Strafgerichtshof das untersucht.

    Meurer: Da von dem Präsidenten die Rede ist, wünschen Sie sich, dass George Bush, Rumsfeld, Dick Cheney vor Gericht gestellt werden?

    Däubler-Gmelin: Ob ich mir das wünsche oder nicht, ich wünsche mir, dass Folter nicht mehr stattfindet, dass Kriegsverbrechen nicht mehr stattfinden, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht mehr stattfinden, und dass vor allen Dingen das für alle gilt, für große und für kleine Staaten. Natürlich ist es so: Wir Deutschen haben genau den gleichen Anspruch wie die Amerikaner, dass wir das vor unseren eigenen Gerichten verfolgen, und deswegen sind wir ja auch dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten, weil der ja nur ergänzend tätig wird. Ich wünsche mir, dass die Amerikaner ihre Verbrechen und Straftaten aufarbeiten. Das halte ich für absolut notwendig.

    Meurer: Herta Däubler-Gmelin, die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Schönen Dank, Frau Däubler-Gmelin, und auf Wiederhören.

    Däubler-Gmelin: Auf Wiederhören!