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Dalai Lama
Die Macht des Lächelns

Der Dalai Lama wird 85. Normalerweise wäre er auf Tournee und würde vor Tausenden sprechen. Doch in der Coronakrise lehrt auch das geistliche Oberhaupt der Tibeter auf digitalem Weg. Er ist präsent in den sozialen Medien und hat jetzt erstmals ein Musikalbum herausgebracht.

Von Mechthild Klein |
Dalai Lama im Interview
Der Dalai Lama wird am 6. Juli 85 Jahre alt (Deutschlandradio / Bernd Musch-Borowska)
Seine Heiligkeit der Dalai Lama wird am Montag 85 Jahre alt. An dieser Stelle schon einmal herzlichen Glückwunsch nach Dharamsala. Zum Festtag kommt ein Musikalbum des Dalai Lama heraus. Die Stimme des geistlichen Oberhauptes der Tibeter auf Chill-out-Musik. Und dieser Titel hier heißt, klar doch: Mitgefühl.
Der Dalai Lama ist immer für eine Überraschung zu haben. Von ihm gibt es Bücher und Tücher. Ein Musik-Album gab es noch nicht. Nach seiner Motivation befragt, sagte er: Der Sinn seines Lebens sei, anderen so gut zu helfen wie er könne. Und Musik könne auch Menschen helfen, die er nicht erreiche.
Jetzt zu Corona-Zeiten kann der Dalai Lama sein umfangreiches Vortragsprogramm in den verschiedenen Ländern nicht wahrnehmen. Anstatt durch ferne Stadthallen zu touren, ist Tenzin Gyatso – so sein Mönchsname - in den sozialen Medien sehr präsent. Auf dem eigenen Youtube-Kanal findet man aktuelle Online-Einweihungen und Unterweisungen. Auf Instagram folgen ihm sogar 1,6 Millionen Menschen.
"Der Dalai Lama hat natürlich für sehr viele Buddhisten im Westen so etwas wie eine Vorbildfunktion, weil er ethische, Grundlehren des Buddhismus in personam verkörpert", sagt der Religionswissenschaftler Jens Schlieter, der an der Universität Bern lehrt.
Sozial engagierter Buddhismus
Innerhalb der buddhistischen Tradition habe sich vor einigen Jahrzehnten eine Richtung gebildet, die "sozial engagierter Buddhismus" heißt. "In diesen Traditionen genießt der Dalai Lama auf jeden Fall eine sehr hohe Autorität. In diesen Traditionen geht es darum, eine Vision der sozialen Gerechtigkeit, der Menschenwürde, des nachhaltigen Lebens und so weiter auf demokratischen Werten aufbauend umzusetzen und die buddhistischen Lehren mit diesen westlichen Ideen zu verbinden. Und überall dort genießt der Dalai Lama auf jeden Fall eine sehr hohe Autorität. Aber auch bei Führern der anderen buddhistischen Traditionslinien im Theravada hat sich mit allen Repräsentanten und Schul-Oberhäupter auch anderer Traditionslinien getroffen."
Auch Christen oder areligiöse Menschen interessieren sich für die Botschaft des Exil-Tibeters.
Die Chinesen marschierten 1950 in Tibet ein und 1959 floh der Dalai Lama, das geistliche und weltliche Oberhaupt Tibets nach Indien. Und viele Landsleute und Geistliche folgten ihm nach. Für sein friedliches Engagement und seinen gewaltfreien Widerstand gegen die chinesische Annektion Tibets erhielt er den Friedensnobelpreis. In Tibet war nach der kommunistischen Machtübernahme durch Peking eine freie Religionsausübung nicht möglich, auch wurden viele Han-Chinesen auf der tibetischen Hochebene angesiedelt. Von der einst so aktiven Free-Tibet-Bewegung hört man heute nicht mehr viel.
Jens Schlieter: "Ich denke, die Befreiung Tibets im Sinne eines wirklich unabhängigen Nationalstaates - diese Hoffnung ist weitgehend aufgegeben worden. Der Dalai Lama ist sicherlich auch jetzt über die letzten Jahre sehr realistisch, vielleicht auch manchmal schon etwas resignativ, was diese Chancen anbetrifft. Man kann natürlich einerseits die Hoffnung setzen, dass sich China selbst transformiert, demokratisch revolutioniert und die Früchte dann auch für Tibet abfallen. Aber ich glaube, die Hoffnungen sind sehr gering, dass das geschehen wird. Denn die die Politik der chinesischen Administration über die letzten Jahre ist sehr deutlich: dass sie den Dalai Lama nicht als Gesprächspartner akzeptieren, ihm auch die Einreise in die tibetische autonome Region verwehren."
Rücktritt von politischen Ämtern
Nun trat der Dalai Lama schon vor elf Jahren von seinen politischen Ämtern zurück zugunsten eines Exil-Parlaments mit Sitz im nordindischen Dharamsala. Seine Heiligkeit sagt jetzt lieber, dass er nur noch einfacher Mönch sei. Aber als Repräsentant ist er immer noch gefragt. Rund 250.000 Tibeter, sagt Schlieter, leben über viele Länder verteilt im Exil. Jetzt schon in der zweiten und dritten Generation. Die jüngere Generation sei kaum mehr interessiert, in die Heimat ihrer Eltern zurück zu kehren. "Soweit das möglich ist, versuchen natürlich die Tibeterinnen und Tibeter, ihre kulturelle und religiöse Identität auch in der Fremde zu wahren", sagt Jens Schlieter.
Aber in Indien haben Tibeter immer noch einen Flüchtlingsstatus. Die indische Staatsbürgerschaft für die nachfolgenden Generationen stünde noch in den Anfängen, sagt der Religionswissenschaftler. "Und auf der anderen Seite ist die Exil-Gemeinschaft natürlich auch nicht ohne Konflikte. Es gibt einerseits den Konflikt um eine mächtige Beschützer-Gottheit, die von dem Dalai Lama nicht gern gesehen wird, als Praxis, der aber doch recht viele zahlenmäßig an gehören." Eine komplexe Geschichte und ein Jahrhunderte alter religiöser Konflikt – der Dalai Lama hatte schon vor Jahrzehnten empfohlen, die Schutzgottheit öffentlich nicht weiter zu verehren.
"Wunderkräfte? Das ist völliger Blödsinn"
Nun darf man zum 85. Geburtstag des Dalai Lama nicht verschweigen, dass er immer wieder vom vom Protokll abweicht, zu einem Scherz ausholt und die Zuhörer zum Lachen bringt:
"Manchmal wollen mich Leute sehen, die glauben, der Dalai Lama besitze Wunderkräfte – Das ist völliger Blödsinn. Dann gibt es welche, die glauben, ich hätte Heilkräfte. Als letztes Jahr meine Gallenblase entfernt wurde, nach 20 Jahren Problemen damit, hab ich wohl ganz klar gezeigt, dass ich keine Heilkräfte habe. Wenn ich wirklich über Heilkräfte verfügte, würde ich sie an erster Stelle für mich selbst einsetzen." (Dalai Lama)
Der Humor ist wohl auch seine Strategie, mit der großen Verehrung umzugehen. So sind auch seine Aussagen zu verstehen, dass er als Frau wiedergeboren wird. Stichwort: Der nächste Dalai Lama wird weiblich. Oder dass er vielleicht gar nicht mehr inkariniert. Er weiß, dass er für die Tibeter derzeit unabdingbar ist. Wenn er eines Tages stirbt, wird ein Gerangel um seine Nachfolger entstehen.
"Deswegen hat er auch schon gesagt, er möchte so alt wie möglich werden", sagt Jens Schlieter. "Über 100 Jahre hat er versprochen, auf dieser Erde zu bleiben. Das hat durchaus Tradition in der buddhistischen Tradition, denn der Buddha selbst schon wird in einer Lehrrede beschrieben als einer, der auf Grund von eigenem Wunsch und Willen länger hätte auf der Erde bleiben können. Dass das möglich ist, davon geht man aus."