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Danckert lobt ARD und ZDF für Tour-Boykott

Peter Danckert, Vorsitzender im Sportausschuss des Bundestages, begrüßt die Entscheidung von ARD und ZDF, angesichts des Dopingverdachts gegen den T-Mobile-Fahrer Patrik Sinkewitz die Live-Übertragung der Tour de France einzustellen. "Das wird ein Zeichen setzen, das wird eine Bewegung in Gang setzen, die sich auch über Deutschland hinaus auswirkt", sagte der SPD-Politiker.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Peter Danckert von der SPD ist Vorsitzender im Sportausschuss des Bundestages, grüße Sie, Herr Danckert!
    Peter Danckert: Guten Morgen!
    Remme: Herr Danckert, Sie waren gestern auf dem Weg nach Südfrankreich, wollten zur Tour. Warum sind Sie umgekehrt?
    Danckert: Ja, ich war in der Tat schon auf der halben Strecke und habe dann von den Ereignissen gehört. Ich habe mich mit dem ZDF telefonisch abgestimmt, es war ja für heute Mittag ein Gespräch mit Rudi Cerne vorgesehen, und da die Tour nicht übertragen wird, ist auch ein solches Gespräch am Rande der Tour dann nicht mehr angezeigt. Ich finde es gut und richtig und konsequent, dass ZDF und ARD die Tour nicht übertragen, auch wenn wir im Moment da vielleicht einsame Rufer sind.

    Remme: Herr Danckert, man darf ja einen Politiker vielleicht auch mal nach Emotionen fragen, auch wenn es um Sport geht. Was denken Sie, wenn Sie an Patrik Sinkewitz denken?
    Danckert: Ja, ich bin total frustriert und enttäuscht. Enttäuscht kann man eigentlich nur sein, wenn man die andere Erwartung hatte, aber letztlich habe ich schon geglaubt, dass die Bemühungen und die öffentliche Diskussion die Allermeisten sozusagen erreicht hat, also wie man so dreist oder töricht sein kann, das ist schon ein starkes Stück, zumal er ja nicht nur mit seinem eigenen Sportlerschicksal spielt, sondern auch, wie wir eben gehört haben, ein ganzes Team davon jetzt betroffen sein wird. Also, das ist schon ein ziemlicher Frust. Aber, ich meine, ich sage das ruhig mal, mein Mitgefühl gilt auch den Offiziellen bei Telekom. Die haben sich nach meinem Eindruck schon redlich bemüht. Da sind einige beachtliche Veränderungen vorgenommen worden. Und, na ja, die Enttäuschung bei denen ist natürlich noch viel größer.

    Remme: Sollten denn Konzerne wie die Telekom weiterhin diese Art von Leistungssport sponsern?

    Danckert: Also, ich glaube, wir sind im Leistungssport auf die Unterstützung von Sponsoren angewiesen. Wenn man sich mal vor Augen führt, dass rund 2,5 Milliarden in Deutschland in den Leistungssport gehen von Sponsoren, dann ist das natürlich im Moment alles ein bisschen in Frage gestellt. Wir haben ja gestern schon den ersten Hinweis gekriegt, dass sowohl Brender, der Chefredakteur des ZDF, als auch die Intendantin hier in Berlin vom RBB, Frau Dagmar Reim, die Frage aufgeworfen hat, ob denn Übertragung von Spitzensport in Zukunft überhaupt noch möglich ist bei solchen Vorfällen.

    Remme: Ja, was ist Ihre Meinung dazu, Herr Danckert?
    Danckert: Ja, ich finde, der Sport riskiert da eine ganze Menge. Aber das liegt eben auch daran, dass sich viele immer noch nicht bewusst gemacht haben, was da auf dem Spiel steht. Und sie glauben, Lücken gefunden zu haben, sie sprechen, die Funktionäre sprechen von Einzelfällen, und das ist alles wirklich ärgerlich und ich finde, diese Warnhinweise, so will ich das mal ausdrücken, von ZDF und ARD Richtung Gesamtsport schon sehr richtig.

    Remme: Sie haben eben gesagt, die Entscheidung von ARD und ZDF gestern war richtig. Müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen nicht dennoch den Vorwurf gefallen lassen, eine dopingverseuchte Tour angesichts deutscher Erfolge und hoher Quoten über Jahre hinweg mitveranstaltet zu haben?

    Danckert: Also, ich glaube, dass ZDF und ARD das nicht in dem Bewusstsein gemacht haben, eine dopingverseuchte Tour, es ist ja immer wieder davon gesprochen worden, dass das gar nicht der Fall sei. Das ist ja heute auch noch so. Es gibt ja einige Nationen, die das total ignorieren. Insofern kann man sich natürlich Gedanken darüber machen, aber jetzt, nach den Gesprächen, die in den letzten Wochen geführt worden sind, und wir haben ja auch im Sportausschuss mit beiden Herren, die das jetzt zu entscheiden hatten oder die Entscheidung vorgetragen haben, gesprochen, da musste gehandelt werden. Sonst hätte man sich gefragt, was muss eigentlich noch passieren, damit die nun endlich mal darauf reagieren? Insofern sage ich ganz eindeutig, das war richtig und konsequent, und das wird ein Zeichen setzen, das wird eine Bewegung in Gang setzen, die sich auch über Deutschland hinaus auswirkt.

    Remme: Was sagen Sie zu dem Argument, wie es ja jetzt auch von den Veranstaltern vorgebracht wird, dass es absurd sei, in dem Moment auszusteigen, in dem die Kontrollen offenbar Erfolge zeigen?

    Danckert: Na ja, ich meine, sie haben möglicherweise Erfolge gezeigt, da kann man auch eine andere Perspektive haben. Wenn man sieht, dass in der ersten Woche die Chaperons, also die Begleiter der zur Dopingkontrolle ausgewählten Radprofis, gar nicht vorhanden waren, dass die sozusagen vom Ziel beliebig den Weg wählen konnten und natürlich auch wieder Türen offen waren für Manipulationen, also, da gibt es noch erhebliche Lücken. Und ich finde, wenn man das in Rechnung stellt, dass die einerseits da konsequent sind, haben sie andererseits auch viele Dinge noch ausgelassen, die hätten getan werden müssen, in der Erwartung, die Öffentlichkeit wird sich schon wieder beruhigen, und das sind, wie gesagt, Einzelfälle. UCI (Internatonaler Radsport-Verband, Anm. der Red.) ist auch nicht konsequent und ich hoffe, dass eines Tages das IOC (Internatonales Olympisches Komitee, Anm. der Red.) sich da noch mehr dahinterklemmt, alles sind bisher nur so halbe Sachen, und, ich finde, wir können jedenfalls als Parlamentarier es nicht verantworten, dass wir Sportarten unterstützen, bei denen wir den dringenden Verdacht haben, dass sie doping- oder manipulationsgefährdet sind.

    Remme: Gut, aber spätestens jetzt sind wir dann bei der Frage, was ist mit den Schwimmern, was ist mit Olympia in Peking, was ist mit den Leichtathletik-Weltmeisterschaften? Muss dann nicht doch auch der Logik folgend, vor allen Dingen der Konsequenz folgend, dann die Übertragung solcher Ereignisse infrage stehen?

    Danckert: Ja, ich habe das ja gesagt. Die Fragen sind aufgeworfen, der Sport muss sich bewusst sein, was da sozusagen auf dem Spiel steht und noch sehr viel mehr und noch sehr viel konsequenter in diesen Dingen agieren. Das ist ja das, was ich seit Monaten oder vielleicht auch seit Jahren schon sage. Die Sportfunktionäre haben das noch nicht begriffen, dass es ein verändertes Bewusstsein in der Öffentlichkeit gibt. Natürlich wenn man dann verweist auf die Zuschauer am Rande der Tour, da hat sich ja gar nichts geändert, nein, die Einschaltquoten sind anders geworden, die Sponsoren haben sich sozusagen, lassen sich da nicht mehr so auf der Nase rumtanzen und sind sehr viel bewusster, weil das ja auch das Image nicht fördert, sondern schadet.
    Remme: Aber, Herr Danckert, die Einschaltquoten sind doch runter gegangen, weil es keine deutschen Helden mehr gab und in dem Moment, als Linus Gerdemann gewann, sind sie wieder hochgekommen.
    Danckert: Das sehe ich nicht so, ehrlich gesagt. Da fehlen inzwischen Millionen Zuschauer bei der Tour de France. Also, das sind jedenfalls meine Zahlen, die ich da registriere, und ARD und ZDF haben mir das auch so bestätigt, dass es ein deutlicher Rückgang. Ob das nun sozusagen an einzelnen, deutschen Helden, die nicht da sind, liegt, glaube ich nicht.
    Remme: Noch ganz kurz, Sie haben Sponsoren angesprochen. Stehen öffentliche Mittel für den Leistungssport in Frage, Herr Danckert?
    Danckert: Ja. Eindeutig ja, sowohl für die Straßen-Weltmeisterschaft in Stuttgart, das hat ja der Bundesinnenminister als Sportminister im Parlament ganz deutlich gesagt, er hat auch hier Hinweise gegeben an die UCI und an den Bund deutscher Radfahrer, und, ich glaube, der Punkt ist jetzt erreicht, die öffentlichen Mittel sind nicht nur in Frage gestellt, sondern auf die muss wohl Stuttgart da verzichten. Das ist jedenfalls meine Auffassung. Wir haben die Mittel bewilligt als Parlament für diesen Haushalt, in der Exekutive ist jetzt die Verantwortung, und das gilt auch für den Radsport insgesamt und für andere Sportarten. Das ist oft genug gesagt worden, ich wundere mich, dass es nicht sozusagen mit dem nötigen Ernst, man hat immer wieder gesagt, wir kriegen das hin, wir kriegen das hin. Das ist jetzt eine neue Situation.
    Remme: Peter Danckert war das (SPD), Vorsitzender im Sportausschuss des Bundestages. Herr Danckert, ich bedanke mich für das Gespräch.