Archiv


"Dann muss man dort neue strengere Regeln einführen"

Der Sprecher der parlamentarischen SPD-Linken, Ernst-Dieter Rossmann, hat die Banken dazu aufgefordert, konstruktiv an dem Finanzarchitektur-Sicherungsprogramm mitzuarbeiten. Das sei man den Menschen schuldig, die "den Banken viel Vorschuss leisten sollen über den Staat". Darüber hinaus müssten strengere Überwachungsmaßnahmen eingeführt werden.

Ernst-Dieter Rossmann im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Stagnation, Rezession, böse Worte, trübe Aussichten. Auch nach der Verabschiedung des Rettungspaketes bleiben die Sorgen über die künftige wirtschaftliche Entwicklung. Die Konjunktur lahmt, das nächste Jahr wird kein leichtes sein. Der Bundesregierung ist klar: ohne neue Anreize wird es schwer werden, das Vertrauen von Verbrauchern und Unternehmen wiederzugewinnen. Zwar scheut sich die Kanzlerin, das Wort "Konjunkturprogramm" in den Mund zu nehmen, doch bereits in dieser Woche soll über staatliche Fördermaßnahmen entschieden werden. Am Telefon ist nun Ernst-Dieter Rossmann. Er ist Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD. Guten Morgen!

    Ernst-Dieter Rossmann: Guten Morgen.

    Heinlein: Niemand sagt offen ja, wir brauchen ein Konjunkturprogramm. Trauen Sie sich, das Wort in den Mund zu nehmen?

    Rossmann: Damit hätten wir keine Probleme, weil es ja eine gemeinschaftliche Anstrengung sein wird, Zukunftsinvestitionen nach vorne zu tragen, und Investitionen mit einem doppelten Nutzen. Und weshalb sollten wir uns nicht zu diesem doppelten Nutzen bekennen, nämlich Arbeit zu erhalten und gleichzeitig zum Beispiel Energie und andere Ressourcen einzusparen. Das wäre doppelter Nutzen. Weshalb sollen wir uns nicht dazu bekennen, dass mehr in Bildungsinvestitionen von der kommunalen bis zur Bundesebene geleistet würde? Das wäre doppelter Nutzen auch für die Wertschöpfung der Zukunft. Also es geht hier jetzt nicht um einen Schleiertanz um Worte, sondern es geht um die richtigen Impulse und die müssen zukunftsorientiert sein.

    Heinlein: Diesen Schleiertanz hat aber Ihr neuer Kanzlerkandidat auf dem SPD-Parteitag aufgeführt und nicht von einem Konjunkturprogramm gesprochen, sondern von einem Schutzschirm für Arbeitsplätze. Wo ist denn der Unterschied?

    Rossmann: Das ist aber doch kein Schleiertanz, sondern das ist doch die sehr konkrete, die sehr praktische Umsetzung, dass der Sinn des Konjunkturprogramms deutlich wird, nämlich nach dem Schutzschirm für die Finanzkreisläufe jetzt vor allen Dingen den Schutzschirm für Arbeitsplätze, für Wertschöpfung, für Wachstum so weit es eben geht in Deutschland, auch in Europa mitzuschaffen. Deshalb, finde ich, ist das eine sehr gute sprachliche Perspektive auch, die Frank-Walter Steinmeier dort aufgemacht hat. Schutzschirm, das ist schon ein guter Ausdruck für das, was wir auch mit Zukunftsinvestitionsprogramm meinen.

    Heinlein: Gehen sie als parlamentarische Linke denn auch inhaltlich konform mit dem Kanzlerkandidaten Steinmeier?

    Rossmann: Inhaltlich absolut. Wenn ich daran erinnern darf, dass Frank-Walter Steinmeier genau diesen doppelten Nutzen, was Energieeinsparung und die breite Verankerung dieses Grundsatzes mit angeht, angesprochen hat. Wenn er sagt, dass wir vor allen Dingen auch den Mittelstand, das Handwerk in Deutschland mit fördern müssen, dann sind das ja richtige auch wirtschaftspolitische Perspektiven, denn solche Programme müssen natürlich auch in der Wirtschaft dort ankommen, wo sie umgesetzt werden, und nicht, wo sie sich in weiteren Weltmarktspekulationen verflüchtigen.

    Heinlein: Wie viel Geld muss denn der Staat in die Hand nehmen, um die Konjunktur wieder flott zu bekommen?

    Rossmann: Alleine wird das der Staat nicht hinbekommen können, denn wir denken hier an eine Wiederholung des Umfanges von dem so genannten "Genshagen 1"-Programm. Das ist ja das Programm, was die Bundesregierung zu Beginn ihrer Regierungszeit mit aufgelegt hat, was auch schon die Komponenten hatte: Energieeinsparung, was jetzt verstärkt werden muss, Zukunftsinvestitionen in Bildung, was eine große Chance ist, und breite Förderung auch in den richtigen Kreisen für Konsum und Umsatz. Dieses "Genshagen 1"-Programm hatte ja einen Umfang von 25 Milliarden Euro. Das ist ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland. Aber es muss die richtigen Impulse setzen. Das ist der Punkt: mit richtigen Impulsen eine Hebelwirkung so schaffen, dass dort auch weitere Investitionen und auch weiterer guter Konsum erfolgen.

    Heinlein: 25 Milliarden Euro, das ist eine Menge Geld. Muss das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes damit endgültig für die kommenden Jahre wieder auf Eis gelegt werden?

    Rossmann: Es ist ja eine große Lebenslüge zu glauben, man könne sich über die Staatsausgaben gesund sparen. Nein! Man kann sich nur gesund wachsen, sprich aus dem Wirtschaftszuwachs folgen Steuerzuwächse und aus diesen heraus kann man dann auch einen Haushalt sanieren. Das andere macht nur das Wirtschaftswachstum und die wirtschaftliche Tätigkeit kaputt, führt dazu, dass es weniger entsprechende Einnahmen gibt. Es gehört deshalb dazu, sinnvoll mit öffentlichen Geldern umzugehen, sparsam mit öffentlichen Geldern umzugehen, aber den Staat als denjenigen, der auch wirtschaftliche Tätigkeit mit anreizt, der den Wirtschaftskreislauf mit stabil hält, ihn mit ausweitet, in die Lage zu versetzen, dieses über entsprechende Programme tun zu können. Also: Gesund sparen kann nur in die Hose gehen.

    Heinlein: Herr Rossmann, liegen also die Gewerkschaften falsch, wenn sie jetzt fordern, es brauche groß angelegte Konjunkturprogramme, die auch über neue Schulden finanziert werden sollen?

    Rossmann: Das ist kein Widerspruch zu dem, was ich eben gesagt habe, denn wir werden sicherlich solche Konjunkturprogramme nicht ad hoc gegenfinanzieren wollen und können durch zusätzliche Steuererhöhungen. Wir von der parlamentarischen Linken finden allerdings - und das ist ja auch Auffassung in der ganzen SPD -, wenn es dort jetzt große Einschnitte bei öffentlichen sinnvollen Ausgaben geben sollte, dann muss das im Zuge dieses Finanzsicherungsprogramms auch auf dem Finanzsektor selber gegenfinanziert werden. Ein Bankensoli in der Gegenfinanzierung aus dem Kreditgewerbe, aus der Versicherungsbranche, aus anderem wird sicherlich dann das Gebot der Stunde sein. Aber sonst heißt es, aktuell in Vorlage gehen. Das heißt, auch aktuell gegebenenfalls höhere Verschuldung hinzunehmen, um daraus über höheres Wachstum dann sich aus der Verschuldung herauszuwachsen, nicht herauszusparen.

    Heinlein: Aber Herr Rossmann, ein Widerspruch insoweit, dass Sie sagen, neue Schulden kann es geben, muss es geben als Zwischenfinanzierung. Dann kann das Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes ja nicht mehr erreicht werden, zumindest in den kommenden Jahren.

    Rossmann: Das Ziel des ausgeglichenen Haushaltes ist ja ein Ziel, was nicht aufgegeben wird. Davon war eben an keiner Stelle bei mir die Rede. Das sehen wir sehr wohl auch. Wir machen doch nicht Schulden als Selbstzweck und sind nicht so dumm, die Kreditmärkte noch darüber zu füttern, dass der Staat hohe Schulden aufnimmt und dass er es für diejenigen schwierig macht, die auch günstiges Geld brauchen, weil sie investieren wollen, dieses über die Zinsen hochzutreiben. Nein, nein. Das ist nicht das, was unser grundsätzliches Denken ist. Aber jedes zu seiner Zeit. Und wenn es jetzt durch ein solches einschneidendes Ereignis wie diese Spekulationsblase, die uns die Kapitalmärkte eingebrockt haben, eben nicht geht, dann muss man darüber klug ein bisschen länger noch hinarbeiten. Dieses ist das, was uns in der SPD vereint. Deshalb keine Aufgabe des Zieles Nettokreditaufnahme null, aber auch kein Hasardeurspiel, dieses jetzt in drei Jahren gewiss erreicht haben zu wollen.

    Heinlein: Herr Rossmann, ein Wort noch zur Kabinettssitzung, die in wenigen Minuten um halb neun beginnen wird. Dort soll festgelegt werden, wie die Daumenschrauben für die Banken aussehen, die dieses Rettungspaket in Anspruch nehmen. Müssen die Banken an den strengen staatlichen Zügel genommen werden?

    Rossmann: Die Banken sind jetzt einerseits verpflichtet, konstruktiv mitzuarbeiten an dem Finanzarchitektur-Sicherungsprogramm, was wir gerade letzte Woche mit verabschiedet haben. Damit sind gute Bedingungen formuliert und die werden jetzt auch sehr sauber durchbuchstabiert. Das sind wir den Menschen schuldig, die dort ja auch den Banken viel Vorschuss leisten sollen über den Staat, und zum zweiten muss es von Deutschland über Europa bis hin zu Weltvereinbarungen dort ganz neue Achsen geben, die mit eingezogen werden, weil diese Achsen offensichtlich gefehlt haben. Wir haben einen TÜV für ganz viele Produkte. Wenn wir diesen TÜV nicht mehr für Spekulationsprodukte in der Welt haben, dann ist etwas faul. Wir haben Rating-Agenturen, die auf Sicherheit in der Finanzierung bei den Banken achten sollen. Wenn diese Rating-Agenturen nicht mehr qualifiziert genug sind, die Sicherheit zu geben, dann ist etwas faul. Dann muss man dort neue strengere Regeln einführen. Das ist das Gebot der Stunde und ich bin zuversichtlich, dass diese Große Koalition, selbst wenn es da Fluchtbewegungen bei der CDU/CSU geben sollte, diese strengen Regeln auch mit durchsetzt.

    Heinlein: Und die sehr symbolträchtige Deckelung der Managergehälter auf 500.000 Euro sollte bei diesen strengen Regeln aus Ihrer Sicht in jedem Fall dabei sein?

    Rossmann: Was die 500.000-Euro-Regel angeht, bezieht die sich auf diejenigen Finanzunternehmen, die jetzt unter die Garantie oder den Liquiditätsschirm des Bundes mitgehen wollen. Und dort müssen diese ganz strengen Regeln gelten. Sonst muss gelten, dass wir in Bezug auf die Vergütung von Managern mehr Durchflussrechte von Aktionärsversammlungen und von Aufsichtsräten schaffen, was Transparenz angeht, was auch Kriterien angeht, nach denen diese Vergütungen ausgezahlt werden können. Da darf nicht der kurzfristige Profit, da muss die nachhaltige Sicherung des Unternehmens das Ziel sein. Das darf nicht sich vor allen Dingen auf Aktienoptionen beziehen, was dann ein vollkommen falscher Anreiz ist. Da müssen wir Regeln verschärfen, dass der Staat nicht noch bei den Pensionen, bei den Abfindungen für die Manager mit dabei ist. Das sind die konkreten Punkte. Wir werden dort nicht staatliche Festlegungen von Managergehältern beschließen können. Das lässt unsere Wirtschaftsordnung so nicht zu und das ist auch in der rigiden Form dann nicht vernünftig. Der Rahmen muss stimmen und den können wir klarer und enger fassen.

    Heinlein: Heute Morgen im Deutschlandfunk Ernst-Dieter Rossmann, Sprecher der parlamentarischen Linken in der SPD. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.