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"Dane Zajc schaffte den Spagat zwischen dem Urzeitlichen und dem Gebildeten“

Der Übersetzer Fabjan Hafner hat den Slowenen Dane Zajc als einen großen Dichter gewürdigt. Hafner sagte im Deutschlandfunk, Zajc habe gerade die leisen Töne beherrscht. "Er hat durch Leisesein die Leute zum Zuhören gezwungen." Er habe in Live-Auftritten seine Texte nicht vorgelesen, sondern auswendig gesprochen, als seien sie ihm gerade eingefallen.

24.10.2005
    Koldehoff: Als er 12 war begann der Krieg, als er 15 war, starben zwei seiner Brüder, die bei den Partisanen kämpften und auch seinen Vater und seinen Großvater ermordeten die Deutschen, den Hof der Familie steckten sie in Brand. Den Krieg als Kind zu erleben, sagte Dane Zajc später einmal, das sei eine Erfahrung, die man nie vergisst. Im Nachkriegsjugoslawien erging es ihm nicht viel besser: vom Gymnasium wurde er ausgeschlossen, ins Zentralgefängnis des Geheimdienstes gesteckt, ein Studium verbat man ihm. Und trotzdem oder vielleicht deshalb wurde Dane Zajc zu einem der - manche sagen sogar zu dem - wichtigsten zeitgenössischen Autor Sloweniens. Wer eine seiner Gedichtlesungen miterlebte, der sprach hinterher nicht von einem Dichter, sondern von einem Magier. Nun ist Dane Zajc kurz vor seinem 76. Geburtstag in Ljubljana gestorben. Ich habe seinen Übersetzer Fabjan Hafner gefragt, ob auch er einem Zauberer begegnet ist.

    Hafner: Oh ja. Er hat sehr sehr leise gesprochen, aber es war ein unglaublich intensives Raunen. Er hat das Leisesprechen, das Flüstern beherrscht und hat einfach die Leute auch zum Zuhören gezwungen durch ganz stillen, ganz intensiven Vortrag und er hat ja seine Texte nicht vorgelesen, sondern tatsächlich auswendig gesprochen, fast so als wäre es ihm gerade erst eingefallen.

    Koldehoff: Und Texte, die ja nun gar keine leisen Texte waren, wenn man sie liest zumindest nicht, sondern sehr gewalttätige, fast rohe Texte gewesen sind. Wie passte das zusammen?

    Hafner: Ich bin einmal in Hamburg rüde zurechtgewiesen worden, weil ich all die Alliterationen, die auch im Slowenischen stehen im Deutschen nachgebildet habe und sie haben gesagt, das höre sich an wie Wagner. Durch die Art des Vortrages von Dane Zajc wurde das ausbalanciert. Er hat eine sehr von Gewalt früh durchsetzte Biographie erlebt, war aber trotzdem glaube ich ein sehr sanfter und offenbar sehr sensibler Mensch trotz all dieser frühen Erfahrungen. Er musste eben ansehen, dass seine Brüder im Krieg zu Tode kamen im Widerstand, dass sein Vater im Krieg starb, dann auch die Nachkriegsgeschichte hat er doch als sehr schmerzhaft erlitten. Es wurde ihm der Zugang zu einer höheren Bildung verwehrt, weil er sich politisch exponiert hatte und er musste dann als Bibliothekar weit unter seinen intellektuellen Fähigkeiten sein Leben fristen. Alles das hat aber seine Sensibilität erhöht und er hat eben sich nicht abgeschottet und es ist ihm keine Hornhaut über diese Wunden gewachsen.

    Koldehoff: Hat er in seine Heimat publizieren können, war ihm das möglich?

    Hafner: Das erste Buch erschien im Selbstverlag, aber da sind für slowenische Verhältnisse doch unglaubliche 2000 Stück davon abgesetzt worden. Das heißt, es war ein großer Hunger da für diese Art von Dichtung, die ja durchaus auch eine Situation beschreibt, die eine politische ist ohne das in den Vordergrund zu rücken. Also er hat die Politik nicht direkt angesprochen, aber umso tiefer und umso nachhaltiger getroffen.

    Koldehoff: Wie ist er wahrgenommen worden in Slowenien?

    Hafner: Als jemand, der einerseits dieses urzeitliche Raunen, wie man sich den Dichter vor der Erfindung der Schrift vorstellt verkörpert hat auf der einen Seite, auf der anderen Seite war er ein sehr urbaner, sehr gebildeter, sehr belesener Mensch und er hat diesen Spagat eigentlich scheinbar mühelos geschafft. Das heißt, er hat die Bildung, die er in sich aufgesogen hat nun tatsächlich wieder in diese fast urzeitliche Form einfließen lassen, die sein Ausdruck war und die vor allem sein mündlicher Ausdruck war und es gibt ja Aufzeichnungen seiner Auftritte und es bedarf eigentlich keiner Erklärung, das ist ziemlich unmittelbar, was er sagen wollte und der Ton ist oft wichtiger als die einzelnen Wörter.

    Koldehoff: In einem biographischen Text über ihn habe ich den eigentlich ganz schrecklichen Satz gefunden, er lebte in der Erwartung, dass das Böse nicht an ihm vorüberziehen wird, also eine eigentlich grundnegative Lebenserfahrung, die dann auch zu einer grundnegativen Lebenseinstellung führen könnte. Haben Sie jemals einen fröhlichen Text von ihm zu lesen bekommen?

    Hafner: Die Texte, die glaube ich gegen das Negative und gegen die Dunkelheit geschrieben sind, die durchaus auch gegen diese erlebte Negativität sich zu Wort melden und die ja doch zumindest in der Schlusssendung immer einen Lichtblick offen lassen. Ich glaube nicht, jemand, der wie Dane Zajc so gerne gelebt, so gerne getrunken hat, so gerne in die Berge gegangen ist, der tatsächlich noch in seinen späten Jahren ohne Berge nicht sein konnte, also sich auch dieser körperlichen Anstrengung sich eigentlich sehr genussvoll unterzogen hat, war nicht jemand, der das Leben abgelehnt hat oder der keine Hoffnung gehabt hätte. Er hat Kinder in verschiedensten Altern aus verschiedensten Verbindungen, also er war durchaus jemand, der zum Leben ja gesagt hat. Einmal hat er allerdings gesagt, früher waren die Zeiten besser, da konnten wir wenigstens noch Gott verfluchen. Also sein Himmel scheint ein leerer Himmel gewesen zu sein, das wird er vielleicht bedauert haben. Er hat mit seinem abwesenden Gott gehadert, wenn Sie so wollen.