Dienstag, 30. April 2024

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Daimler-Dieselskandal
Ein Rückruf ohne Schuldeingeständnis

Eine groß dimensionierte Rückrufaktion trifft jetzt den Autokonzern Daimler. Europaweit geht es um 750.000 Diesel-Fahrzeuge. Allerdings sei dies eine Art Rückruf ohne Schuldeingeständnis, sagt Dlf-Korrespondent Paul Vorreiter. Offene rechtliche Fragen würden erst in einem Widerspruchsverfahren geklärt.

Paul Vorreiter im Gespräch mit Sandra Schulz | 12.06.2018
    Das Logo der Automarke Mercedes-Benz der Daimler AG ist am 24.07.2017 in Stuttgart (Baden-Württemberg) auf einem Gebäude des Werks Untertürkheim, in dem sich auch die Konzernzentrale befindet, zu sehen.
    Etwa 240.000 Daimler-Dieselfahrzeuge sind von der Rückrufaktion in Deutschland betroffen. (picture alliance/dpa - Marijan Murat)
    Sandra Schulz: Die Entscheidung hat Verkehrsminister Andreas Scheuer gestern nach einem stundenlangen Treffen mit Daimler-Chef Zetsche öffentlich gemacht: Welche Wagen müssen von Daimler jetzt zurückgerufen werden - und warum genau?
    Paul Vorreiter: Es handelt sich neben den Vito-Modellen, den knapp 5000, deren Rückruf das Kraftfahrtbundesamt schon angeordnet hat auch um ein Modell des Geländewagens GLC 220 Diesel, und auch C-Klasse-Limousine 220 Diesel ist betroffen. Diese Modelle sollen eine "unzulässige" Abschalteinrichtung haben, so lautet der Vorwurf. Man muss sich das in etwa so vorstellen. Das ist eine Software, die ab einem gewissen Zeitpunkt oder in einer bestimmten Fahrsituation dafür sorgt, dass weniger Harnstofflösung in den Katalysator gepumpt wird, dadurch werden weniger dreckige Stickoxide umgewandelt, der Motor arbeitet also schmutziger, wenn man so will. Und diese Vorrichtung, die soll aus der Software entfernt werden. Andreas Scheuer, Bundesverkehrsminster erklärte, dass Daimler das auch entschlossen tun will:
    O-Ton Andreas Scheuer: Daimler erklärt darüber hinaus, dass mit maximalem Abarbeitungstempo und in kooperativer Transparenz mit den Behörden, die vom Bund beanstandeten Applikationen in der Motorsteuerung beseitigt werden.
    Allerdings ist das eine Art Rückruf ohne Schuldeingeständnis ist, denn Daimler hatte ja in einer kurzen Mitteilung zugebeben, ja man bestätigt diesen Rückruf, offene rechtliche Fragen würden allerdings in einem Widerspruchsverfahren geklärt werden.
    Schulz: Daimler-Chef Zetsche fährt Doppelstrategie - gibt Zerknirschtheit zur Protokoll, will aber auch Widerspruch einlegen – das heißt, da passiert jetzt erstmal gar nichts?
    Vorreiter: Dass gar nichts passiert, ist zumindest schwer vorstellbar, gerade auch wenn man sich die Situation ansieht, in der sich Daimler-Chef Dieter Zetsche befindet. Er wird ja auch immer wieder mit dieser Aussage hier konfrontiert:
    O-Ton Dieter Zetsche: Zum Thema Diesel kann ich mich kurzfassen: Wir haben bei Daimler nie betrügerische Software eingesetzt und werden das auch nicht tun.
    Allerdings ist die Glaubwürdigkeit dieser Aussage zumindest angekratzt. Auch in der Belegschaft. Vom Betriebsratsvorsitzenden des Motorenwerks in Untertürkheim, Wolfgang Nieke, ist heute in der "Stuttgarter Zeitung" zu lesen, dass man fürchtet, da könnte beim Thema Abgas noch mehr auf den Tisch kommen. Die Beschäftigten hätten sich bislang darauf verlassen, dass bei Daimler nicht betrogen werden. Bei Betriebsversammlungen in der kommenden Woche wolle man Antworten hören. Das Thema ist für den Konzern jetzt noch nicht vom Tisch.
    "Es handelt sich um einen Zwangsrückruf"
    Schulz: Das war ja lange der Vorwurf, dass die CSU, die ja in den letzten Jahren die Verkehrsminister gestellt hat, die Konzerne mit Samthandschuhen angefasst hätte. Ist das jetzt vorbei?
    Vorreiter: Man muss wissen, es werden zwar jetzt weiter Modelle in die Werkstätten gerufen, aber das wäre eh passiert. Daimler hatte vergangenes Jahr Software-Updates für etwa drei Millionen Diesel angekündigt, um sie sauberer zu machen. Dazu gehören auch der Vito und die meisten anderen Diesel-Modelle, um die es jetzt geht. Jetzt handelt es sich allerdings um einen Zwangsrückruf - verbunden mit der amtlichen Feststellung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet worden war. Es wurde auch über ein Bußgeld spekuliert, die Rede war von 5000 Euro pro Wagen, damit würden dann 3,75 Milliarden Euro fällig. Dass die vom Tisch sind, und das wird auch auf Seiten der Opposition kritisiert.
    Dort hat man jedenfalls weiterhin den Eindruck, dass Mercedes mit Samthandschuhen angefasst würde. Ingrid Remmers, verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion bezeichnete die Software-Updates als kosmetische Reparaturen, die ohnehin die kostengünstigste Lösung sind. Unzufrieden ist auch Grünen-Verkehrspolitiker Oliver Krischer. Daimler-Chef Zetsche habe Scheuer genau wie seinen Vorgänger, also Alexander Dobrindt, hinter die Fichte geführt.
    Schulz: Es schwelt ja nach wie vor der Streit um die technischen Nachrüsten, inwiefern die Konzerne da in die Pflicht genommen werden – die SPD fordert sie, die Union ist dagegen. Gibt es da Bewegung?
    Vorreiter: Heute ist nicht zu lesen, dass von Unionsseite da nachgegeben wird. Wer allerdings Bewegung in diese Diskussion bringen könnte, ist zur Zeit das Kraftfahrtbundesamt. Es soll ja seine Bereitschaft bekundet haben, ein erstes Nachrüstset mit Stichoxidkatalysatoren zu genehmigen, konnte man am Wochenende lesen. Sollte sich herausstellen, dass dieses Set leicht einbaubar ist und sollte es dann schnell eine Betriebserlaubnis bekommen und dann würde das Argument ein Stück weit entkräftet, dass der Einbau von Hardware zu kompliziert sei. Und dann würde die Diskussion um Hardware bestimmt nochmal an Fahrt gewinnen.